Meinung: Strafe muss sein – auch für Vermieter!

Die Mietpreisbremse wurde verlängert, nur bringt sie kaum etwas. Der Mangel an günstigem Wohnraum ist längst nicht mehr nur ein soziales Problem, er bedroht die Wirtschaft.

Eine 80-Quadratmeter-Zweiraumwohnung am Nordrand vom Prenzlauer Berg in Berlin: Vermietet für 1350 Euro kalt. Dem Mieter kam das zu viel vor. Nach mehr als einem Jahr Ärger korrigierte das Amtsgericht Mitte die Miete auf die erlaubten zehn Prozent über dem Mietspiegel: 597,78 Euro. Die Vermieterin hatte also 125 Prozent zu viel verlangt. Kurz darauf schickte sie dem Mieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs – das Verfahren läuft noch.

Der ganz normale Wahnsinn auf dem Wohnungsmarkt. Immerhin: Die Mietpreisbremse hat in diesem Fall gegriffen. Das passiert viel zu selten. Denn viele Mieter kennen ihre Rechte nicht oder scheuen sich, sie durchzusetzen – weil sie ihr Verhältnis zum Vermieter nicht belasten wollen.

Vermieter hingegen können einfach höhere Mieten verlangen, ohne Angst haben zu müssen. Denn wer die Mietpreisbremse ignoriert, macht sich nicht strafbar. Im Straßenverkehr kostet jedes kleine Vergehen ein Bußgeld. Wer aber einem Mieter, siehe oben, 750 Euro zu viel im Monat abknöpft, kommt ungestraft davon.

Die Mietpreisbremse ist voller Schlupflöcher

Dazu kommen die Schlupflöcher. Die Mietpreisbremse hat jede Menge davon, das größte: Sie gilt nicht bei möblierter Vermietung. So stehen jetzt in vielen angebotenen Wohnungen ein hässliches Sofa und ein klappriges Bett, die mitgemietet werden müssen. In den fünf größten Städten wird laut Mieterbund inzwischen jede dritte Wohnung als möbliert angeboten.

Seit 2015 gilt die Mietpreisbremse, seitdem stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten um die Hälfte. Keine gute Bilanz. Trotzdem hat die schwarz-rote Koalition die Mietpreisbremse mit ihren Stimmen im Bundestag heute nur bis 2029 verlängert, ohne ihre Mängel zu beheben. Ein schweres Versäumnis, leider eines mit System.

Seit Jahren tun die Bauminister zu wenig

Denn insgesamt versäumen es Union und SPD schon seit vielen Jahren, den Mangel an Wohnraum zu beheben. Vor allem den Mangel an günstigem Wohnraum. Seit 2005 leiten entweder SPD oder CSU das Bauministerium – und in all den Jahren ist es nicht gelungen, den Neubau richtig auf Trab zu bringen. Die Folge: Der Wohnungsmarkt ist total aus dem Gleichgewicht, weil 550.000 Wohnungen fehlen.

Viele Menschen werden aus den Zentren der Städte verdrängt. Die Zahl der Haushalte, die inzwischen 40 Prozent Ihres Einkommens für die Miete zahlen, hat sich seit 1990 verdreifacht auf 14 Prozent. Diese Haushalte gelten als überlastet. Richtig schlimm aber wird es, wenn diese Menschen in Rente immer noch ähnlich hohe Mieten zu schultern haben, aber eben weniger Einkommen.

Bereits heute muss der Bund sechs Milliarden Euro für Wohngeld ausgeben, um Geringverdiener bei ihrer Miete zu unterstützen. Tendenz steigend. Geld, das besser in Wohnungsbau investiert wäre, aber dafür jetzt fehlt, weil sonst viele Städter in die Sozialhilfe rutschen könnten.

Keiner gibt mehr seine Wohnung auf

Der Mietmarkt ist inzwischen vielerorts so angespannt, Bestandsmieten und Angebotsmieten klaffen so weit auseinander, dass Menschen, die eigentlich lieber in einer kleineren Wohnung leben würden, etwa weil die Kinder aus dem Haus sind, nicht mehr umziehen: Nach dem Wechsel würde sie eine kleinere Wohnung oft mehr kosten als die alte. Was die Gesamtlage immer schwieriger macht.

Langfristig kuriert die Mietpreisbremse nur die Symptome. Entscheidend ist, dass mehr Wohnungen gebaut werden und die richtigen: also auch mit Querschnitten für Familien, barrierearm für Ältere – und bezahlbar. Stattdessen entstehen eher Luxuswohnungen.

Schlimmer noch: Mit dem Ukrainekrieg sind die Baupreise stark in die Höhe gegangen, gleichzeitig stiegen die Zinsen, sodass zuletzt immer weniger gebaut wurde. Die Zahl der Bauanträge ist um mehr als 40 Prozent zurückgegangen, die Baubranche steckt inzwischen in einer Rezession. Und es wird ein paar Jahre dauern, sich davon zu erholen. Bis die Branche also überhaupt so viele Wohnungen bauen kann, wie jetzt gewünscht.

Der Bauturbo kommt viel zu spät

Wenn nun also die neue Bauministerin Verena Hubertz (SPD) den „Bauturbo“ ausruft, dann ist das gut, es kommt aber mindestens drei Jahre zu spät. Der Bauturbo soll die Planungen beschleunigen, das ist grundsätzlich sinnvoll. Es geht aber auch um neue Ideen, wie man günstiger und dennoch klimaschonend und lebenswert bauen kann. Und es ist höchste Zeit, endlich den größten Kostentreiber anzugehen: die steigenden Bodenpreise. Dazu hat die Koalition nichts vereinbart.

Immerhin, auch die Ausgaben für sozialen Wohnungsbau sollen steigen, von aktuell 3,5 Milliarden auf 5,5 Milliarden Euro bis 2028. Das wäre dann fast so viel, wie aktuell für Wohngeld gezahlt wird.

Klar ist: So schnell werden wir das Wohnungsproblem nicht mehr los. Und es führt nicht nur zu sozialen Härten. Es gefährdet auch unsere wirtschaftliche Erholung, wie inzwischen die Denkfabrik Arge, die für die Wohnungswirtschaft einmal im Jahr die Lage am Wohnungsmarkt zusammenfasst, festgestellt hat. Denn wie will man Fachkräfte ins Land locken, wenn die hier nicht mal eine Wohnung finden?