Mode: Oh lala: Der Leo-Look ist wieder da – warum?

Animal Prints wie Leopardenfellmuster galten vielen lange als geschmacklos, doch sind sie seit geraumer Zeit wieder in Mode. Wie konnte das passieren? Und was ist eigentlich Antispeziesismus?

Fußgängerzone oder Supermarkt wirken heute manchmal wie ein Zoo oder eine Savanne – überall Leopardenfellmuster: auf Blusen, Leggins, Hosen, Röcken, Kleidern, Jacken, Schuhen. Animal Prints sind angesagt. Den Begriff „Leopard“ darf man nicht immer ganz wörtlich nehmen, manchmal ist es vielleicht auch Gepard, Jaguar, Ozelot, Tiger – oder gar Giraffe oder Zebra. 

Auch den Begriff „prints“ sollten wir hier nicht zu eng fassen, da er nicht nur Drucke meint, sondern das Muster an sich – egal ob auf Stoff gedruckt, als gemusterte Fläche gewebt, geknüpft, gemalt oder sonst wie hergestellt.

Die Bandbreite der Menschen, die Leo-Prints und Co. tragen, reicht von der US-First-Lady bei einer Preisgala bis zum Erotik-Model Micaela Schäfer, vom Hollywood-Star bei einer Filmpressekonferenz bis zum norddeutschen Bräutigam im Leo-Anzug beim Jawort. Bei einer „Leopartey“ in einem Berliner Dachgarten-Club war der Leo-Look neulich auch schon mal Dresscode.

Animal Prints bekamen in den letzten Jahren auch Taschen, Kissen, Geschirr und andere Accessoires verpasst. Dabei galt doch gerade das mal als unschicklich, weil es an die Unkultur kolonialistischer Jagdtrophäen erinnerte.

Anna Sophie Müller, Dozentin für Textil und Mode an der Europa-Universität Flensburg, sieht den Leo-Look ambivalent. „Leo-Prints waren in der Mode nie ganz weg. Tiere faszinieren. Aber die Codes, also Bedeutungszuschreibungen, die wandeln sich enorm.“ 

„Früher hielt ich Leo-Look für unmöglich“

„Ich dachte schon so vor einem Jahr: Leoparden-Look ist total „in“, das brauch’ ich jetzt auch“, sagt eine Mittsechzigerin in Berlin. „Also Bluse und Regenjacke gekauft. Früher hielt ich Leo-Look für unmöglich. Und die Bluse jetzt war auch der absolute Fehlkauf, weil ich mir auch heute noch darin vorkomme wie Tante Käthe Anfang der 60er Jahre. Wer damals Leo trug, war garantiert nicht wild.“ 

Jetzt sei Animal Print plötzlich total angesagt, auch bei jungen Menschen. „Die Regenjacke, ein Blouson mit Kapuze, finde ich auch echt cool, weil die Kombi irgendwie schräg ist“, erzählt die Frau aus Berlin. „Ich finde diese Drucke nur gut, wenn sie in kleinen Dosen eingesetzt werden, wenn sie gut mit unifarbenen Sachen kombiniert werden – also irgendwie ist das nur originell als Bruch.“

So ähnlich empfindet das auch eine Mittvierzigerin aus Mülheim an der Ruhr: „Ich finde, das kommt oft billig rüber oder es stecken Leute drin, die mit anderen Mustern authentischer aussähen. Ich persönlich trage lieber Blumenmuster. Die sind bunt und machen gute Laune.“

Dass der Leo-Print mit Begriffen wie „sexy“, aber auch „trashig“ assoziiert werde, liege daran, dass er häufig in Filmen von sinnlich-verführerischen Figuren getragen worden sei, schreibt die Frauenzeitschrift „Glamour“. „Über die vergangenen Jahrzehnte haben Modemarken immer wieder versucht, den Animal Print von seinem verführerischen oder „trashigen“ Image zu lösen.“ Unter ihnen seien der schottische Modemacher Christopher Kane oder Ex-Gucci-Designer Alessandro Michele gewesen.

Verruchtheit und politische Inkorrektheit früherer Jahrzehnte

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ meinte im Hochsommer 2024, jegliche Animal Prints umwehe nostalgischer Dunst: „Kolonialherren-Arroganz vergangener Epochen, als man aus Afrika und Asien tote Wildtiere beziehungsweise Trophäen anschleppte.“ Sie wirkten meist aber auch ironisch: „Ein Blouson mit Leopardenfellmuster kokettiert mit der Verruchtheit der 60er- und 70er-Jahre-Mode, ihrer politischen Inkorrektheit, was Materialien und Herkunftsort angeht.“

Muster steht heute für etwas Anderes als früher

Das ist längst nicht mehr alles, wofür der Leo-Look inzwischen stehen könne, sagt Textilwissenschaftlerin Müller: „Das kann völlig gegensätzlich sein und geradezu paradox erscheinen: So stand dieses Muster mal für koloniale Errungenschaften und steht postkolonial für genau das Gegenteil; so stand es mal für Exotik, Luxus und Macht und aktuell für vegane Alternativen, wenn es etwa zum Tierwohl nur als Kunstfell getragen wird.“

Müller vermutet, dass Animal Prints im aktuellen Zeitgeist oft auch eine Art „antispeziesistisches Statement“ sein könnten. Was das bedeuten soll? Mit Speziesismus ist so etwas Ähnliches wie Rassismus oder Sexismus gemeint, nur dass die Diskriminierung hier nicht wegen Hautfarbe, Haaren, Herkunft oder wegen des Geschlechts geschieht, sondern aufgrund der Spezies.

Anti-Speziesismus ist entsprechend eine ethische Haltung, die sich dagegen wendet, Lebewesen wegen ihrer Artzugehörigkeit zu diskriminieren. Ein neuer modetheoretischer Ansatz also. Leopardenfellmuster zu tragen ist Philosophie.