Neue Serie: stern-Legenden: David Bowie – der Meister der Verwandlung

Ohne ihn wäre die Popmusik nicht das, was sie heute ist: Vor neun Jahren starb David Bowie. Er war ein Vorreiter für alle, die nach ihm kamen

Einmal sagte er: „Wenn ich alle Bowies treffen müsste, die ich in meinem Leben gespielt habe, wäre ich wahrscheinlich reif für die Klapsmühle.“ Da war David Bowie endlich bei sich angekommen und sein Leben sah so aus: „Ich stehe früh auf und schreibe ein paar Stunden. Halte die Nachmittage für die Familie frei. Wir gehen in Galerien, Supermärkte und Restaurants. Ist das nicht schockierend gewöhnlich?“ Ja! Jedenfalls für einen wie ihn, der sich über Jahrzehnte immer wieder neu erschaffen hat.

Mal gab er den schrillen Ziggy Stardust, mal den bleichen Thin White Duke. David Bowie war ein Meister der Verwandlung, ein Chamäleon, dem jede Farbe stand. Das fing schon bei seinen Augen an: das linke braun-grün, das rechte grau-blau, die Pupillen unterschiedlich groß. Die Folgen einer Prügelei: Mit 15 wollte er einem Schulkumpel das Mädchen ausspannen, der gab ihm dermaßen eins aufs linke Auge, „dass es einfach explodiert ist“. Er ließ sich davon nicht unterkriegen – und wurde zum kreativen Vordenker: David Bowie erfand alles, was Popmusik bis heute bunt, unberechenbar und aufregend macht. Lady Gaga in ihren futuristischen Kostümen, Madonna in ihrer permanenten Verwandlung, Freddie Mercury in seiner Symbiose aus Homosexualität, Rockmusik und Oper – hätte es ohne David Bowie nicht gegeben. In uns allen steckt mehr als ein Mensch, das war seine Botschaft.

Er war zunächst ein schüchterner Junge

Dabei war er zunächst ein ziemlich schüchterner Junge. 1947 im Londoner Stadtteil Brixton geboren, wuchs er mit einem Halbbruder und Eltern auf, die er als „britisch-unterkühlt“ beschrieb: „Man nahm sich nicht in den Arm.“ Dafür nahm ihn der Bruder mit in die Londoner Clubs, als er 13 war, wo es ganz anders zuging als zu Hause: offen, fröhlich, körpernah. David Bowie sah seine ersten Konzerte – und stand zwei Jahre später selbst als Sänger auf der Bühne.

Ihm fehlte noch ein Konzept, doch 1967 traf er den Künstler Lindsay Kemp, nahm bei ihm Tanz- und Pantomimestunden, trat in seiner Show „Pierrot in Turquoise“ auf – die Lust am Kostümspiel war geboren. Im selben Jahr begegnete David Bowie dem Produzenten Tony Visconti, der mit Joe Cocker und T.Rex arbeitete und ihn an die Hand nahm. Er schrieb den Song „Space Oddity“, und als Neil Armstrong 1969 auf dem Mond landete, katapultierte David Bowie sich damit in die Charts. Unvergessen die Textzeile: „Ground Control to Major Tom.“ Das Lied eröffnete den Reigen aus Kunstfiguren, hinter denen er sich verstecken sollte.

David Bowie nahm alles an Drogen – Marihuana, LSD, Kokain, Heroin

In Wahrheit nämlich, so sagte Bowie später, „habe ich mein Leben lang unter starken Ängsten gelitten. Sie sind das Hauptmotiv meiner Arbeit und meiner inneren Suche“. In den siebziger Jahren entdeckte er die Drogen: Marihuana, LSD, Kokain, Heroin, das volle Gedeck. Seine Sucht brachte ihn fast um. Ein kalter Entzug in Berlin rettete ihn, doch Frieden mit sich selbst machte er erst, als er die Frau seines Lebens fand: Iman, das somalische Topmodel, und er heirateten 1992. Fortan war er einfach David Bowie, Ehemann und Vater. Ein glücklicher Mensch.

Nur am Ende spielte er noch einmal eine Rolle: Sechs Wochen vor seinem Tod, niemand ahnte von seiner Krankheit, hatte seine Show „Lazarus“ im „New York Theatre Workshop“ Premiere. Er verbeugte sich auf der Bühne mit den Schauspielern, im schwarzen Anzug, leicht gebräunt. Er sah gut aus, ganz der gesunde David Bowie, den er an diesem Abend gab.