Sinnsuche: Was Sterbende bereuen – dieses Buch kann noch immer Ihr Leben verändern

Was bleibt am Lebensende? 2012 erschien das Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Bronnie Ware. Noch immer leben wir ganz anders, als wir es eigentlich wollen.
Randy Pausch, der 2008 verstorbene Informatiker und Miterfinder der Google-Benutzeroberfläche, sagte in seiner legendären letzten Vorlesung einen wirklich existenziell bedeutsamen Satz: „Auf unserem Sterbebett werden wir nicht die Dinge bereuen, die wir getan haben – sondern die Dinge, die wir nicht getan haben.“
Dieser Gedanke zieht sich wie ein Leitmotiv durch ein Buch, das 2012 erstmals auf Englisch erschien, ein Jahr später in deutscher Übersetzung auf den Markt kam und das innerhalb von zwölf Monaten mehr als drei Millionen Leser fand: In „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ schrieb die australische Palliativkrankenschwester und Blog-Autorin Bronnie Ware über ihre Erfahrungen mit Menschen, die das Ende ihres Lebens vor Augen haben.
Und tatsächlich: Nach Wares Erfahrung hatte Randy Pausch recht. Nur ein einziger Punkt der Liste der fünf Dinge, die Menschen am Lebensende bereuen, dreht sich um das, was man tatsächlich gemacht hat: „Ich wünschte, ich hätte weniger gearbeitet.“
Vor allem Männer bedauerten in ihren letzten Tagen und Stunden, dass sie „zu viel Zeit ihres Lebens in der Tretmühle des Arbeitslebens“ verbracht hätten, wie Ware schrieb. Sie grämten sich, sich zu wenig um Kinder, Partner und Freunde gekümmert zu haben. Frauen hätten sich zwar auch über zu viel Arbeit beklagt, aber längst nicht so häufig wie Männer, so Ware: „Sie waren meistens eben nicht die Familienernährer.“
Am Lebensende bedauern wir, Wesentliches nicht gelebt zu haben
Nimmt man das Buch heute wieder zur Hand, stellt sich derselbe Aha-Effekt wie damals ein: Es sind nicht so sehr unerfüllt gebliebene Wünsche wie Weltreisen, schicke Häuser, mehr Sex oder noch mehr Geld, welche die Todgeweihten bereuen, sondern die unerfüllten zwischenmenschlichen Dinge:
Auf Platz eins der Liste etwa steht der Wunsch, „den Mut gehabt zu haben, mein eigenes Leben zu leben“. Viele der Menschen hätten sich darüber beklagt, zu oft den Erwartungen anderer entsprochen zu haben, statt ihren eigenen Wünschen nachzugehen. „Die meisten hatten nicht einmal die Hälfte ihrer Träume verwirklicht“, so die Palliativpflegerin.
Auch Platz drei und vier der Aufstellung drehen sich um sehr persönliche Wünsche: „Ich hätte meine Gefühle besser ausdrücken sollen“ und „Ich wünschte, ich hätte mich mehr um meine Freunde gekümmert.“ Beides fällt gewissermaßen in die Kategorie Seelenhygiene: Während alte Freundschaften ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln, können unterdrückte Gefühle im schlimmsten Fall geradewegs zu Krankheiten führen. Außerdem, so die Autorin und Bloggerin: Wer wegen eines harmonischen Miteinanders seine Emotionen blockiere, versperre sich die Möglichkeit, seine ganze Persönlichkeit auszuleben.
„Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt“
Noch immer drängt sich beim Lesen des Buches der Eindruck auf, dass der Großteil der Menschen in einem Gestrüpp aus Alltag, Familienpflichten, Geldverdienen und anderen „äußeren Umständen“ festhängt – was den Weg zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens versperrt. Wie es etwa der letzte Wunsch auf der Liste ausdrückt: „Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.“ Bronnie Ware war nach eigener Auskunft überrascht, „wie häufig dieser Punkt genannte wurde“. Die Autorin: „Viele Menschen merken erst am Ende ihres Lebens, dass man sich bewusst für Glück und Freude entscheiden kann.“ Doch viele seien so sehr in festgefügten Verhaltensweisen verhaftet geblieben, dass sie schlicht vergessen hätten, auch einmal herzlich zu lachen oder einfach nur albern zu sein.
Und noch etwas zeigt Wares Buch, das auch heute noch berührt: Fast alle Menschen, welche die Autorin am Lebensende begleitet hat, hätten sich irgendwann mit ihrer Sterblichkeit abgefunden. Viele seien am Unausweichlichen innerlich gewachsen. „Jeder reagiert auf seine Weise, doch jeder einzelne macht seinen Frieden, bevor er dahinscheidet“, bilanziert die Autorin. Ihr Buch über die Sterbenden zeigt den Lebenden, was und wie sie vielleicht in ihrem Alltag ändern können, um am Ende aller Tage weniger bedauern zu müssen.