Prozess: Zweifel an Gutachten – Urteil im Bootsunfall-Prozess später

Das Bild, das sich den Rettern nach dem Bootsunfall bei Ribnitz-Damgarten bot, ließ auf einen Aufprall mit hoher Geschwindigkeit schließen. Wie hoch das Tempo war, sollte ein Gutachten zeigen.

Der Prozess um den tödlichen Bootsunfall im Boddengewässer vor Ribnitz-Damgarten geht in die Verlängerung. Das Amtsgericht in Stralsund vertagte die für Mittwoch geplante Urteilsverkündung. Die Verteidigung hatte zuvor massive Bedenken gegen das Gutachten zum Unfallhergang vorgebracht.

Damit fand das Verfahren gegen einen heute 38-jährigen Bootsführer, dem fahrlässige Tötung zur Last gelegt wird, noch immer kein Ende. Laut Anklage hatte der Mann am Abend des 16. August 2022 mit seinem Sportangelboot ein Freizeitboot gerammt, das mit sechs Angehörigen einer Familie besetzt war. Eine 66-jährige Frau starb nach der Kollision im südlichen Saaler Bodden, andere Insassen wurden teils schwer verletzt.

Falsche Berechnungen durch Verwechslung vom Längen- und Breitengrad

Noch vor Verlesen seines Gutachtens hatte der Sachverständige vor Gericht einräumen müssen, dass durch die Verwechslung vom Längen- und Breitengrad die Geschwindigkeit des Unfallverursachers falsch berechnet wurde. Nach den neuen Berechnungen war das Sportangelboot zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit dem Freizeitboot nicht – wie zunächst angegeben – mit 80, sondern 52 Kilometern je Stunde unterwegs. 

Diese Diskrepanz veranlasste den Verteidiger dazu, offen am sachgemäßen Umgang mit den zum Unfallhergang sichergestellten Daten zu zweifeln. Der Gutachter wurde daraufhin vom Gericht beauftragt, die Datenintegrität nachzuweisen. Dazu hat er bis zum nächsten Verhandlungstag am 30. April Zeit. Ob dann auch ein Urteil gesprochen werden soll, ließ die Richterin offen.

Verteidiger verlangt Untersuchung aller Leuchten

Zudem kündigte der Verteidiger an, eine genaue Untersuchung der sichergestellten Beleuchtung des gerammten Bootes zu beantragen. Damit solle zweifelsfrei geklärt werden, ob das Boot bei Dunkelheit vorschriftsmäßig beleuchtet und somit auch für das herannahende Sportboot gut erkennbar war. Dazu hatte es vor Gericht unterschiedliche Angaben gegeben. 

Gutachter und Staatsanwalt erklärten, dass nicht alle Fragmente der Positionsbeleuchtung daraufhin untersucht wurden, ob sie zum Zeitpunkt des Unglücks auch vollständig in Betrieb war. Doch sei die Anklagebehörde zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass das gerammte Boot unzureichend beleuchtet war. 

Der Verteidiger machte indes deutlich, dass es für eine Strafbemessung schon erheblich sei, ob das Boot bei einsetzender Dunkelheit unzureichend oder gar nicht beleuchtet war. Nun muss das Gericht darüber befinden, ob die Leuchten mittels Rasterelektronenmikroskop untersucht werden sollen. An einer intakten Leuchte hatten Sachverständige laut Gutachten keine Hinweise darauf feststellen können, dass diese eingeschaltet war. 

Laut Verteidigung hatte der Bootsführer des gerammten Bootes jedoch ausgesagt, dass alle notwendigen Leuchten in Betrieb waren. Dies könne sich als Falschaussage herausstellen.

Angeklagter hatte Strafbefehl nicht akzeptiert

Die Hauptverhandlung war nötig geworden, nachdem der Angeklagte Einspruch gegen einen vom Amtsgericht Stralsund im Mai 2024 erlassenen Strafbefehl von neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung eingelegt hatte. Zudem sollte er 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Zu Beginn des Prozesses hatte der 38-Jährige, der viele Jahre als Matrose in der Hochseefischerei und zuletzt auf einem Behördenboot arbeitete, betont, dass ihm das, was vorgefallen sei, leidtue. Allerdings habe er das andere Boot nicht sehen können, da es kein Licht eingeschaltet habe. 

Nach Darstellung des anderen Bootsführer war der Angeklagte, der mit zwei Freunden vom Angeln kam und in den Hafen zurückwollte, erheblich zu schnell auf dem Ribnitzer See, einem Ausläufer des Saaler Boddens, unterwegs. Das Boot habe aufgrund der hohen Geschwindigkeit mit dem Bug hoch aus dem Wasser geragt.