Fluchtzentrum Berlin-Tegel: Verträge sichern Dienstleistern hohe Summen zu – trotz Missständen

In Deutschlands größtem Fluchtzentrum in Berlin herrschen Missstände. Trotzdem erhält ein Dienstleister laut Vertrag 15 Prozent Verwaltungsaufschlag, wie stern und RTL enthüllen.
Deutschlands größte Flüchtlingsunterkunft auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel steht wegen ihrer Zustände schon länger in der Kritik. Nun legen Recherchen von RTL und stern nahe, dass Verträge zum Betrieb und die Arbeitsorganisation Missstände in der Unterkunft begünstigen.
Demnach kostet der Betrieb der Unterkunft das Land Berlin – und somit den Steuerzahler – rund 428 Millionen Euro im Jahr. Eine der rechtlichen Grundlagen ist ein Vertrag zwischen dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und der Messe Berlin. Dieser sieht vor, dass die Messe einen Verwaltungsaufschlag von 15 Prozent auf alle Ausgaben für die Unterkunft bekommen soll. Auszüge des Vertrages liegen dem stern und RTL vor. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das als eine Art Generalbetreiber der Unterkunft fungiert, erhebt einen solchen Aufschlag. Wie hoch der ist, offenbarte das DRK auf Anfrage nicht.
Die Vermutung ist, dass die Betreiber ihre Einnahmen steigern könnten, indem sie möglichst viel Geld ausgeben. Die Zahl der unterbrachten Geflüchteten ist kontinuierlich gesunken, der Einsatz von Betreuungspersonal erscheint dennoch enorm.
Berlin-Tegel: Personaleinsatz trotz stark gesunkener Flüchtlingszahlen hoch
Auffällig in diesem Zusammenhang sind unterschiedliche hohe Summen, die laut den Verträgen gezahlt werden. Zum Beispiel für den Posten Leitung/Steuerung/Management an das DRK. Im Jahr 2022 etwa floss demnach rund eine Million Euro an das DRK – pro Monat wohlgemerkt. Dem stern und RTL liegen die Budgets vor, die in den Verträgen mit dem Land Berlin festgesetzt wurden.
Auch der Personaleinsatz ist trotz stark gesunkener Flüchtlingszahlen weiterhin hoch. Rund 1400 Männer und Frauen verrichteten im Jahr 2023 in der Tegeler Unterkunft täglich Aufgaben. Eine verdeckte Reporterin, die wochenlang – als Helferin getarnt – in der Unterkunft arbeitete, beobachte mehrfach, wie Helfer während der Arbeitszeit Bücher lasen, mit Videospielen beschäftigt waren und dergleichen mehr. Weil sie sonst nichts zu tun hätten, wie sie sagten.
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten gab auf Anfrage zu, mit der Situation in Tegel unzufrieden zu sein. „Es ist richtig, dass die Unterbringung der Geflüchteten nicht der sonstigen Praxis in Unterkünften des LAF entspricht. Auch erachten sowohl der Senat als auch das LAF die laufenden Kosten als zu hoch“, hieß es. Der Senat sei sich bewusst, „dass die Notunterbringung in Tegel ist nicht nur teuer ist, sie auch nicht geeignet, um Menschen ankommen und sich in die Stadt integrieren zu lassen“. Trotzdem sei die Unterkunft erforderlich, um Geflüchtete vor der Obdachlosigkeit zu bewahren.
„Der Personaleinsatz richtet sich flexibel nach Belegung, Schichtzeit und den geltenden Sicherheitsvorgaben“, vor allem mit Blick auf Evakuierungs- und Notpläne, antwortete der Arbeiter-Samariter-Bund auf Anfrage.
Flüchtlingsunterkunft Berlin-Tegel soll noch Jahre bestehen
Und die hohen Budgets, jene rund eine Million Euro monatlich, die auch für die „Leitung“ in Tegel budgetiert waren?
Das Rote Kreuz wies mögliche Profitinteressen zurück. „Das DRK Sozialwerk handelt im Auftrag des Landes Berlin und rechnet die tatsächlich erbrachten Leistungen ab.“ Überschüsse verblieben nicht bei ihm. Sie würden verrechnet oder zurückgezahlt. Das DRK verwies auch an das Landesamt.
Dieses schrieb auf Anfrage, dass „auch externe Dienstleistungen kurzfristig einzusetzen waren“. Es wies zudem auf die hohen Zahlen Geflüchteter hin.
Die Flüchtlingsunterkunft soll nach aktuellen Plänen des Senats mindestens weitere fünf Jahre bestehen bleiben und als Ankunftszentrum für alle in Berlin ankommenden Asylbewerber dienen.