Presseschau: „Der große Kirchenreformer war Papst Franziskus nicht“

Papst Franziskus wollte vieles anders machen in der katholischen Kirche. Mit großen Reformen tat er sich schwer. Nun ist er mit 88 Jahren gestorben – die Pressestimmen.

Die Welt trauert um Papst Franziskus. Das Oberhaupt von mehr als 1,4 Milliarden Katholiken starb am Ostermontag in seiner Residenz im Vatikan im Alter von 88 Jahren – nur wenige Stunden, nachdem der gebürtige Argentinier zum wichtigsten Fest der Christenheit auf dem Petersplatz ein letztes Mal den Segen Urbi et Orbi gespendet hatte. Dabei hatte Franziskus, der im Frühjahr wegen einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung 38 Tage im Krankenhaus gelegen hatte, bereits sehr geschwächt gewirkt.

Mit einem Pontifikat von zwölf Jahren, einem Monat und einer Woche gehört Franziskus zu den Päpsten, die für die katholische Kirche prägend waren. Aus aller Welt und über die Grenzen der Religionen hinweg gingen Kondolenzschreiben ein. Mit seinen 88 Jahren war der Jesuit der zweitälteste Papst der Geschichte.

Tod von papst Franziskus: „Seine Bilanz fällt zwiespältig aus“

Das schreiben die deutschen Zeitungen zum Tode von Papst Franziskus:

„Mannheimer Morgen“: „Der katholischen Kirche ist zu wünschen, dass ihr nächstes Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Gläubigen die Bescheidenheit und den Mut eines Franziskus in sich trägt und zugleich eine hörbare Person der Weltpolitik wird. Den Katholiken in Deutschland ist zugleich zu wünschen, dass ihre Kardinäle und Bischöfe nicht nur die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod behandeln, sondern zu einer klaren Sprache finden, die den gesellschaftlichen Frieden stärkt und den wuchernden Hass in alle Richtungen versucht einzudämmen.“

„Stuttgarter Nachrichten“: „Franziskus war ein Papst zum Anfassen, kein strenger Dogmatiker wie zuvor. Sein unprätentiöses Wesen, seine Hinwendung zu den Schwachen, Ausgegrenzten, Geflüchteten brachten ihm viele Sympathien ein. Dass sich der Südamerikaner verbal manchmal verstolperte, sei verziehen. Er sandte wichtige Botschaften zu Klimawandel, Umweltzerstörung, Hunger und Krieg aus, und knüpfte mit seiner Kapitalismuskritik an die Tradition mancher Vorgänger an. Ob solche Stellungnahmen Wirkung entfaltet haben, steht dahin. In der römisch-katholischen Kirche sorgte Jorge Mario Bergoglio für frischen Wind. Doch seine Bilanz fällt zwiespältig aus. Er schaffte die umstrittene Reform der Kurie, öffnete Leitungsämter in der Verwaltungszentrale für Frauen und kappte alte Seilschaften. Andererseits zementierte Franziskus die Herrschaft des Kirchenoberhaupts und installierte mit seinem Beraterstab eine intransparente Nebenregierung. Zudem enttäuschte er alle, die auf große Reformen in Lehre und Kirchenrecht hofften.“

„Westfälische Nachrichten“: „Franziskus, dieser Name war für den neuen Pontifex Programm. Es verging in seiner Amtszeit kaum eine Woche, in der er nicht für Flüchtlinge und Arme eintrat und mahnte, menschlich zu handeln. Die Kurie baute Franziskus nach modernen Standards um. Ambivalent wirkte sein Streben nach Reformen. Er wollte mit der Weltsynode von Rom aus die Zügel in der Hand behalten und Einheit stiften. Sonderwege wie in Deutschland missfielen ihm. Manches blieb auf halbem Wege stecken. Vor allem aber hat dieser Papst mit seiner barmherzigen Güte viele Menschen zutiefst berührt.“

