Fried – Blick aus Berlin: Die ersten Tage des Friedrich Merz: Da ist noch Luft nach oben

„Friedrich Merz ist jetzt Kanzler. Daran muss man sich noch gewöhnen. Seine erste Woche im Amt begann später als geplant. Doch dann ging’s bergauf – wenn auch nicht steil.“
Na, haben Sie sich schon daran gewöhnt? In der „Tagesschau“ heißt es plötzlich, „Bundeskanzler Merz“ sei nach irgendwo gereist. Man zuckt schon zusammen, oder? Auch bei den Nachrichtensprechern meine ich gelegentlich eine kurze Pause zwischen Amt und Namen wahrzunehmen. Selbst das Bundespresseamt war so im Trott, dass es nach dem Antrittsbesuch in Warschau eine Mitteilung über die Pressekonferenz von Bundeskanzler Olaf Scholz und Premierminister Donald Tusk verschickte. Ups!
Friedrich Merz ist also Bundeskanzler. Was hat sich in der ersten Woche geändert? Nun, auf den Bildern mit anderen Staats- und Regierungschefs muss man den Deutschen nicht mehr suchen, es ist jetzt der Lulatsch, der den Small Talk mit seinen Kollegen zwangsläufig von oben herab führt. Andererseits hätte der 1,98-Meter-Kanzler sich am Couchtisch in Kiew mit den Knien fast die Ohren zuhalten können. Na ja, zugegeben: Ein paar Zentimeter fehlten noch – ungefähr so viele wie anfangs Stimmen aus der Koalition bei der Kanzlerwahl.
Friedrich Merz Bundeskanzler: Wenn etwas schlecht beginnt, kann es nur besser werden
Wenn etwas schlecht beginnt, sagt man, kann es eigentlich nur besser werden. Merz’ Kanzlerschaft hat am 6. Mai nach dem ersten Wahlgang im Bundestag in der ultimativen Form von „schlecht“ begonnen, nämlich gar nicht. Das stundenlange Durcheinander bis zum zweiten Wahlgang war nicht schön für den CDUler, kam einer Staatskrise aber auch nicht so nahe, wie es manche Kommentatoren und Oppositionspolitiker beschrieben. Ein bisschen geschwächt startete Merz ins Amt, klar, noch nicht einmal Kanzler gewesen und schon in die Geschichte eingegangen. Ein jegliches hat seine Zeit, heißt es in der Bibel, aber vielleicht brauchte sogar der liebe Gott vor einer Kanzlerschaft von Merz noch ein paar Minuten zum Nachdenken.
Es hat also schlecht begonnen, gut, aber ist es danach besser geworden? Merz hatte ein rigoroses Vorgehen gegen illegale Migration angekündigt, vom ersten Tag an wollte er seinen Innenminister anweisen, ein faktisches Einreiseverbot durchzusetzen. Das wird bei Alexander Dobrindt gar nicht nötig gewesen sein, der seit zehn Jahren darauf wartet, die Flüchtlingspolitik zu verschärfen, und, kaum im Amt, ruck, zuck mehr Bundespolizei für strengere Kontrollen an die Grenzen schickte.
Der Aufwand ist immens, die Rechtslage umstritten, die Kommunikation verbesserungswürdig – und der eine oder andere Nachbar vergrätzt. Doch die CSU jubiliert, endlich ist Schluss mit Merkels Flüchtlingspolitik des freundlichen Gesichts, Migranten empfängt jetzt das Antlitz Markus Söders. Und Friedrich Merz würde wohl am liebsten jeden abgewiesenen Asylsuchenden einzeln vermelden, allein schon, weil die verschärfte Migrationspolitik zu den letzten seiner Wahlversprechen gehört, die er überhaupt noch halten kann.
Am erfreulichsten gestaltete sich für Merz der Besuch mit drei anderen Chefs in Kiew. Das war ein gutes Signal für die Bereitschaft Europas, der Ukraine weiter zu helfen. Ob die Reise allerdings über Symbolkraft hinauskommt und die Drohung mit neuen Sanktionen Putin wirklich beeindruckt, muss sich zeigen. Am Montag um 24 Uhr lief das Ultimatum an Wladimir Putin ab, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Am Donnerstag bastelte man immer noch an neuen Sanktionen.
Merz‘ erste Regierungserklärung war auch nicht gerade eine Sternstunde des Parlaments. In der Rhetorik so langweilig wie Scholz, im Inhalt so beschreibend wie Merkel – der ehemals pointierte Oppositionsredner Merz sucht als Kanzler noch seinen Stil. Probleme zu definieren ist nicht dasselbe wie sie zu lösen.
Nach etwas mehr als einer Woche ist die Kanzlerschaft von Merz also noch eine große Behauptung: Vieles wird anders, manches besser. Doch Merz hat mit seiner „Ich zieh das durch“-Rhetorik selbst verschuldet, dass man ihn vom ersten Tag an hart an seinen eigenen Ankündigungen misst. Und da lässt sich sagen: Ganz so gut, wie es schlecht angefangen hat, ist es noch nicht.