Bildungsministerkonferenz: Haltungsfrage – Minister beraten über Gedenkstättenarbeit

In Deutschland nehmen rechtsextreme Entgleisungen und Provokationen durch Schüler zu. Für die Bildungsminister der Länder Grund, sich mit der Vermittlung von Geschichte und Haltungen zu befassen.

Vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl rechtsmotivierter Vorfälle an deutschen Schulen machen die Bildungsminister von Bund und Ländern die Gedenkstättenarbeit zu einem zentralen Punkt ihrer Jahreskonferenz. Bei der Geschichtsvermittlung müssten Schulen und Gedenkstätten besser zusammenarbeiten, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg. Ein weiteres Thema sei die Fortführung des Digitalpaktes Schule. Sie erwarte dazu konstruktive Gespräche mit der neuen Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU).

Oldenburg ist als amtierende Präsidentin der Fachminister-Konferenz Gastgeberin der Beratungen auf Schloss Bothmer in Klütz (Nordwestmecklenburg). Zu dem zweitägigen Treffen seien auch Vertreter der NS-Opfer-Gedenkstätten Neuengamme und Sachsenhausen eingeladen, sagte die Linke-Politikerin. Mit diesen wollten sich die Bildungsminister über Möglichkeiten und Ziele einer altersgerechten Behandlung des Themas austauschen. 

Provokative Gesten in Gedenkstätten 

An vielen Schulen sind Klassenfahrten zu ehemaligen NS-Konzentrationslagern bereits fester Bestandteil der Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte. Die erhoffte Wirkung, dass Schülern dabei auch eine kritische Distanz zu rassistischen Ideologien entwickeln, bleibt mitunter aber aus. Wie eine Umfrage der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) unter den Bundesländern ergab, nehmen rechtsextreme Entgleisungen und Provokationen durch Schüler bundesweit zu. 

Für Schlagzeilen sorgten zuletzt zwei Neuntklässler aus Greifswald. Während einer Studienfahrt in das frühere Konzentrationslager Auschwitz Ende Mai hatte sich einer der beiden von seinem Altersgefährten in der Gedenkstätte dabei filmen lassen, wie er eine rechtsextreme White-Power-Geste zeigte. Das Video war in den Sozialen Medien verbreitet worden. 

Das Internationale Auschwitz Komitee bezeichnete das Verhalten als „herzlos und infam“. Auch aus anderen Bundesländern wurden nach Recherchen der FAS ähnliche Fälle bekannt. Nach Angaben des Landesschülerrats Mecklenburg-Vorpommerns berichten Schüler inzwischen regelmäßig über rechtsextremistische Vorfälle an ihren Schulen.

Minister besuchen Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin 

Oldenburg hat ihre Amtskollegen und -kolleginnen zu einem Besuch in die Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin bei Ludwigslust eingeladen. Nach ihrer Meinung zeigt die Zusammenarbeit der Gedenkstätte mit der Schule dort „auf beeindruckende Weise, wie jüngere Schülerinnen und Schüler altersangemessen an dieses Kapitel unserer Geschichte herangeführt werden, das uns dazu verpflichtet, diese schrecklichen Ereignisse nicht zu vergessen“, sagte sie.

Im Gespräch mit der Zeitschrift „Der Spiegel“ hatte sich Oldenburg besorgt über die Häufung antisemitischer und rechtsextremer Vorfälle an deutschen Schulen gezeigt. „Schülerinnen und Schüler müssen sich mit Antisemitismus und auch mit der NS-Geschichte auseinandersetzen und eineHaltung entwickeln – und Lehrkräfte müssen sie dabeiunterstützen. Das betrifft alle Fächer, die ganze Schulgemeinschaft. Es darf nicht nur am Geschichtsunterricht festgemacht werden“, betonte sie. 

Einen verpflichtenden Besuch in KZ-Gedenkstätten lehnt Oldenburg aber ab. „Zwang ist nicht der richtige Weg, um Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. Im schlimmsten Fall wenden sich Schülerinnen und Schüler ab und fühlen sichpolitisch bevormundet. Das wäre wirklich kontraproduktiv“, sagte sie dem „Spiegel“.