Mieze Katz: Warum Hildegard Knef ein Vorbild für sie ist

Mieze Katz verrät im Interview Details zu ihrem Solo-Debütalbum und blickt auf die Zeit bei „Sing meinen Song“ zurück.

MiA.-Sängerin Mieze Katz (46) veröffentlicht an diesem Freitag ihr Solo-Debütalbum. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät die Musikerin, warum sie für das Duett-Album Lieder mit Frauen und FLINTA-Personen aufgenommen hat und wie die Idee zum Song mit Hildegard Knef (1925-2002) entstanden ist. Zudem erzählt sie, warum ihre „Sing meinen Song“-Teilnahme zu einer „fabelhaften Reise“ für sie wurde.

Sie veröffentlichen Ihr Debütalbum. Inwiefern unterscheiden Sie sich als Solokünstlerin von der MiA.-Frontsängerin?

Mieze Katz: Der Unterschied zwischen mir als Solokünstlerin und mir als Sängerin von MiA. ist, dass die musikalischen Entscheidungen bei MiA. natürlich gemeinsam getroffen werden. Als Solokünstlerin treffe ich hingegen sämtliche künstlerischen Entscheidungen selbst. Ich habe gesagt: „Jetzt ist das Lied fertig“, und dann war es eben fertig, weil ich es so gut fand. Bei MiA. kann es dagegen passieren, dass ich sage: „Hey, das Lied ist doch super, das ist doch fertig“, und einer der Jungs antwortet: „Ach nein, ich mach da noch mal was, ich hör da noch mal rein.“

Das Album heißt wie der Titelsong „dafür oder dagegen“. Warum wurde es dieser Titel?

Mieze Katz: Es ist eines meiner absoluten Lieblingslieder auf dem Album. Es ist ein Lied über den Austausch, ein Vorschlag, den man auch ablehnen kann – aber gerade in der Zeit, in der wir jetzt leben, ist Austausch das, was ich am allermeisten brauche.

Im Song heißt es: „Für ein’n kurzen Augenblick wär ich gern die Welt los wär ich gern grundlos glücklich mit dir“. Wie schwer fällt es Ihnen selbst, den Pause-Knopf zu drücken und die Weltprobleme auch mal auszublenden?

Mieze Katz: Super Frage! Ich glaube auch, dass es eine ist, mit der es sich wirklich lohnt, sich zu beschäftigen. Bei mir ist es extrem unterschiedlich: Mal sauge ich alles auf, was so an Informationen in der Luft liegt, und mal brauche ich ganz dringend Abgrenzung. Dann sammle ich Kraft im Kleinen – mit meiner Familie und meinem Freundeskreis.

Das Album steht im Zeichen von Female Empowerment. Warum war Ihnen das wichtig und was gehört für Sie zu dem Begriff dazu?

Mieze Katz: Seit 28 Jahren bin ich Teil von MiA. – einer Band, die in einer klassischen Männer-Frauen-Konstellation besteht: drei Männer, eine Frau. Meine Bandkollegen sind wie eine Familie für mich. Und dennoch ist die Musikbranche – ob auf oder hinter der Bühne, bei Veranstaltungen, in Plattenfirmen oder auf Festivals – nach wie vor stark männlich geprägt. In mir wuchs der Wunsch nach einer bewussten Gegenbewegung. Ich schätze die vielen inspirierenden Frauen und FLINTA-Künstler:innen in unserer Musikszene sehr – ihre Perspektiven, ihre Geschichten, ihre Kunst. Mich interessiert, was sie bewegt – im Leben wie in der Kreativität. Für mein Projekt „dafür oder dagegen“ gehört es für mich dazu, mich künstlerisch zu öffnen und mein Gegenüber wirklich einzuladen, eigene Gesangsmelodien, Texte und Gedanken mitzubringen – ohne dass ich das werte oder korrigiere. Ich öffne meine Welt für die Welt meines Gegenübers.

Ein ungewöhnliches Duett ist „Bei Dir Sein“. Hildegard Knefs Original stammt aus dem Jahr 1967. Warum haben Sie sich für den Song entschieden und wie haben Sie mit ihm gearbeitet?

Mieze Katz: Die Idee zum Duett mit Hildegard Knef hatten tatsächlich MiA.-Gitarrist Andy Penn und ich – im Zug nach Leipzig. Ich weiß heute nicht mehr genau, was wir gemacht haben, aber auf jeden Fall haben wir auf der Zugfahrt über das Duett-Album gesprochen und darüber, mit wem ich alles singen könnte. Andy weiß, dass ich Hildegard Knef als Person und Künstlerin super spannend finde. Er meinte: „Das musst du eigentlich machen.“ Ich sagte: „Ja, aber wie?“ Und dann war Andy plötzlich im Entdeckergeist-Modus.

Er hat sich durch das gesamte Knef-Portfolio gehört und abgeklopft, was seiner Meinung nach gut passen könnte. Wie ein verrückter Professor hat er gesagt: „Ich hole das musikalisch in die Jetztzeit.“ Und das hat er wirklich gemacht. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür. Ich habe gesehen, wie viel Spaß ihm das gemacht hat. Ich liebe das Lied „bei dir sein“. Ich hatte dabei nicht nur Unterstützung von Andy, sondern auch von unserem Schlagzeuger Gunnar Spies, der den Text dazu geschrieben hat – ein Text, der dieses Lied für mich so bedeutsam macht.