„Schwäbische Zeitung“: „Hartnäckige Kritiker in der römischen Kurie bremsten Reformen des Vatikan-Apparates aus. Die Aufarbeitung des Missbrauchs-Skandals in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas lässt auf sich warten. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen bleibt ausbaufähig. Diese Themen hat Franziskus zwar zugelassen, Antworten aber konnte er nicht mehr geben, er blieb gewissermaßen unvollendet. Ungewiss ist, ob der nächste Papst die offenen Fragen lösen will. Gleichzeitig aber wird der kommende Mann nicht hinter Franziskus‘ Positionen zurückgehen können: Das offene Gespräch in der Kirche, also Synodalität, dürfte ebenso wie der Dialog mit dem Islam zur Normalität werden. Die Mahnung, Mensch und Umwelt zu versöhnen, wird lauter. Vor allem aber wird die Hinwendung zu den Benachteiligten, also Barmherzigkeit, fester denn je als zentrale Aufgabe der Kirche angesehen werden.“

„Südwest Presse“: „Die unter Franziskus vorangetriebene Dezentralisierung der Weltkirche wird kaum noch zu stoppen sein. Jüngstes Beispiel dafür ist die Erlaubnis zur Segnung homosexueller oder geschiedener Paare. Und auch in der Missbrauchsfrage kann es kein Nachlassen geben, ohne dass die katholische Kirche massiv an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Hier hat Papst Franziskus neue Wege eingeschlagen. Sein Nachfolger wird diese vermutlich weitergehen müssen.“

„Handelsblatt“: „Der große Kirchenreformer (…) war Papst Franziskus nicht. Er schaffte weder das Zölibat ab, noch setzte er sich für die Priesterinnenweihe ein. Er kämpfte nicht gegen die Diskriminierung Geschiedener und auch nicht für eine Abschaffung des weltfremden Verhütungsverbots. (…) Den Widerspruch zwischen seiner tiefen Humanität und seiner Treue zur Doktrin hielt er über die Jahre erstaunlich gut aus. Diese Treue verhinderte allerdings nicht, dass dieser Papst die innerkirchliche Korruption genauso anklagte wie das fragwürdige Finanzgebaren des Vatikans und die zu oft selbstherrliche Attitüde seiner Glaubensbrüder. (…) Viele strebten ‚unersättlich danach, Machtbefugnisse zu vervielfältigen‘, viele ‚diffamieren und diskreditieren‘ andere. All das sind Eigenschaften, die auch J. D. Vance, einer seiner letzten Gäste, auf sich vereint. Hoffentlich hat er es ihm während der päpstlichen Audienz noch mitteilen können.“

„Nürnberger Nachrichten“: „Franziskus hat – wie erwähnt – vieles überaus Wichtiges angestoßen. Nur wenig davon konnte er zur Vollendung bringen. Genau das ist das Los der Päpste in der neueren Zeit, nämlich den Kurs des Tankers Katholizismus leicht zu verändern, was auf die lange Strecke tatsächlich dann doch zu einem neuen Ziel führt. Vielleicht erntet ein Franziskus II. oder ein Franziskus III. dereinst, was dieser Jorge Mario Bergoglio gesät hat.“

„Augsburger Allgemeine“: „Wie kein anderer Papst vor ihm war Franziskus einer der Gesten – und einer, der es verstand, der Frohen Botschaft damit Gehör zu verschaffen, auch in sozialen Medien. Der große Reformer einer teils erstarrt wirkenden Kirche, den viele in ihm sehen wollten, war er nicht. Allerdings schlug er einen Weg ein, der für die Kirche heilsam ist: Nähe, Armut, Bescheidenheit, Demut. Franziskus blieb ein Unvollendeter, umso mehr bräuchte es nun einen Nachfolger, der bereit ist, seinen Weg weiterzugehen.“

„Reutlinger General-Anzeiger“: „Die mitfühlende Art, mit der Franziskus den Blick auf die Ausgegrenzten der globalen Gesellschaft richtete, erweckte Hoffnungen bei deutschen Reformkatholiken, die der Argentinier nicht erfüllen konnte oder wollte. Trotz kleiner Fortschritte – etwa, dass Frauen taufen dürfen – hätten sich viele deutsche Katholiken mehr von ihm erhofft. Als die deutschen Katholiken sich in den Erklärungen zum Synodalen Weg für weitergehende Reformen aussprachen, kam schnell die Abfuhr aus Rom. Deutschland habe bereits eine gute evangelische Kirche und brauche keine zweite, wurde Franziskus zitiert. Er war zwar ein Reformer, aber kein Revolutionär.“