Regierungsbildung: Union und SPD stellen letzte Weichen für Regierungswechsel

Die neuen Koalitionäre stehen in den Startlöchern, ein paar Dinge sind aber noch zu klären. Es fehlen noch vier Unterschriften, sechs Ministerinnen und Minister und eine pannenfreie Wahl im Bundestag.
Einen Tag vor der Kanzlerwahl im Bundestag treffen CDU, CSU und SPD heute letzte Vorbereitungen für den Regierungswechsel. Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags wollen die vier Vorsitzenden der drei Parteien am Mittag das fünfte schwarz-rote Bündnis in der Geschichte der Bundesrepublik besiegeln.
Unmittelbar davor stellt die SPD auf den letzten Drücker ihre Ministerinnen und Minister für die neue Regierung vor. Am Nachmittag klärt auch die Union noch zwei Personalien in der Bundestagsfraktion. Und nach Sonnenuntergang nimmt einer Abschied von der Macht, der künftig keine größere Rolle mehr in der deutschen Politik spielen wird.
Die SPD und ihre Männer aus Niedersachsen
Die Union hat ihr Personaltableau schon vor einer Woche präsentiert, die SPD tut sich damit deutlich schwerer. Bisher hat sie offiziell nur bekanntgegeben, dass Parteichef Lars Klingbeil Vizekanzler und Finanzminister werden soll und damit der zweitmächtigste Mann in der Regierung neben dem designierten Kanzler Friedrich Merz von der CDU. Gesetzt ist außerdem Verteidigungsminister Boris Pistorius, der als konstant beliebtester Politiker in den Umfragen sicher bleiben darf.
Da beide aus Niedersachsen sind und Regionalproporz eine große Rolle bei jeder Regierungsbildung spielt, geht ein Landsmann von ihnen leer aus: Arbeitsminister Hubertus Heil. Er hat am Sonntag auch im Ringen um den Fraktionsvorsitz das Handtuch geworfen. Den soll nun ein vierter Niedersachse bekommen, der gegenüber Heil aber den Vorteil hat, anders als die gesetzten Minister Klingbeil und Pistorius dem linken Parteiflügel anzugehören. Auch das spielt für das innerparteiliche Gleichgewicht eine große Rolle.
Vier SPD-Frauen sollen ins Kabinett
Vier Frauen und drei Männer will die SPD ins Kabinett schicken. Der einzige Mann neben Klingbeil und Pistorius dürfte der bisherige Ost-Beauftragte Carsten Schneider aus Thüringen werden, der für Umwelt gehandelt wird. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gilt als ziemlich sichere Nachfolgerin von Heil im Arbeitsministerium.
Für das Justizressort wurde zuletzt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig genannt. „Politico“ meldete am Abend, die Entscheidung für sie sei gefallen. Auch die stellvertretende Fraktionschefin Verena Hubertz wird seit langem für einen Top-Posten gehandelt – entweder Bauministerin oder SPD-Generalsekretärin.
Die spannendste Frage beim SPD-Tableau wird aber sein: Was wird aus der viel kritisierten Parteichefin Saskia Esken? Wechselt sie aus dem Willy-Brandt-Haus ins Kabinett? Vielleicht als Entwicklungsministerin? Oder bleibt sie draußen? Letzteres meldet „Politico“ und nennt die bisherige Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan für das Entwicklungsressort. Dann bliebe noch die Frage, ob Esken um den Parteivorsitz kämpfen will.
Spahn soll Unionsfraktion führen – CSU wählt Dobrindt-Nachfolger
Bei der CDU/CSU sind größere Personalquerelen bisher ausgebliebenen. Am Nachmittag (16.00 Uhr) wollen die Bundestagsabgeordneten der Union den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Nachfolger von Merz zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen.
Der 44-jährige Spahn ist seit mehr als 20 Jahren im Bundestag. Als Gesundheitsminister geriet der machtbewusste Münsterländer während der Corona-Pandemie etwa wegen der Anschaffung von angeblich überteuerten Schutzmasken in die Kritik.
Die CSU-Abgeordneten im Bundestag wollen zuvor (14.30 Uhr) den bisherigen parlamentarischen Geschäftsführer Alexander Hoffmann zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen. Der 50 Jahre alte Unterfranke soll als Landesgruppenchef auf Alexander Dobrindt folgen, der Innenminister werden soll. Von den insgesamt 208 Unionsabgeordneten im Bundestag gehören 44 der CSU an.
Union und SPD geben sich das Ja-Wort
Mit der feierlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Mittag (12.00 Uhr) geben sich Union und SPD endgültig das Ja-Wort. Früher wurden Bündnisse von CDU, CSU und SPD „große Koalition“ oder GroKo genannt, weil die drei Parteien eine besonders große Mehrheit im Bundestag hatten. Bei der ersten solchen Koalition 1966 bis 1969 stellten sie 90 Prozent der Abgeordneten. Heute sind es nur noch 52 Prozent.
Merz hat das neue Bündnis nun „Arbeitskoalition“ getauft. Am Dienstag muss sie ihre erste Bewährungsprobe bestehen. Der CDU-Chef benötigt in geheimer Wahl die Zustimmung der Mehrheit aller Abgeordneten, um Kanzler zu werden. Das sind 316 Stimmen. Dem Bundestag gehören 328 Politiker von Union und SPD an. Trotz des dünnen Polsters gilt die Wahl Merz‘ im ersten Wahlgang als ziemlich sicher und die neue Regierung kann auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition an die Arbeit gehen.
Scholz wird mit Bach, Beatles und „Respect“ verabschiedet
Mit der Überreichung der Ernennungsurkunde an Merz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier endet nach 1245 Tagen die Kanzlerschaft von Olaf Scholz. Am Vorabend würdigt die Bundeswehr den SPD-Politiker vor dem Verteidigungsministerium mit einem großen Zapfenstreich.
Der „Spiegel“ hatte bereits am Donnerstag berichtet, dass Scholz sich vom Stabsmusikkorps für die Zeremonie „In My Life“ von den Beatles gewünscht hat. Die Pilzköpfe haben in seiner Heimatstadt Hamburg den Grundstein für ihre Karriere gelegt. Außerdem wird für den hauptsächlich in Brandenburgs Hauptstadt Potsdam lebenden Scholz ein Auszug aus dem „2. Brandenburgischen Konzert“ von Johann Sebastian Bach gespielt.
Den Abschluss bildet der Song „Respect“, der in der Version von Aretha Franklin ein Welthit wurde. Respekt war das zentrale Schlagwort von Scholz‘ erfolgreichem Bundestagswahlkampf 2021. Dem Bundestag wird Scholz auch nach seinem Ausscheiden als Kanzler angehören. Er hat ein Direktmandat in Potsdam gewonnen und will es bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.