Arbeitsunfall: Führte menschliches Versagen zu Unfall an Brückenbau?

Eine Transportgondel stürzt in die Tiefe. Drei Menschen sterben. Erste Anhaltspunkte auf das Geschehen haben sich laut den Ermittlern verdichtet. Der Anfangsverdacht richtet sich gegen den Kranführer.
Menschliches Versagen eines Kransführers könnte nach bisherigen Ermittlungen zu dem tödlichen Absturz einer Transportgondel an einer Brücken-Baustelle im Nordschwarzwald geführt haben. Vor knapp einen Monat waren dabei in Horb am Neckar (Landkreis Freudenstadt) drei Bauarbeiter ums Leben gekommen. Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat nach aktuellen Angaben gegen den 36 Jahre alten Kranführer ein Strafverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.
Im Falle einer Verurteilung drohen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Ob es aber zu einer Anklage und einem Prozess kommt, ist noch völlig offen. „Das abschließende Gutachten liegt noch nicht vor“, sagte Markus Wagner von der Staatsanwaltschaft. Bis die Ergebnisse da seien, könnten noch sechs bis acht Wochen vergehen, schätzte er.
Großes Entsetzen über Unfall
Das Unglück vom 20. Mai hatte weit über die Region hinaus für Entsetzen gesorgt. Die drei Männer im Alter von 40 bis 46 Jahren – zwei Polen und ein Deutscher – waren sofort tot. Die an einem Kran hängende Transportgondel hätte sie auf einen Brückenpfeiler auf der Baustelle an der Hochbrücke Horb bringen sollen.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger (CDU) hatten das Unglück als einen der schwersten Arbeitsunfälle bezeichnet, die es je auf einer Straßenbaustelle im Land gegeben habe. Auf Wunsch der Belegschaft wurde auf der Baustelle ein nicht-öffentlicher Gedenkgottesdienst in deutscher und polnischer Sprache abgehalten.
Die Hochbrücke ist Teil eines umfangreichen Straßenbauprojekts. Sie soll künftig den Verkehr auf der Bundesstraße 32 über das Neckartal führen. Bisher führt die Straße ins Tal hinunter und durch die Innenstadt von Horb. Laut dem Karlsruher Regierungspräsidium soll die Brücke 2.100 Meter lang werden und bis zu 90 Meter hoch sein. Die Freigabe ist voraussichtlich für 2028 geplant.
Erste Anhaltspunkte weiter verdichtet
Schon früh nach dem Unfall hatten die Ermittler mitgeteilt, das Stahlseil, an dem die Gondel befestigt war, könnte sich auf dem Weg der Gondel nach oben in querlaufenden Drahtseilen verfangen haben. Diese ersten Anhaltspunkte hätten sich weiter verdichtet, erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft nun.
Die sogenannte Kranflasche, zu der ein Haken gehört, hatte sich nach bisherigem Stand der Ermittlungen an den querlaufenden Drahtseilen verfangen. Das Kranseil sei dadurch letztendlich gerissen, hieß es weiter. Am Haken hing die Transportgondel mit den drei Arbeitern.
„Derzeit liegen Hinweise auf ein menschliches Versagen vor“, heißt es in der Mitteilung. Zuständig für die Beförderung der Personengondel an jenem Tag war der 36 Jahre alte Kranführer, gegen den jetzt ermittelt wird. Was genau er gemacht oder nicht gemacht haben soll, ob er Signale übersehen haben könnte – dazu machte Markus Wagner von der Staatsanwaltschaft keine Angaben.
Die Arbeiten an der Baustelle laufen nach kurzer Unterbrechung inzwischen weiter. Wagner sagte, nach seinen Kenntnissen arbeitet der 36-Jährige dort derzeit nicht. Der Mann sei nicht in Untersuchungshaft. Weitere Angaben zu ihm machte der Sprecher der Staatsanwaltschaft nicht.
Schon einmal gab es einen Vorfall auf der Baustelle
Der Unfall auf der Großbaustelle ist nicht der erste. Schon im vergangenen Jahr hatte es dort einen Zwischenfall gegeben, als plötzlich mehrere Befestigungsbolzen eines Schal- und Tragegerüsts abrissen. Die Arbeiten waren daraufhin gestoppt worden. Verletzt wurde damals niemand.