Prozesse: Lebenslange Haft für syrischen Arzt gefordert

Angezündete Genitalien, Operation ohne Narkose – ein Mediziner soll für das Assad-Regime getötet und gefoltert haben. Später arbeitet er unbescholten in Deutschland.
Lebenslange Haft, Sicherungsverwahrung und Berufsverbot fordert die Staatsanwaltschaft für einen syrischen Arzt: Der heute 40-Jährige soll für das Assad-Regime in einem Militärkrankenhaus getötet und gefoltert haben. Die Anklagebehörde wirft Alaa M. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor. Seit über drei Jahren wird vor dem Frankfurter Oberlandesgericht gegen ihn verhandelt.
An 186 Verhandlungstagen seien über 50 Zeugen vernommen, mehrere Sachverständige gehört sowie unzählige Urkunden und Fotos angesehen worden, sagte eine der beiden Bundesanwältinnen zu Beginn des mit Pausen siebenstündigen Plädoyers. Die Rechtsanwälte des Angeklagten sowie der Nebenkläger sollen nächste Woche plädieren, nach der bisherigen Planung will der Staatsschutzsenat am 16. Juni sein Urteil verkünden.
Gewaltexzesse im Krankenhaus
Die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft wiegen schwer: Exzessive Gewalt von der Notaufnahme bis zu den unterirdischen Kellern, in denen Gefangene unter katastrophalen Bedingungen zusammengepfercht waren – M. soll Teil des Terrorsystems im Militärkrankenhaus von Homs gewesen sein.
Konkret werden ihm zwei Todesfälle und acht Fälle schwerer Folter zu Last gelegt in den Jahren 2011 und 2012. Er soll Körperteile mit brennbarer Flüssigkeit übergossen und angezündet haben – unter anderem den Genitalbereich eines höchstens 14 Jahre alten Jungen.
Er soll einem Mann eine tödliche Substanz gespritzt, einen Häftling mit gebrochenem Oberschenkel ohne Narkose operiert, Kranken lebenswichtige Medikamente verweigert und Gefangene brutal misshandelt haben – in einem Fall hing das Opfer an der Decke.
Arzt in Hessen
Der Angeklagte selbst bezeichnete sich in dem Gerichtsverfahren als nicht schuldig und gab an, er sei Opfer eines Komplotts. Zeugen seien durch Medienberichte beeinflusst oder hätten gelogen. Die Staatsanwältinnen hatten laut Plädoyer keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen.
Der Mann war 2015 nach Deutschland gereist und hatte in mehreren Kliniken als Orthopäde gearbeitet, zuletzt im nordhessischen Bad Wildungen. Vorgesetzte beschrieben ihn als höflich, fleißig und ehrgeizig. Im Sommer 2020 wurde er festgenommen – Opfer hatten den Arzt in einer TV-Dokumentation über Homs wiedererkannt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Sadistische Veranlagung
Für den Angeklagten spreche, dass er sich in Deutschland nichts zuschulden kommen ließ, so die Staatsanwaltschaft. Gegen ihn spreche nicht nur, dass er sich freiwillig in den Dienst eines brutalen Regimes gestellt habe, sondern vor allem, dass er das als Arzt tat, der doch Menschen helfen sollte. Stattdessen habe er Wehrlose gequält und gedemütigt – das habe ihm Freude bereitet.
Ein Gutachter hatte Alaa M. einen nicht sexuellen Sadismus attestiert. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für eine Gefahr für die Allgemeinheit und fordert Sicherungsverwahrung, damit er nicht vorzeitig entlassen werden kann.
Dass sich der Arzt wegen Verbrechen in seiner Heimat vor einem deutschen Gericht verantworten muss, liegt auch am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Es erlaubt, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen.