Interview mit Wolfram Weimer: Bald-Staatsminister wehrt sich gegen Vorwürfe: „Ich bin kein Kulturkämpfer“

Er ist die wohl umstrittenste Personalie des neuen Kabinetts: Wolfram Weimer. Im stern spricht der designierte Kulturstaatsminister über die Kritik – und seine Pläne im Amt.
Herr Weimer, in der Kunst- und Kulturszene hat Ihre Nominierung zum Kulturstaatsminister teilweise Empörung ausgelöst. Sind Sie ein rechtskonservativer Kulturkämpfer?
Ganz und gar nicht. Ich bin Kulturverfechter, nicht Kulturkämpfer. Gegen die AfD und die üblen Umtriebe des Rechtspopulismus schreibe ich seit Jahren an. Die liberale bürgerliche Mitte ist mein Gehäuse. Nationalismus ist mir fremd, ich bin vielmehr ein leidenschaftlicher Europäer. Ich setzte seit jeher auf den freien Ideenwettbewerb und die offene Debatte. Das von mir gegründete „Cicero“-Magazin war ein Hort des liberalen Meinungsaustauschs, so wie es „European“ ist oder auch die vielen Foren, die ich geführt habe. Ich habe zuweilen klare Meinungen, aber ich schätze auch die anderer.
Die Kritik gründet sich unter anderem auf ein von Ihnen verfasstes „konservatives Manifest“ von 2018. Darin sorgen sie sich um die „Fortdauer des eigenen Blutes“ und die „biologische Selbstaufgabe“ Europas. Klingt schon radikal.
Dieses Zitat ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich beschreibe einen historischen Umstand, dass man früher in solchen Kategorien gedacht hat, aber gerade als Gegenentwurf zu unserem Denken. Ich will keine Sippen- oder Stammesordnung zurück oder gar den Kolonialismus – die schiere Vorstellung ist absurd.
Irgendwoher muss der Ärger ja kommen. Wie erklären Sie ihn sich denn dann?
Weil es im politischen Lagerdenken natürlich immer eine Seite gibt, die die andere skeptisch beäugt und ihr misstraut. Gegenüber diesem Lagerdenken war ich immer schon skeptisch. Gerade der breite Raum der bürgerlichen Mitte, egal ob wir nun die Welt aus eher roter, gelber, grüner oder politisch schwarz-türkiser Perspektive sehen, sollte miteinander im offenen Diskurs bleiben, sich zuhören, respektieren und politische Kompromisse finden. Wir sollten verliebt sein ins Gelingen, nicht ins Besserwissen. Wenn wir in der Mitte das diskursiv nicht mehr hinbekommen, dann werden uns die Populisten von rechts und links ganz anders bedrängen. Ich halte es für eine der zentralen Aufgaben der neuen Regierung, durch eine konstruktive, sachorientierte Politik der mittigen Lösungen, auch über einen kulturellen Modus des demokratischen Zusammenhalts die AfD zurückzudrängen.
Mit ihrer Personalie verbinden manche eine große Kehrtwende in der Kulturpolitik. Worauf muss sich der Kulturbetrieb da einstellen?
Ich möchte die großartige deutsche Kulturlandschaft vor allem stärken und unterstützen in ihrer wunderbaren Vielfalt. Wer von mir eine Kulturrevolution oder irgendeinen Kulturkampf erwartet, den muss ich enttäuschen. Als Verfechter unserer Kultur und seiner Ideale glaube ich an ihre originäre Kraft, an die Weite von Bildung, an die Freiheit im Denken, an die Tiefe der Sehnsucht, an die Magie der Ästhetik und die Schönheit des Zweifelns, also an die Kunst an sich.
Die „Bild“ fragt heute schon, ob Sie die Nationalhymne ändern wollen. Ist da was dran?
Völlig absurder Gedanke. Das Gerücht basiert auf einem meiner Artikel zu Hoffmann von Fallersleben, in dem ich darauf hingewiesen habe, dass er ein Antisemit, Demokratieverächter, Nationalist und Frankreich-Hasser war.
Apropos Antisemitismus. Wird dessen Bekämpfung ein wichtiger Teil Ihrer erinnerungspolitischen Ausgabe? Die Vereinigung der Europäischen Rabbiner hat Ihre Nominierung ausdrücklich begrüßt, weil Sie angeblich „eine klare Haltung in der Bekämpfung von Antisemitismus und Israelhassern“ haben. Ist das so?
Ja, der zunehmende Antisemitismus in Deutschland schmerzt. Wir sollten uns ihm in jeder Facette entgegenstellen. Über das positive Echo der jüdischen Community zu meiner Nominierung und insbesondere vom Karlspreisträger 2024 und Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt habe ich mich sehr gefreut.
Übernehmen Sie Mitarbeiter von Claudia Roth oder tauschen Sie den Apparat komplett aus?
Das BKM ist ein Haus mit vielen großartigen Mitarbeitern, die sich mit Enthusiasmus und Herzblut den Themen erfolgreich widmen. Auf die werde ich vor allem setzen und freue mich auf die Zusammenarbeit.