Fernsehen: Wenn Eltern trinken: ZDF-Reportage „Vergiftete Kindheit“

Viele Väter und Mütter in Deutschland sind alkoholkrank. Was sie damit ihren Kindern über lange Zeit hinweg antun, das zeigt eine TV-Reportage.
Es ist nur schwer vorstellbar, wie es Kindern ergeht, deren Eltern zu viel Alkohol trinken und ihnen körperliche oder seelische Gewalt antun. Wie sehr dies Menschen ihr Leben lang belasten kann, zeigt die Reportage „Vergiftete Kindheit“ aus der Reihe „37 Grad“. Sie ist am heutigen Dienstag um 22.15 Uhr im ZDF zu sehen.
Die glücklichen Phasen in der Kindheit von Nicolas waren nur sehr kurz – zu oft stand nachts der Krankenwagen vor der Tür, oder Oma musste ihn mal wieder nehmen. Die Mutter starb an ihrer Alkoholsucht, als Nicolas gerade zehn Jahre alt war. Damit kam er zunächst überhaupt nicht klar.
Tod der Mutter als Chance
Im Rückblick sieht er ihren Tod als Chance. „Weil sie nicht mehr da war, habe ich mehr Sicherheit im Leben bekommen“, sagt der heute 23-jährige junge Mann, der gerne Schlagzeug spielt und offen mit seiner Geschichte umgeht. Er engagiert sich ehrenamtlich in einer Gruppe für Kinder aus suchtbelasteten Familien, die ihm selbst einmal sehr geholfen hat.
Tanja ist ausgebildete Pflegefachkraft und betreut schwer kranke Kinder. Die 38-Jährige lebt in Berlin und hat selbst drei Kinder. Sie musste sich schon früh um ihre alkoholkranke Mutter kümmern, die es ihr jedoch nicht gedankt hat.
„Ich wünschte, ich hätte Dich nie geboren“
Stattdessen fielen Sätze wie: „Ich wünschte, ich hätte Dich nie geboren“. Erst als Erwachsene stellt Tanja fest, dass sie mit dieser Aufgabe überfordert war – und es noch immer ist. Jetzt möchte sie die Vergangenheit aufarbeiten und ist an die Öffentlichkeit gegangen – gegen den Willen ihrer Eltern, die daraufhin den Kontakt zu ihr abgebrochen haben.
Bei Mandy geht es um ihren Vater. Oft wurde er aggressiv, wenn er betrunken aus der Kneipe kam – was besonders seine Frau zu spüren bekam, wenn er sie verprügelt hat. Erst spät hat sie es endlich geschafft, ihn über Nacht zu verlassen. Ein Brief, den die Mutter an ihre damals 16-jährige Tochter Mandy schrieb, tauchte jetzt wieder auf.
Mandy hat sich danach entschieden, trotz allem bei ihrem Vater zu bleiben, sie kümmerte sich neben ihrer Ausbildung um den Haushalt. Mit Anfang 20 heiratete sie und bekam nach und nach vier Kinder. Bis heute kämpft Mandy (47) mit ihren ambivalenten Gefühlen zu ihrem Vater.
Ein lebenslanger Prozess
Autorin Laetitia von Baeyer-Nickol lässt ihre drei Protagonisten ausführlich zu Wort kommen. Dabei geht es teilweise sehr emotional zu, zwischendurch wird das (durchaus passende) Lied „Du“ der Sängerin Wilhelmine eingespielt.
Deutlich wird in diesem Film, was bei allen drei Familien überhaupt nicht funktioniert hat – der Versuch nämlich, alles unter den Teppich kehren zu wollen. Der Umgang mit alkoholkranken Eltern ist vielmehr ein lebenslanger Prozess, der viel Kraft fordert, aber ohne Hilfe von außen, ohne den Hauch einer Versöhnung nicht wirklich zu funktionieren scheint. Vor allem das Sprechen darüber ist enorm wichtig.