Groko-Verhandlungen: Regierung bis Ostern? Kann Merz „komplett vergessen“

Bis Montag müssen die 16 Groko-Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorlegen. In vielen Punkten besteht weiter keine Einigung. Ab jetzt muss die Chefrunde ran. Prognose: Es wird zäh.
Es hakt in der GroKo in Gründung. Und das ausgerechnet jetzt, da in dieser Woche die heiße Phase der Verhandlungen anlaufen soll. Optimistisch formuliert ließe sich sagen, dass der Einigungswillen an der Spitze der künftigen Koalition sich noch nicht vollumfänglich in den Ergebnissen der Arbeitsgruppen widerspiegelt. Die pessimistischere Sichtweise: Man zofft sich in allen Runden.
„Zäh“, „verhakt“, „frustrierend“ verliefen die Gespräche, zitiert die FAZ Verhandler auf Unionsseite. Die Gegenseite sieht das offenbar ähnlich: „Die lesen uns ihr ganzes Wahlprogramm vor und erwarten ernsthaft, dass wir das jetzt 1:1 umsetzen“, klagt ein SPD-Verhandler dem stern.
Ab jetzt werde es extrem zäh
Spätestens am Montag müssen alle Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse der 19-köpfigen Verhandlungsgruppe vorlegen. Offene Punkte muss dann die Runde um die Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) sowie CSU-Chef Markus Söder klären.
Keine leichte Aufgabe, denn dem Vernehmen nach sind die strittigen Passagen – gekennzeichnet durch eckige Klammern oder markiert in den Farben Rot und Blau – zum Teil länger als die geeinten Textabschnitte. Bisweilen fallen die Ergebnisse sogar hinter die bei den Sondierungen bereits gefundenen Kompromisse zurück, heißt es in Verhandlungskreisen.
Eines stehe schon fest: Dass man bis Ostern mit dem Thema Regierungsbildung durch sei, könne Merz „komplett vergessen“. Im Gegenteil: Ab jetzt werde es extrem zäh.
Echte Reformen als Revanche
Der zukünftige Kanzler steht von mehreren Seiten unter Druck. Ein großer Teil der eigenen Leute leidet an der 180-Grad-Wende in der Merz‘schen Schuldenpolitik. Die zuletzt verabschiedeten Milliarden-Pakete betrachtet man in erster Linie als Morgengabe an die Genossen, weshalb nun CDU/CSU am Zug seien. Als Revanche verlange man echte Reformen, von „CDU-pur“ ist die Rede. Es müsse sich im Koalitionsvertrag deutlich abzeichnen, dass die Union die Wahl gewonnen haben – nicht die SPD.
Die Genossinnen und Genossen sehen das naturgemäß völlig anders. Dass man der Union für die Milliarden-Pakete etwas schuldig sei, hält man für abwegig. All die Panzer und Brücken, die mit dem Geld gebaut werden könnten, wären schließlich keine sozialdemokratischen Panzer und Brücken.
Parteichef Klingbeil steht selbst unter Druck. Immer wieder mahnt ihn seine Partei, hart zu bleiben beim Bürgergeld, weder Zurückweisungen noch Renteneinschnitte zuzulassen und einen 15-Euro-Mindestlohn durchzusetzen – sonst wackelt womöglich die Zustimmung der Basis zum Koalitionsvertrag. In der Union hält man dieses Argument für Propaganda, Merz erinnert bei jeder Gelegenheit daran, dass letztlich beide Seiten zum Erfolg verdammt seien, wenn sie verhindern wollen, dass die AfD noch stärker wird.
Merz selbst muss dafür vor allem auf zwei Politikfeldern reiche Ernte einfahren: bei der Zuwanderung, also der Begrenzung der illegalen Migration, und beim Thema Wirtschaftswende. Hier hat Merz hohe Erwartungen geweckt. Von seinem 5-Punkte-Plan zur Migration ist nicht mehr viel übrig, zerbröseln dem Kanzler in spe schon vor Amtsantritt auch noch die Pläne für seine Steuerreformen?
Für echte Steuersenkungen fehlt der Groko das Geld
Für echte Steuersenkungen fehlt der neuen Koalition auf absehbare Zeit wohl das nötige Geld. Klingt absurd, ist aber logisch: Mit Krediten aus den Milliarden-Paketen lassen sich keine Haushaltslöcher stopfen, sie sind ausschließlich Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur vorbehalten.
Markus Söder mag es anders sehen, aber auf die Forderungen aus dem CSU-Wunschkatalog trifft das gerade nicht zu: Der enthält mit der Ausweitung der Mütterrente, der Erhöhung der Pendlerpauschale, der Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und der vollständigen Rückkehr der Agrardiesel-Subventionen gleich vier milliardenschwere Posten, die das ohnehin vorhandene Defizit im Haushalt weiter vertiefen würden.
Der Merz-Vertraute und Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, erinnerte in der vergangenen Woche vorsorglich daran: „In jedem Fall bleibt es dabei, dass der Konsolidierungsdruck für den Haushalt groß bleiben wird“, sagte Frei im Podcast von „Politico“. „Wir rechnen mit einer Deckungslücke im kommenden Jahr von etwa 38 Milliarden Euro, in den beiden Folgejahren von jeweils 31 Milliarden Euro“ – größere Steuerreformen mit Entlastungen und Investitionsanreizen für Industrie und Mittelstand nicht eingerechnet.
Eklat in der Arbeitsgruppe Haushalt
Kein Wunder, dass es in der Arbeitsgruppe „Haushalt, Finanzen und Steuern“ jetzt den größten Ärger gab. Einmal wurden die Verhandlungen sogar abgebrochen. Laut FAZ war der Anlass der SPD-Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Ein heftiges Wortgefecht zwischen der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen und der CSU-Haushaltsexpertin Mechthilde Wittmann führte dazu, dass die sieben SPD-Verhandler geschlossen den Raum verließen.
Zuvor ging es bereits hoch her. Die SPD hat die Union mit ihren weitgehenden Steuerplänen hart auflaufen lassen. Geplante Entlastungen müssten „mindestens“ aufkommensneutral ausgestaltet werden, meint: Die Union müsste an anderer Stelle Vorschläge für höhere Steuern machen. Die SPD hätte welche: die alte Vermögensteuer, eine neue Finanztransaktionssteuer oder die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 47 Prozent.
Am Ende findet sich im Arbeitsgruppen-Papier weder eine Reform der Einkommensteuer noch eine Neuregelung zur Unternehmensbesteuerung.
„Bis ins Mark frustrierend“ verliefen die Gespräche so ein Verhandler der Union in der FAZ. Unter Genossen falle dafür immer wieder der Satz: „Boris hatte absolut recht“, sagt ein SPD-Verhandler. Gemeint sind Äußerungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius in einer SPD-Fraktionssitzung, die der stern vor zwei Wochen veröffentlichte. Pistorius hatte sich über die Sondierungen mit den Worten beklagt: „Diese Gesprächspartner waren die mit Abstand unangenehmsten.“
Es dürften noch sehr lange Verhandlungen werde.