Unglück in Turin 1949: Flugzeugabsturz von Superga: Als Italiens beste Fußballmannschaft den Tod fand

Der 4. Mai 1949 gehört zum dunkelsten Kapitel in der Geschichte des italienischen Fußballs. An jenem Tag stürzte ein Flugzeug mit den Spielern des AC Turin ab. Keiner überlebte.
Es ist 9.40 Uhr, als die dreimotorige Maschine Fiat G 212 der Avio Linee Italiane an jenem Mittwoch am Flughafen in Lissabon startet. An Bord befindet sich neben der vierköpfigen Besatzung, den beiden Trainern Egri Erbstein und Leslie Lievesley, zwei Managern, dem Masseur, dem technischen Direktor, einem Dolmetscher und drei Sportjournalisten fast die komplette Mannschaft des AC Turin, auch „Grande Turino“ genannt. Nur drei Spieler sind nicht an Bord, da sie entweder krank oder verletzt sind. Ein Umstand, der ihnen das Leben rettet.
Am Tag zuvor hatte die bis dahin beste Vereinsmannschaft Italiens ein Freundschaftsspiel bei Benfica im portugiesischen Lissabon bestritten, weil der AC bereits zu diesem Zeitpunkt als Meister in Italien feststand – zum fünften Mal in Folge. Der Verein hatte in den vergangenen sechs Jahren kein einziges Heimspiel im Stadion „Filadelfia“ verloren und innerhalb von fünf Jahren gerade einmal acht Unentschieden hinnehmen müssen. Die Saison 1947/48 ist die beste in der Vereinsgeschichte und eine der besten jemals im italienischen Fußball.
Die Mannschaft um den englischen Trainer Leslie Lievesley stellt Rekorde auf: 65 Punkte in 40 Spielen, 16 Punkte Vorsprung auf die Verfolger, ein 10:0 gegen Alessandria, 29 Siege, 21 Spiele ungeschlagen, 39 von 40 möglichen Heim-Punkten, 125 Tore erzielt und nur 33 Gegentore kassiert. Der Verein ist so stark, dass er 1947 bei einem Länderspiel der italienischen Nationalmannschaft gegen Ungarn alle zehn Feldspieler stellt.
Um 13 Uhr landet das Flugzeug für einen Zwischenstopp in Barcelona. Hier wird die Maschine aufgetankt, während der AC Turin sich mit Kollegen vom AC Mailand zum Lunch trifft, die gerade auf dem Weg nach Madrid sind. Es ist 14.50 Uhr, als der Flieger wieder abhebt. Ziel ist der Flugplatz Turin-Aeritalia in der norditalienischen Region Piemont – rund sechs Kilometer vom Turiner Zentrum entfernt.
Flugzeug kracht in die Superga
Dort herrscht furchtbares Wetter. Dunkle Regenwolken und dichter Nebel hängen über der Stadt. Sichtweite etwa 40 Meter. Es regnet in Strömen, und ein Südwestwind mit starken Böen weht. Der Funker an Bord bittet den Kollegen im Flughafen um Orientierung. Moderne Navigationsunterstützung in Form eines Radars gibt es damals nicht im Cockpit. Die Piloten fliegen auf Sicht und mit Hilfe am Boden installierter Funkfeuer, die Signale aussenden. Um 16.59 Uhr meldet die Besatzung, dass sie sich in 2000 Metern Höhe befinden.
Um 17.02 Uhr gibt der Tower den Wetterbericht durch: „Dichte Bewölkung, Regenschauer, schlechte Sicht, Wolkenuntergrenze bei 500 Meter“. Um 17.03 Uhr kommt die Antwort: „Verstanden, alles klar, vielen Dank.“ Es ist der letzte Funkspruch aus dem Cockpit.
Kurz darauf kracht das Flugzeug in die Stützmauer eines Erdwalls auf der Rückseite der Basilica della Natività di Maria Vergine, besser bekannt als Superga – einer bedeutenden Wallfahrtskirche, die in 669 Metern Höhe auf der Spitze eines Hügels steht. Der Pilot muss sie bei einer Geschwindigkeit von 180 Kilometer pro Stunde und einer Sichtweite von 40 Meter erst kurz vor dem Aufprall gesehen haben. Zu spät, um zu reagieren. Die Maschine zerschellt, alle 31 Insassen sterben.
Das letzte Mannschaftsfoto des AC Turin zeigt die Spieler vor Beginn ihres letzten Spiels in Lissabon
© UPI
Wie spätere Untersuchungen zeigen, gibt das Wrack keinerlei Hinweise auf einen Durchstartversuch. Auch das Leitwerk ist teilweise noch intakt. Da es fast unmöglich scheint, dass die Maschine in so kurzer Zeit – trotz der Sichtverhältnisse, die eigentlich zur Vorsicht hätten mahnen müssen – um fast 1300 Meter abgesunken ist, entsteht der Verdacht, dass der Höhenmesser blockiert war. Der Pilot glaubte sich offenbar immer noch in großer Höhe und zudem viel weiter südlich, während er die Maschine im Sinkflug auf den Hügel zusteuerte.
Kaputter Höhenmesser oder Seitenwinde ursächlich für Absturz
Auf der der Mannschaft gewidmeten Internetseite heißt es dazu: „Es gibt jemanden, der behauptet, das Cockpit gefunden und das Zifferblatt des Höhenmessers gesehen zu haben. Laut dieser noch unbestätigten Aussage zeigte der Zeiger unbeweglich eine Höhe von 2000 Metern an“. Und weiter: „Wenn das stimmen sollte, wäre die Hauptursache der Katastrophe gefunden.“
Eine andere Theorie besagt, dass das Flugzeug aufgrund der starken Seitenwinde abdriftete und so von der Sinkflugachse abkam und sich auf Höhe des Hügels von Superga statt auf die Landebahn des Flughafens Aeritalia ausrichtete.
Nach der Katastrophe ist die Trauer und Anteilnahme groß. Die Särge der Spieler werden in der Grabkapelle im prunkvollsten Raum des Palazzo Madama aufgebahrt. Am 6. Mai versammeln sich vor dem Gebäude rund 500.000 Menschen, um der Mannschaft die letzte Ehre zu erweisen. Vorsichtig tragen Kameraden, Freunde und Kollegen die Särge der Spieler. Hinter jedem folgen die weinenden Angehörigen. Der Trauerzug scheint kein Ende zu nehmen. Die Menschen auf den Straßen schluchzen, viele sinken auf die Knie. Die Prozession endet schließlich am Dom von Turin, wo der offizielle Trauergottesdienst stattfindet. Millionen Italiener verfolgen die Übertragung der Zeremonie im Radio.
Noch am selben Tag erklärt Italiens Fußballverband den AC Turin 1949 zum Meister – vier Spieltage vor Abschluss der Saison. Vor der Trauerfeier hatte Verbandspräsident Ottorino Barassi auf der Superga mit zitternden Händen den Meisterpokal gen Himmel gehoben. Für die restlichen vier Saisonspiele der Serie A treten für alle Clubs die Nachwuchsmannschaften an.
Am Unfallort erinnert heute eine Gedenkstätte an das Flugzeugunglück
© Luis Boza
An das Unglück erinnert heute eine Gedenktafel an der Absturzstelle. Die Überreste des Flugzeugs, darunter ein Propeller, ein Reifen und verstreute Teile des Rumpfes, aber auch einige Koffer werden im Museo del Grande Torino e della Leggenda Granata aufbewahrt.
Quellen:ilgrandetorino.net, Torino FC, Aviation Safety Network, Palazzo Madama, Italienischer Fußballverband