Meinung: Diesen Showdown hat die SPD selbst verzapft

Die SPD-Parteijugend probt den Aufstand, will den schwarz-roten Koalitionsvertrag nicht durchwinken. Das kann niemanden überraschen – am wenigsten Fast-Kanzler Merz.

Was für eine Woche – dabei ist es erst Montag. Am frühen Morgen hat Philipp Türmer, Chef der SPD-Parteijugend, für ebendiese klargestellt: so nicht und nicht mit uns. Die schwarz-rote Regierungsbildung könnte nun zur Zitterpartie werden.

Die Jusos werden beim SPD-Mitgliedervotum, das an diesem Dienstag beginnt, gegen den schwarz-roten Koalitionsvertrag stimmen – vorausgesetzt, substanzielle Nachbesserungen bleiben aus. Die Ablehnung des Parteinachwuches war abzusehen, kann niemanden überraschen und muss auch als Wink mit der Dachlatte an die Architekten von Schwarz-Rot gelesen werden.

Das „Spiel mit dem Feuer“

Zunächst an Lars Klingbeil, der als Partei- und Fraktionschef in Personalunion die Geschicke der Genossen auf seine Person konzentriert hat. Recht abgezockt, aber effektiv. Er wollte dadurch Augenhöhe mit nunmehr Fast-Kanzler Friedrich Merz in den Verhandlungen herstellen, um möglichst viel für die SPD herauszuholen. Durchaus mit Erfolg. 

Als potenzielles Druckmittel in den Gesprächen führte Klingbeil demonstrativ ins Feld, dass eine Große Koalition kein Automatismus sei, nicht zuletzt die Basis noch den Daumen über das Vertragswerk heben oder senken müsse. Wenn Lars Klingbeil seine eigenen Aussagen ernst nimmt, muss er die Ablehnung der Jusos respektieren, andernfalls würde er auch das Instrument des Mitgliederentscheids entwerten. 

Den Showdown um Schwarz-Rot hat die SPD-Führung gewissermaßen selbst verzapft, indem sie das Votum erst zur letzten und entscheidenden Hürde machte. Wer abstimmen lässt und eine Mitgliederpartei sein will, muss auch mit einem „Nein“ zur Koalition rechnen. Dass Generalsekretär Matthias Miersch, qua Amt oberster Lautsprecher der SPD, die Jusos und ihren Vorsitzenden vorsorglich vor einem „Spiel mit dem Feuer“ gewarnt hatte, nährt jedoch den Verdacht, dass die Parteiführung eine Koalition mit der Union eigentlich doch als alternativlos betrachtet – und von der Ablehnung der Jusos überrumpelt wurde.

Friedrich Merz verprellt die SPD ohne Not

Dabei hat Türmer eine Drohung wahr gemacht, die er schon vor Wochen eingeflogen hatte: „Ich könnte einem Koalitionsvertrag mit diesem Inhalt so nicht zustimmen“, hatte er im stern zu den Sondierungsergebnissen gesagt, die ihn insbesondere im Bereich Migration und Asyl „schlichtweg erschüttert“ hätten. Diese Kritik erneuerte der Juso-Chef am Montagmorgen und verwies zusätzlich auf den Finanzierungsvorbehalt im schwarz-roten Vertragswerk – eine „tickende Zeitbombe“, so der Juso-Chef. Schließlich sei die ungeklärte Finanzierungsfrage schon ein Konstruktionsfehler der Ampel-Koalition gewesen.

Womit wir bei Friedrich Merz wären, dem Fast-Kanzler, der ohne Not die Sozialdemokraten noch auf den letzten Metern der Regierungsbildung zu triggern vermag. Weder sei die Senkung der Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen fix, ließ der CDU-Chef via „Bild am Sonntag“ wissen, noch die Mindestlohnerhöhung ab 2026 auf 15 Euro. Als Grund führte Merz auch den Finanzierungsvorbehalt an. Das mag in der Sache korrekt sein, strategisch jedoch ein fragwürdiges Manöver. 

Statt versöhnliche Töne anzuschlagen oder andere Christdemokraten ins Feld zu schicken, um eine Botschaft ins eigene Lager zu senden, liefert Merz den Sozialdemokraten einen Grund mehr, seiner Kanzlerschaft skeptisch gegenüberzustehen. Dass seine Äußerungen als Provokation aufgefasst wurden, zeigt sich dabei nicht nur am Unmut der Jusos. Auch der linke SPD-Flügel um Tim Klüssendorf und Wiebke Esdar zeigte sich schwer irritiert, Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger schüttelte ebenfalls den Kopf. 

Ein absichtsvoller Vorstoß

Dass Juso-Chef Türmer einen Tag vor Beginn des Mitgliedervotums einen politischen Sprengsatz in die schwarz-rote Regierungsbildung schmeißt, ist natürlich ebenso absichtsvoll und wohlkalkuliert. Der Chef der Parteijugend will offenkundig unter größtmöglichem Druck Zugeständnisse erzwingen, die nicht nur kosmetischer Natur sind. Das stellt die SPD-Spitze und die Union vor eine knifflige Herausforderung.

Ob die künftigen Koalitionspartner das vereinbarte Vertragspaket tatsächlich noch mal im größeren Stil aufschnüren? Fraglich. So oder so dürfte der Vorstoß der Jusos dafür sorgen, dass das SPD-Mitgliedervotum – das in den Osterurlaub vieler Genossinnen und Genossen platzt – für diese von neuer Relevanz sein wird. Die Ablehnung der Parteijugend dürfte in die eine wie die andere Richtung mobilisieren. Und, immerhin, ein ehrliches Ergebnis aus möglichst vielen Stimmen wahrscheinlicher machen.