Es ist ein liebevoller Abschiedsbrief an seine Mutter. Wir beide haben unsere Mütter in relativ kurzem Abstand verloren. Mit diesem Lied konnten wir uns auf die liebevollste Art und Weise verabschieden – und irgendwie steht Hildegard Knef dabei Pate. Ich bin sehr dankbar, dass sich das so ergeben hat.

Warum beschäftigen Sie sich gerne mit den Werken von Hildegard Knef und wieso passt sie auf Ihr Album?

Mieze Katz: Ich habe Hildegard Knef über ihre Autobiografie „Der geschenkte Gaul“ entdeckt. Es gibt auch eine ganz tolle Lesung von ihr – ihre Stimme ging mir damals nicht mehr aus dem Kopf. Auch ihre Art zu schreiben hat mich sehr berührt. Sie sagte selbst einmal, dass sie sich in der Literatur am freiesten fühlte – denn die Lieder wurden zum Teil von anderen geschrieben, die Filme sowieso. Aber in der Literatur schrieb sie selbst – und bestimmte. Diese Freiheit habe ich sehr gespürt.

Ich finde, Hildegard Knef war zu ihrer Zeit – und ist es bis heute – ein Vorbild, wenn es darum geht, der eigenen Kreativität Raum zu geben. Ich habe es ja schon gesagt: Sie hat geschrieben, gesungen und geschauspielert. Und auch heute ist es oft noch so, dass man schief angeschaut wird, wenn eine Schauspielerin plötzlich auch singen will. Knef hat diese Freiheit damals schon gelebt. Ich würde sagen: Mit ihrer Freiheitsliebe, ihrem Freigeist und ihrer beeindruckenden Biografie bin ich sehr dankbar, dass dieses Duett zustande gekommen ist. Sie wäre in diesem Jahr hundert geworden – und „bei dir sein“ ist mein Geschenk an sie.

Für das Album haben Sie mit einem Produktionsteam nur mit FLINTA-Personen gearbeitet. Was würden Sie sich in der Branche für FLINTA-Personen wünschen?

Mieze Katz: Ich wünsche mir für FLINTA-Personen, dass sie sich sicher fühlen können, dass sie sich entfalten können. Ich wünsche mir für sie die gleichen Rechte wie für alle anderen Menschen – dass sie sich sicher entwickeln und ausdrücken können, ob kreativ oder auf andere Weise. Und ganz ehrlich wünsche ich mir auch eine integrative Sprache: Lasst uns die Sprache so vielfältig gestalten wie unsere Gesellschaft.

War es für Sie schon immer wichtig, sich in der Musik auch politisch/gesellschaftlich zu positionieren oder hat sich das erst entwickelt?

Mieze Katz: Mit MiA. engagieren wir uns schon lange für die unterschiedlichsten Organisationen – und prüfen sehr genau, wo wir aktiv werden. Und wir haben auch für uns beschlossen, wir wären auch ohne die Band aktiv, wie z. B. bei Greenpeace oder bei „Schule ohne Rassismus“ – Themen, die uns als Menschen beschäftigen, unabhängig davon, ob wir Künstler:innen sind oder nicht. Und wer möchte, kann das auch bei „dafür oder dagegen“ raushören. Noch wichtiger ist bei meinem aktuellen Album, dass Menschen in den Austausch kommen, ins Gespräch, in den Diskurs.

Sie sind derzeit bei „Sing meinen Song“ zu sehen. Wie war die Reise für Sie und was waren die schönsten Momente?

Mieze Katz: Meine „Sing meinen Song“-Reise war fabelhaft – es hat bereits in der Vorbereitung so viel Spaß gemacht. Raus aus der Box, raus aus der Komfortzone, verschiedene Stile ausprobieren und an diesen Herausforderungen wachsen, die wir uns selbst gestellt haben. Es war eine tolle, spielerische, kreative Umgebung. Wir haben uns gegenseitig extrem unterstützt und wertschätzend begleitet. Dabei sind Freundschaften fürs Leben entstanden und wirklich fabelhafte Musik. Mein Herz geht auf, wenn ich daran zurückdenke.

Ihre Folge steht am 13. Mai an. Was und wer hat Sie in Ihrer Ausgabe am meisten überrascht?

Mieze Katz: Ohne zu viel zu verraten: Ich fand vor allem die Geschichten meiner Kolleg:innen hinter den Songs und der Songentstehung wirklich sehr besonders und werde sie jede einzelne in meinem Herzen tragen. Ich fand die Interpretation, die Boki (ClockClock) mitgebracht hat, super und überraschend. Auch Finchs Version war großartig. Was Aki Bosse über seine Version erzählt hat, hat mich sehr berührt. Madelines Version hat mich energetisch so umgehauen. Und – krass, sorry – aber Michael Patrick Kelly singt einen MiA.-Song! So gut! Also bitte: einfach anschauen, mitfeiern, mit freuen – es gibt viel Glitzer und auch viel Grund zu feiern. Wirklich eine super, super tolle Folge.