Im Bann der Jellycats: Warum sich gerade immer mehr Erwachsene Plüschfiguren kaufen

Avocados, Tannenzapfen und gekochte Eier zum Kuscheln? Sogenannte Jellycats erleben derzeit einen Hype, der über Kinderzimmer hinausreicht.
48 Euro für zwei kleine, Händchen haltende Plüscholiven? Was sich nach einem horrenden Preis für eine Kuschelfigur anhört, zahlen viele junge Erwachsene nur allzu gerne. Schließlich handelt es sich dabei um sogenannte Jellycats. Und die erleben derzeit einen weltweiten Hype.
Hinter den Jellycats steckt das gleichnamige Unternehmen aus Großbritannien mit Sitz in London. Seit 1999 vertreibt Jellycat Kuschelfiguren, die über den klassischen Teddybären hinausgehen. Sie verkörpern neben typischen Tieren auch alltägliche Dinge und Gegenstände – wie eine schüchtern lächelnde Avocado, eine traurig dreinblickende Gewitterwolke oder ein Rosenbouquet mit Armen.
Jellycats werden von Verkäufern „zubereitet“
Obwohl es die Plüschfiguren bereits seit über 25 Jahren gibt, sind sie aktuell so begehrt wie nie. Allein im Jahr 2023 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von etwa 200 Millionen Pfund (umgerechnet rund 238 Millionen Euro) und übertraf damit das Vorjahr um 37 Prozent. Befeuert wird der Hype durch Tiktok und andere soziale Medien, wo die neuesten Jellycat-Errungenschaften geteilt und millionenfach gelikt werden. Jellycat Patisserie
Besonders beliebt sind Videos aus den Pop-up-Geschäften, von denen es nur eine Handvoll weltweit gibt. Dort werden Jellycats nicht einfach nur verkauft, sondern auch spielerisch zubereitet. Im Store in New York, der an ein amerikanisches Diner erinnert, stehen die Mitarbeiter hinter der Theke, schwenken enthusiastisch Bagel und Pancakes in Pfannen und rühren nach und nach imaginäre Zutaten hinzu. In Paris werden gemeinsam mit den Kunden vermeintliche Macarons gebacken und Törtchen dekoriert.
„Diese spielerische Rahmung, also dass in den Geschäften die Plüschfiguren quasi zubereitet werden, die Käufer auch mitmachen dürfen und sie ihnen in nachempfundene Essensverpackungen eingepackt werden, finde ich großartig“, sagt Volker Mehringer. Er ist Spielzeugforscher an der Universität Augsburg und befasst sich mit Trends aus der Spielwarenbranche.
„Kidults“ als Zielgruppe für Spielwaren
Bei den Jellycat-Pop-ups gehe es um mehr als das reine Spielzeug. „Man kauft auch noch ein gewisses Erlebnis mit dazu – Erlebniskonsum sozusagen“, erklärt Mehringer. Dass mit den Plüsch-Pancakes neben der gespielten Kaufsituation auch tatsächlich wirklich gespielt wird, bezweifelt der Spielzeugexperte. „Jellycats haben etwas von einem Accessoire. Man muss fast darüber diskutieren, ob es ein Spielzeug ist oder nicht.“ Jellycats Sammlung
Die niedliche Optik der Jellycats, die sich mehr an Erwachsene als an Kinder richte, sei einer der Gründe für ihren großen Erfolg, sagt Mehringer. „Süße Spielzeuge bestechen oft dadurch, dass sie einen großen Aufforderungscharakter haben. Man kann sie sich auch zu Hause in ein Regal stellen oder als Schlüsselanhänger mit sich herumtragen. Das ist etwas, was gut ankommt.“
Und das vor allem bei „Kidults“ – eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „Kid“ und „Adult“. Die Freizeit- und Spielwarenindustrie hat die erwachsenen Kindsköpfe als vielversprechende Zielgruppe entdeckt. 2022 wurde der europäische Markt für Erwachsenenspielzeuge bereits auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. In Deutschland ist der Handel mit Spielwaren für Erwachsene und ältere Kinder seit 2019 im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Im Gegensatz dazu stagniert der Verkauf von Spielzeug für jüngere Kinder seit 2019. Die gesunkene Nachfrage soll nun durch ältere Generationen gedeckt werden.
Kulinarische Plüschfiguren als Alleinstellungsmerkmal
Die „Kidults“ werden von Jellycat durch ein ausgeklügeltes Marketing erreicht, weiß Mehringer. „Lebensmittel und Alltagsgegenstände als niedliche Plüschfiguren – das hat etwas Augenzwinkerndes und bricht natürlich mit dem gängigen Denkmuster über Plüschtiere, wo man sagt, es muss ein Tier oder ein süßes Lebewesen sein“, erklärt der Spielzeugforscher. Damit setzten sich Jellycats von der Masse ab. „Wer bietet denn gerade an dem Markt kulinarische Plüschtiere an?“
Hat ein Unternehmen erst eine gewisse Bekanntheit erreicht, bringt immer wieder neue Produkte auf den Markt und nimmt gleichzeitig andere wieder aus dem Sortiment, können aus Käufern schnell Sammler werden. Was heute die Jellycats im Regal sind, waren früher etwa die Hummel-Figuren. Auch Mehringers Großeltern sammelten die süßen – und ebenfalls relativ teuren – Spielfiguren aus Porzellan, von denen es immer wieder neue gab. „Zu besonderen Gelegenheiten hat man sich mal so ein Figürchen geleistet und es zu Hause im Regal platziert“, sagt er.
Noch heute werden die Hummel-Figuren produziert und gesammelt – wenn auch in deutlich geringer Zahl. Ob auch Jellycat-Plüschfiguren solche Dauerbrenner werden, muss sich erst noch zeigen. „Die Spielwarenindustrie lebt davon, dass es immer mal wieder kurze, hochkochende Trends gibt“, so Mehringer, „die dann aber genauso schnell wieder in der Versenkung verschwinden, wie sie gekommen sind.“