Weniger Versuchstiere: Warum Thüringens Forschung weiter Tierversuche einsetzt

Die Forschung nutzt bundesweit immer weniger Versuchstiere – so auch Thüringen. Kritiker verweisen auf grundsätzliche Alternativen. An denen wird auch in Jena geforscht – geht es ganz ohne Tiere?

Tierversuche sind umstritten – und das nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch unter den Forschenden. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche fordert die vollständige Abschaffung dieser Praxis. In der Kritik steht dabei auch die Tötung sogenannter „überzähliger Tiere“, die zu Versuchszwecken gezüchtet, aber letztlich nicht verwendet worden sind. 

In Thüringen hat sich ihre Zahl im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 41 Prozent auf 6.498 reduziert. Das geht aus Zahlen des Bundesinstituts für Risikobewertung hervor. Zahlen für das Jahr 2024 liegen noch nicht vor. Der Rückgang fällt in Thüringen auch deutlicher aus als im Bundesvergleich: In ganz Deutschland wurden 2023 fast 1,4 Millionen Versuchstiere ohne Verwendung getötet – 22 Prozent weniger als im Jahr 2022. 

Als Verantwortlicher für den Tierschutz an Uniklinikum und Friedrich-Schiller-Universität in Jena wünscht sich auch Karl-Gunther Glowalla den Einsatz so weniger Versuchstiere wie möglich. 8.728 der insgesamt 35.947 in Thüringen eingesetzten Versuchstiere wurden in den beiden Forschungseinrichtungen verwendet. Den davon mit Abstand größten Anteil von rund 77 Prozent mache die Maus aus – in Jena wie auch im Freistaat insgesamt. Aber auch Schafe, Schweine und Ratten kommen in Projekten des Uniklinikums Jena zum Einsatz. 

„Mini-Organe“ und Rechenmodelle als Alternative zum Tierversuch

Eine immer präzisere Zuchtplanung und auch die Vermittlung nicht verwendeter Tiere an andere Einrichtungen seien zwei Instrumente, um weniger überzählige Tiere zu töten, sagt der Veterinärmediziner. „Das geht natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, also wir werden es leider nie vermeiden können“, so Glowalla. Sind etwa bestimmte genetische Eigenschaften für Versuche gefragt, seien schlicht nicht alle gezüchteten Labortiere zur Verwendung geeignet. 

Längst gebe es Methoden, um Forschungsfragen auch ohne Tierversuche beantworten zu können, kritisiert der Verein Ärzte gegen Tierversuche. Auch in Jena werde am Universitätsklinikum dazu geforscht, erklärt Sprecherin Ute von der Gönna. In vom Land geförderten Projekten werde unter anderem ein dreidimensionales Hautmodell zur Nachbildung von schwarzem Hautkrebs für die Tumortherapie getestet. Aber: „In den meisten Fällen wird es nicht möglich sein, den Tierversuch komplett zu ersetzen, indem ich ein Organ untersuche, weil ich in vielen Fragestellungen den kompletten Organismus benötige“, so von der Gönna.

Bundesweit zuletzt über zwei Millionen Versuchstiere

Bundesweit sind im aktuellen Erhebungszeitraum 2023 rund 2,13 Millionen Versuchstiere eingesetzt worden. Nach wie vor sind Tierversuche in einigen Bereichen verpflichtend vorgeschrieben – beispielsweise bei der Entwicklung neuer Medikamente. So wurden etwa die Sicherheit und Wirksamkeit der ersten mRNA-Impfstoffe in Europa gegen das Coronavirus an Tieren überprüft.