James Rondeau: Der nackte Direktor

James Rondeau, Museumsdirektor am Kunstinstitut von Chicago, einem der bedeutendsten Museen der USA, zog sich auf einem Flug komplett aus. Seinen Job darf er dennoch behalten.
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, hat schon Reinhard Mey gesungen. James Rondeau, langjähriger Direktor des Art Institute of Chicago nahm den Song allzu wörtlich. Während eines Fluges von seiner Heimatstadt Chicago nach München im April beschloss der Mitte 50-Jährige, sich seiner Kleidung zu entledigen und splitterfasernackt über den Wolken zu schweben.
Es ist anzunehmen, dass sich die Striptease-Einlage in der Business oder First Class zugetragen hat. Schließlich zählt Rondeau mit einem Jahresgehalt von über einer Million Dollar zu den Topverdienern seiner Branche, und das Museum, an dem er 1998 als junger Kurator anfing, zu den führenden Kulturinstitutionen der USA. Berichten zufolge hatte der Museumschef während des Fluges Alkohol und Medikamente zu sich genommen. Gleich nach der Landung in Deutschland wurde er dann von der Polizei in Empfang genommen.
James Rondeau muss Geldstrafe zahlen und beurlaubt sich selbst
Mit der Zahlung einer Geldstrafe war die Angelegenheit erledigt, der Amerikaner durfte weiterfliegen. Der bizarre Auftritt sei laut Rondeau eine Reaktion auf ein verschreibungspflichtiges Medikament gewesen. Dennoch ließ er sich freiwillig beurlauben. Der Vorstand des Museums kündigte eine Untersuchung des Skandals an und kam nun überraschenderweise zu dem Entschluss, dass der Direktor trotz der Nacktshow wieder seinen Posten antreten darf.
Rondeau erklärte: „Ich bedaure diesen Vorfall und die Auswirkungen, die er auf das Museum und meine Kollegen hatte, zutiefst“. Das Timing hätte nicht schlechter sein können. Der peinliche Auftritt hat sich zu einer Zeit ereignet, in der Museen und die Woke-Kultur in den USA unter massivem Beschuss von der Regierung und konservativ gesinnten Amerikanern stehen, die mit ihren Spendengeldern die Kulturhäuser am Laufen halten.
Schon als junger Kurator war Rondeau lange in München
Rondeau arbeitete als junger Kurator am Art Institute mit dem späteren Direktor des Haus der Kunst in München, dem aus Nigeria stammenden Okwui Enwezor, der an eine Kunst ohne geografische Grenzen glaubte. Als Mitbeauftragter des US-Pavillions bei der Biennale in Venedig in 2001 steckte Rondeau hinter der Ausstellung des Künstlers Robert Gober, der Themen wie Religion, Sexualität und Politik adressiert. So wurde unter Rondeaus Leitung das Ausstellungsprogramm am Art Institute überholt.
Zur heutigen Mission gehört, einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft zu leisten sowie Rassenungleichheit und Vorurteile zu adressieren. Auch der eigenen Geschichte wird sich kritisch gestellt. Eine Gedenktafel des 1879 gegründeten und zu Ehren von Christopher Columbus erweiterten Museums wurde indigenen Völkern gewidmet, die ursprünglich auf dem Land gelebt haben, wo heute das Museum steht.
Auf einem offiziellen Foto steht Rondeau im grauen Einreiher neben einem der berühmtesten Gemälde seines Landes, American Gothic von Grant Wood (1891-1942), das sich in der Sammlung seines Hauses befindet. Das Ölbild zeigt einen strengen Farmer, die Heugabel in der Hand, neben ihm eine ernst blickende junge Frau, und gilt als Inbegriff der puritanischen Moralvorstellungen des ländlichen Amerikas. Allerdings wurde die dreizackige Heugabel mit den nach oben gerichteten Zinken auch als Symbol für die teuflische Versuchung interpretiert. Insofern hat Rondeau vielleicht ganz unbewusst mit seiner Nackt-Aktion seine Art von Systemkritik oder auch Kunst-Performance geliefert.