Extremismus: Rechter Terror: „Die Rückkehr der Baseballschläger-Jahre“

Fünf teils noch Minderjährige sollen eine länderübergreifende rechte Terrorzelle gebildet haben – ein Novum, wie der Leiter des Demokratiezentrums Hessen sagt. Er spannt den Bogen zu den Schulen.

Die Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle aus Jugendlichen und Heranwachsenden zeigt aus Expertensicht, dass die Radikalisierung junger Menschen „eine neue Qualität“ erreicht hat. In den vergangenen Jahren sei zunehmend die Bildung junger, gewaltbereiter Gruppen zu beobachten, die teils auch in Kontakt mit rechtsextremen Kleinparteien stehen oder als deren Ableger entstehen, sagte der Leiter des an der Marburger Philipps-Universität angesiedelten Demokratiezentrums Hessen, Reiner Becker, der Deutschen Presse-Agentur.  

Man spreche auch von einer „Rückkehr der Baseballschläger-Jahre“ – ein Verweis auf die Skinhead-Kultur der 1990er- und beginnenden 2000er-Jahre. So gebe es etwa eine Gruppierung, die der rechtsextremen Kleinpartei Der Dritte Weg nahestehe. „Feindbilder: Migranten, Geflüchtete, die LGBTQ-Community“, sagte Becker. So würden etwa Vorhaben geäußert, Veranstaltungen zum Christopher Street Day zu stören.

„Radikaler Endpunkt“ 

Den Fall der jetzt aufgedeckten mutmaßlichen rechtsextremistischen Terrorvereinigung „Letzte Verteidigungswelle“, an der sich auch ein 14-jähriger Jugendlicher aus Mittelhessen beteiligt haben soll, sei das „Ende der Fahnenstange“ und „radikaler Endpunkt“ – doch lasse sich ein Bogen bis in die Schulen spannen. Lehrkräfte seien mit den „Argumentationslinien“ von Jugendlichen im Klassenzimmer immer häufiger überfordert. Dort finde eine Polarisierung statt und eine Gewöhnung an einen „Rechtsaußendiskurs“, sagte Becker.

Schule ist „Hotspot“ 

Schule sei generell „ein ganz wesentlicher Hotspot“ und werde auch als „gesellschaftspolitischer Mülleimer“ genutzt. In Schulen kämen viele ungelöste Probleme der Gesellschaft an, verbunden mit der Erwartung, dass die Schule sie löse. Das sei eine „enorme Überforderung“ – aber die Schule könne sich auch nicht entziehen. Es brauche eine systematische Stärkung der Schulen möglichst von innen heraus. 

Die Entscheidung, sich Gruppierungen wie „Letzte Verteidigungswelle“ anzuschließen und über mehrere Bundesländer hinweg auch zu Gewalt zu verabreden, dürfte „nicht einfach vom Himmel“ gekommen sein, sagte Becker. Fraglich sei daher, wie die Verdächtigen zu ihren Ideen kämen und wie sie aufgewachsen seien. In der Sozialpsychologie existiere die Theorie, dass Menschen, die den Eindruck hätten, dass in ihrem Umfeld Vorurteile, Ressentiments oder gar Gewaltfantasien geteilt würden, sich „ermutigter“ fühlen, diese auch umzusetzen.

Klima hat sich verändert 

Becker verwies auf eine „absolute Normalisierung“ von Diskursen, „die wir vielleicht vor einigen Jahren noch überhaupt nicht für möglich gehalten haben“. Dies sei auch ein Ergebnis der AfD-Präsenz in allen Parlamenten. „Das Klima hat sich so verändert, dass Jugendliche möglicherweise denken: „So denken doch sehr viele, wie ich, ich bin nur ein bisschen konsequenter und setze das mal in die Tat um, was andere vielleicht nur vor sich her schwadronieren.““