Kolumne Marinić: Warum sind wir Deutschen nur so unfreundlich?

Unsere Kolumnistin ist groß geworden unter Grantlern. Aber so viel schlechte Laune, wie gerade im Land herrscht, erstaunt auch sie.
Die Stimmung in Deutschland – ist sie tatsächlich so mies, wie sie mir vorkommt? Ich kenne durchaus einige großartige Menschen hier, mit denen man es schön haben kann. Doch das Grundrauschen der Alltagsgespräche ergibt einen Sound, bei dem ich im Kaffeehaus den Kellner fragte, ob er die Musik nicht abdrehen könne. Warum sind wir so?
2024 kam eine weitere Umfrage heraus, die die Welt nicht braucht, und sie gibt mir recht. Expats wurden befragt, wie sie ihre Gastgeberstadt finden. Viele antworteten, München gehe gar nicht, keine Freundlichkeit, nirgends. So wird man zum Schlusslicht, zur dreiundfünfzigsten Stadt unter 53. Knapp vor München liegen Berlin, Frankfurt und Hamburg – eine ganze Landschaft an Unfreundlichkeit.
Wir redeten zu wenig mit Expats, ließen sie nicht in unsere Freundeskreise, heißt es. Wie erst wäre es, wenn diese Expats einfach Ausländer wären, wie man Menschen mit ausländischem Pass auch nennt! Expats sind die erwünschten Ausländer, die Fach- und Führungskräfte, und selbst zu denen sind wir unfreundlich. Man könnte jetzt sagen: Macht nichts, zu uns selbst sind wir genauso unfreundlich. Expats nehmen es nur persönlich, weil sie es anders kennen – aus anderen Ländern, in denen sie schon gearbeitet haben.
Die Deutschen glauben, sie bräuchten niemanden
Und kommt mir jetzt bitte nicht mit Granteln! Das ist kein echtes Granteln. Ich bin das Kind von Ex-Jugos. Ich kenne Grantler mit schonungslosem slawischen Humor, deren böse Sprüche mir noch im Kopf herumschwirren, während meine Jugograntler längst im Himmel motzen. Doch jeder von ihnen hätte einem Neuzugang im Haus sofort einen Rakija und einen Teller Festschinken auf den Tisch gestellt. Am Anfang trinkst du mit einem Menschen auf die Hoffnung, später auf die Enttäuschung, die er mit sich bringt. Meckern ist eine Pose, ein Schutz vor dem Gefühl, dass wir am Ende die Anderen brauchen, immer. Mir scheint, die Deutschen glauben allen Ernstes, sie bräuchten niemanden. So gehen sie zumindest mit vielen um.
Freundlichkeit ist Höflichkeit ist Gastfreundlichkeit. Warum lernen wir Deutsche nicht von den Eingewanderten, den Zugezogenen? Stattdessen erkaufen wir uns dieses Lebensgefühl immer nur in 14 Tagen Sommerurlaub teuer in der Toskana, der Ägäis oder in Südfrankreich. Weshalb machen wir uns gegenseitig den Alltag oft so schwer?
Ich verstehe mittlerweile, warum die Deutschen so oft krankgeschrieben sind im europaweiten Vergleich, wie andere Studien zeigen. Man muss während der Arbeit mit all den miesepetrigen Kollegen zusammen sein und so tun, als habe man Stress. Manchmal sogar in Großraumbüros. Inzwischen erinnert mich die Stimmung in deutschen Behörden an den Kommunismus, als die Leute im Amt zu Recht davon ausgingen, sie seien zum Absitzen der Zeit gekommen, schließlich herrschte Planwirtschaft. Wir leben das auch schon so, ganz ohne Planwirtschaft.
Die Höflichkeit des Herzens
Ein griechischer Expat, eine Topführungskraft übrigens, sagte, Deutschland, seine Bürokratie und die Art, wie Menschen zusammenarbeiten, erinnerten ihn an Griechenland vor der Krise. Das ist jetzt keine Studie; ich pflichte ihm aber bei.
Ich möchte es nicht machen wie Friedrich Merz und Carsten Linnemann und die Deutschen beschimpfen. Ich will es handhaben wie der von mir verehrte Autor Max Frisch, immerhin ein Schweizer. In seinen Tagebüchern schrieb er von einer Höflichkeit des Herzens, von der er nie abließ. Die gibt es wirklich. In jedem von uns.