Verfassungsschutz-Debatte: Innenministerin unter Druck: SPD setzt auf Aufklärungsarbeit

Brandenburgs SPD-Innenministerin steht nach der Entlassung des Verfassungsschutzchefs in der Kritik. In den eigenen Reihen gibt es Beratungsbedarf. Die Grünen starten eine Internet-Kampagne.

Die Entlassung des brandenburgischen Verfassungsschutzchefs und Kritik an Innenministerin Katrin Lange (SPD) sorgen auch in ihrer eigenen Fraktion für Klärungsbedarf. „Ich hoffe, dass die nächsten Tage von viel Aufklärungsarbeit und Transparenz geprägt sind und sich die politische Diskussion dann wieder etwas beruhigt“, sagte SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann der Deutschen Presse-Agentur. 

Die Grünen in Brandenburg forderten den Rücktritt der Innenministerin und starteten eine Online-Kampagne gegen sie. „Katrin Lange hat (…) dem Kampf gegen die AfD einen Bärendienst erwiesen“, kritisierte die nicht mehr im Landesparlament vertretene Partei. Auch die CDU-Opposition im Landtag hält die Begründung Langes für die Entlassung des Verfassungsschutzchefs für wenig glaubwürdig. 

Unruhe auch in SPD-Fraktion

Die SPD-Fraktion kündigte an, bei ihrer regulären Sitzung am kommenden Dienstag weiter mit Lange darüber zu sprechen. Der Sachverhalt sei von besonderem öffentlichen Interesse, sagte Lüttmann. „Ich vertraue aber der Ministerin, dass sie berechtigte Gründe für die Entlassung des Verfassungsschutzchefs hatte.“

Ministerin begründet Entlassung mit Informationsversäumnis

Die SPD-Ministerin hatte den Leiter der Verfassungsschutz-Abteilung, Jörg Müller, am Dienstag entlassen, weil sie nach ihren Aussagen erst Wochen später über die bereits erfolgte Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch unterrichtet wurde. „Ich bin sehr unglücklich über diesen Vorgang“, hatte die 53-Jährige am Donnerstag gesagt. Sie hätte umgehend unterrichtet werden müssen. Das Vertrauen zu Müller sei verloren gegangen, begründete sie ihren Schritt. 

Nach mehreren Medienberichten soll Lange frühzeitig informiert worden sein über eine Neubewertung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Auch Verfassungsschützer anderer ostdeutscher Länder sollen davon gewusst haben. Lange sagte, es habe Gespräche mit der Leitung des Verfassungsschutzes gegeben, über die letztlich getroffene Hochstufung sei sie aber zu spät informiert worden. 

Unklarheiten über Entscheidungswege im Ministerium?

Aus Kreisen des Ministeriums hieß es auch, die Ministerin sei immer davon ausgegangen, dass sie das letzte Wort bei der Entscheidung über solch ein wichtiges Beobachtungsobjekt wie das der AfD habe. Eine Dienstanweisung, wonach dies bei der Leitung des Verfassungsschutzes liegt, habe sie nicht gekannt. Auch das Gutachten, das für eine Bewertung der AfD ausschlaggebend ist, habe sie nicht vorliegen gehabt. 

Grünen-Chef Rostock: Lange muss zurücktreten

Der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock kritisierte, Lange habe immensen Schaden angerichtet. „Sie muss zurücktreten oder von Ministerpräsident Woidke entlassen werden.“ Rostock sagte: „Im Wahlkampf inszenierte sich die SPD noch als entschlossene Kraft gegen die AfD – und nun entlässt sie ausgerechnet jemanden, der sich mit voller Überzeugung dem Kampf gegen Rechtsextremismus gewidmet hat.“ 

Lange betont stets, dass sie keine Kritik an der fachlichen Bewertung der AfD durch den Verfassungsschutz habe, sondern es um den Umgang miteinander ging. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke stellt sich hinter seine Innenministerin, die auch seine Stellvertreterin an der Spitze der Landes-SPD ist, und bescheinigt ihr eine gute Arbeit. Er sieht auch keine Gefahr, dass sein Kurs gegen die AfD, wie er ihn etwa im Landtagswahlkampf vorgegeben hat, Schaden nimmt.

Regierung betont klare Haltung gegen Rechtsextremismus

Die Haltung des Ministerpräsidenten und von Innenministerin Lange zu Rechtsextremismus und AfD sei unmissverständlich, sagte Regierungssprecher Florian Engels. „Das zeigen in aller Deutlichkeit auch die aktuellen Reden des Ministerpräsidenten zum 80. Jahrestags des Kriegsendes und der Befreiung der KZ.“

Nachfolge für Verfassungsschutzchef soll im Juli stehen

Die Ministerin will im Juli einen Nachfolger für den entlassenen Verfassungsschutzchef präsentieren. „Es braucht jetzt vor allem eine zügige und kompetente Nachbesetzung der Stelle des Abteilungsleiters Verfassungsschutz, um das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Verfassungsschutzes zu sichern, sagte auch SPD-Fraktionsvorsitzender Lüttmann.