Grundsicherung: SPD kritisiert Linnemanns harten Bürgergeld-Kurs

In der Koalition wird immer deutlicher, bei welchen Themen es knirschen könnte: Zurückweisungen an den Grenzen, AfD-Verbot – und auch beim Thema Bürgergeld droht Ärger zwischen Union und SPD.
Das Drängen von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf einen harten Kurs beim vereinbarten Umbau des Bürgergelds stößt beim Koalitionspartner SPD auf deutliche Kritik. „Die Attacken auf den Sozialstaat werden jeden Tag mehr. Dabei ist er kein Kostenfaktor, den man einfach nach Kassenlage zusammenstreicht“, sagte die für Arbeit und Soziales zuständige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. Die Sozialsysteme im Land seien das solidarische Fundament des Zusammenhalts in der Gesellschaft.
Linnemann: Müssen an Substanz des Systems gehen
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, das Bürgergeld zu einer neuen „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzubauen. Linnemann drängt darauf, dabei „wirklich an die Substanz des Systems“ zu gehen, wie er sagte. Ein Punkt ist seiner Meinung nach besonders wichtig: „Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“
SPD: Hohe Einkommen und Vermögen stärker beteiligen
Schmidt entgegnete: „Statt immer wieder die Gerechtigkeitsfrage allein bei denen zu stellen, die kleine, kleinste oder gar keine eigenen Einkommen haben, gilt es diejenigen stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen, die höchste Einkommen und Vermögen haben.“ Sie fügte hinzu: „Und statt die Realitäten vieler Menschen zu ignorieren, die aufgrund von schwierigen Lebenslagen, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder anderer Hürden diese Unterstützung brauchen, könnte man sich auch Gedanken darüber machen, wie man die Hürden abbaut und zielgerichtet und nachhaltig auf dem Weg in Arbeit unterstützt.“
Wiederauflage der Debatte – aber jetzt in gemeinsamer Regierung
Die Debatte ist nicht neu, steht jetzt aber unter anderem Vorzeichen, weil Union und SPD gemeinsam regieren. Im vergangenen Sommer hatte Linnemann in der Diskussion über einen Anstieg der Zahl der Bürgergeldempfänger und die stark gestiegenen Kosten für die Leistung schon einmal den Vorschlag in die Diskussion gebracht, mutmaßlich arbeitsunwilligen Bürgergeldempfängern die Grundsicherung komplett zu streichen.
Gegenwind bekam er damals unter anderem von SPD, aber auch vom Sozialflügel der eigenen Partei. „Wer für die Jobcenter nicht erreichbar ist, hat häufig psychisch Probleme“, hatte der Vize-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, gesagt. Menschen in Deutschland dem Hunger auszusetzen, sei jedenfalls mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.
Aktuell Streichung bis zwei Monate möglich
Die aktuelle Rechtslage hatte das Bundesarbeitsministerium kürzlich in einer Antwort auf eine Anfrage im Bundestag so beschrieben: „Sogenannten Arbeitsverweigerern, die sich bewusst und grundlos weigern, eine konkret angebotene, zumutbare Arbeit aufzunehmen und die vorher (innerhalb des letzten Jahres) bereits gegen eine Pflicht zur Aufnahme einer Arbeit verstoßen oder ihr Arbeitsverhältnis grundlos gekündigt haben, kann für bis zu zwei Monate der Regelbedarf im Bürgergeld komplett entzogen werden.“
Ausgaben für Bürgergeld bei fast 47 Milliarden im vergangenen Jahr
Die Ausgaben für Bürgergeld sind im vergangenen Jahr laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf fast 47 Milliarden Euro angestiegen. Im Jahr davor waren es rund 43 und ein Jahr davor rund 37 Milliarden Euro. Die BA fasst dies unter dem Begriff „Zahlungsansprüche“ zusammen. Der Zahlungsanspruch sei der Betrag, welcher den Personen zustehe und der tatsächlich gewährt werde. Die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften, also der Haushalte, in denen Bürgergeld bezogen wird, liegt aktuell bei rund 2,9 Millionen.