Bahnhofsviertel Frankfurt: Mord als Verzweiflungstat? – Lebenslange Haft gefordert

Ein arbeitsloser Mann googelt „Gefängnis letzte Rettung“, bald darauf ersticht er mitten in Frankfurt einen Rollstuhlfahrer. War es Mord? Oder Totschlag? Das Urteil soll noch diese Woche fallen.

Für die Staatsanwältin ist der Fall klar: Der Angeklagte hat ihrer Meinung nach im Frankfurter Bahnhofsviertel einen Rollstuhlfahrer ermordet, um ins Gefängnis zu kommen. Es handle sich um die Mordmerkmale Heimtücke und niedere Beweggründe, so die Anklagevertreterin bei ihrem Plädoyer im Frankfurter Landgericht. Der 30-Jährige solle zu einer lebenslangen Haft verurteilt werden. 

Das sieht der Rechtsanwalt des Angeklagten anders. Seiner Meinung nach handelte es sich bei den tödlichen Messerstichen im März 2024 um einen Totschlag, er beantragt eine Haft zwischen fünf und sieben Jahren. Das Urteil soll am Freitag (8.30 Uhr) verkündet werden. 

Vollversorgung in Haft

Gelebt hatte der Mann laut Angaben der Staatsanwältin in einer nahezu unmöblierten Wohnung im rheinland-pfälzischen Nastätten. „Obdachlosigkeit in der eigenen Wohnung“, nennt sie diesen Zustand. Er hatte seine Arbeitsstelle verloren und kaum noch Geld. Um aus dieser Misere zu gelangen, beschloss er der Anklägerin zufolge, eine schwere Gewalttat zu begehen und sich so eine „Vollversorgung“ im Gefängnis zu sichern. Zuvor hatte er unter anderem gegoogelt: „Gefängnis letzte Rettung“.

Er fuhr mit der Bahn nach Wiesbaden und von dort weiter mit dem Taxi nach Frankfurt. Dort traf er am Abend des 7. März auf den Rollstuhlfahrer, der regelmäßig bettelnd im Bahnhofsviertel unterwegs war. Zunächst sollen die beiden gestritten haben, dann rollte der Obdachlose davon. Der Angeklagte soll ihm laut Staatsanwältin gefolgt sein, in einer Passage ein Küchenmesser aus seinem Rucksack gezogen und ihm mehrfach in den Rücken gestochen haben. Der Angegriffene starb in einer Uniklinik, der 30-Jährige sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Zu der Anklage äußerte er sich im Prozess nicht. 

Empfundener Angriff

Sein Verteidiger meint in seinem Plädoyer, die Tat sei nicht geplant, sondern die Reaktion auf einen „empfundenen Angriff“ gewesen. Denn der Obdachlose habe seinen Mandanten bedroht. Zwar hätte er einfach wegrennen können, er habe sich jedoch aufgrund seiner „psychischen Ausnahmesituation“ in einer gefühlten Notwehrsituation befunden und daher zugestochen. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Tötungsplan, um in Haft zu kommen.