Seeungeheuer: „Grundsätzlich ist der Waller ein ganz ruhiger, ganz gemütlicher Typ“

Fünf Badegäste biss ein Wels im fränkischen Brombachsee. Dann kam die Polizei und erschoss das unheimliche Wassertier. Ein Experte erklärt, wie es zur Panik am Badesee kam.
Herr Funke, wie gefährlich ist ein Wels, oder Waller, wie er in Bayern genannt wird, für den Menschen?
Er ist an und für sich überhaupt nicht gefährlich für den Menschen, weil er sich für ihn nicht interessiert. Der ist keine Beute. Außerdem geht der Waller nachts auf die Jagd, hat also auch deshalb wenig Berührungspunkte mit Schwimmern.
Warum kam es dann zu den Beißattacken?
Gefährlich wurde der Waller, weil er sein Gelege verteidigte, und sich dabei bedrängt gefühlt hat. Dummerweise hatte er das Gelege direkt unter einer Badeinsel eingerichtet. So etwas kommt extrem selten vor. Normalweise laicht ein Waller eher in den krautigen Bereichen, wo Schwimmer sowieso nicht gern hingehen.
Das Ganze passierte in der Nähe eines Festivals am Seeufer. Sind die Fische auch geräuschempfindlich?
Alle Fische sind geräuschempfindlich. Das dürfte aber in diesem Fall nicht die große Rolle gespielt haben. Viel entscheidender war, dass an diesem schönen Tag ein starker Badebetrieb herrschte und generell viel los war.
Wie anspruchsvoll sind die Raubfische?
Sie sind wirklich sehr anpassungsfähig. Große Ansprüche an die Wasserqualität haben sie nicht. Das Einzige, was sie brauchen, ist warmes Wasser. Dadurch ist der Waller ein totaler Klimawandelgewinner. Er kommt zwar in den Oberläufen vieler Flüsse nicht vor, aber dort, wo die Flüsse warm und breit sind. Zusätzlich erschließt er sich neue Lebensräume in stehenden Gewässern, denn gerade dort steigen die Wassertemperaturen.
Gerade um große Waller ranken sie viele Geschichten. Angeblich schnappen sie sich sogar Hundewelpen vom Ufer.
Der Waller ist ein Raubfisch und frisst in aller Regel andere Fische. Es kann aber durchaus mal vorkommen, dass er sich von unten kommend ein Entenküken schnappt, wenn er die Chance dazu bekommt. Bestätigte Fälle, in denen er sich einen Hund geschnappt haben soll, kenne ich nicht.
Und wie sieht das mit Fressfeinden aus?
Wenn der Waller kleiner ist, können ihn natürlich andere Raubfische erbeuten. Ein Fisch dieser Größe hat jedoch keine Feinde mehr.
Für viele Fischarten gibt es Schonfristen? Wie sieht das beim Waller aus?
Der wird nicht geschont. Im Gegenteil. Am Brombachsee gibt es sogar eine Entnahmepflicht. Das heißt, wenn man beim Angeln einen Waller fängt, muss man ihn auch entnehmen, sprich töten. Denn der Bestand dort ist größer, als ökologisch vertretbar ist. Wenn zu viele Mäuler da sind, ist das ein Problem für andere Fischarten.
Früher waren so große Exemplare, wie das vom Brombachsee extrem selten, entsprechend begehrt waren sie unter Anglern. Und heute?
Es gibt insgesamt mehr Waller und damit auch mehr große Tiere. Aber so ein Zwei-Meter-Fisch ist schon immer noch etwas Besonderes. Den fängt man nicht alle Tage.
Und wie hat ihn dann die Polizei so schnell gefunden?
Während der Fisch auf sein Gelege aufpasst, ist er standorttreu. Deswegen war er auch für die Polizisten gut auszumachen.
Wie lange bleibt er bei seinen Eiern?
Eine Woche, vielleicht zwei, aber länger, mit Sicherheit nicht. Wahrscheinlich wäre es mit dem Bewachen in zwei, drei Tagen vorbei gewesen. Einfach eine unglückliche Verkettung von Umständen.
Ist es üblich, dass in einem solchen Fall die Polizei eingreift?
Wenn Menschen attackiert werden und es Verletzte gibt, dann ist es ganz normal, dass jemand die Polizei ruft. Und wenn Gefahr im Verzug ist, dürfen die Polizisten auch schießen. Allerdings haben sie sich zuvor mit dem Fischereiverband vor Ort in Verbindung gesetzt und dann gemeinsam den Bereich abgesperrt und sich um das Tier gekümmert.
Wie gefährlich ist der Biss eines so großen Mauls?
Richtig die Zähne reinrammen, kann der Waller nicht. Er hat nur ganz kleine Zähne, das fühlt sich an wie Schmirgelpapier. Aber sein Biss verursacht Schürfwunden, die bei einem so großen Maul sehr großflächig sein können. Dazu kommen mit Sicherheit auch Quetschungen und blaue Flecken. Die eigentlichen Spuren hinterlässt allerdings etwas anderes.
Was denn?
Der Schock, den man da davonträgt, wenn man beim Baden ist und dann kommt so ein riesiges Tier aus der Tiefe. Ich glaube, das darf man nicht unterschätzen.
Also immer vorsichtig ins Wasser gehen?
Dass sich Menschen und Tiere so in die Quere kommen, passiert ganz selten. Kinder können weiterhin sorglos baden gehen, da kann ich alle Eltern beruhigen. Grundsätzlich ist der Waller ein ganz ruhiger, ganz gemütlicher Typ.