Royale Kunst: König Charles malt. Kann er das?

König Charles‘ Liebe zur Malerei ist reichlich dokumentiert. Seit seiner Krönung erzielen die Werke des Monarchen sogar ansehnliche Preise. Sind sie es wert?

Im März 2024 versteigerte ein Auktionshaus in Bristol ein unvollendetes Aquarellgemälde. Sein Titel: „Lochnagar“, der Künstler: König Charles III. Es erzielte einen Preis von umgerechnet fast 20.000 Euro. 

Man muss dem überteuerten Bild zugutehalten, dass es ein historisches Dokument ist. Es hat eine kleine Nebenrolle im Kinderfilm „The Legend of Lochnagar“ von 1993, der auf Charles‘ Kinderbuch „Der Alte Mann von Lochnagar“ basiert. Den Erzähler im Film spielt der König und Künstler, der früher als Prinz bekannt war. 

Charles wollte ein Bild mit Lucian Freud tauschen

Es war die Zeit, als Charles sich noch für einen außergewöhnlich talentierten Maler hielt. Mitte der Neunziger schrieb er einmal an Lucian Freud. Der Prinz von Wales äußerte Interesse am Erwerb eines Freud-Gemäldes und bot dem damals als Großbritanniens größter lebender Künstler geltenden Freud allen Ernstes eines seiner Aquarelle zum Tausch an. Freud lehnte dankend ab.

In den schottischen Highlands malt König Charles besonders gern. Hier versuchte er sich 1991 an Balmoral Castle – mit mäßigem Erfolg
© Tim Graham

Seitdem ist König Charles III. älter und weiser geworden. Heute erkennt der Monarch wahres künstlerisches Talent und fördert die bildende Kunst im Königreich nach Kräften. Die Royal Drawing School in London, gegründet vor 25 Jahren, bietet Zeichenkurse für Anfänger bis Kunstschul-Absolventen an, der Master-Studiengang dort ist gebührenfrei und gehört zu den begehrtesten Abschlüssen für Künstler auf der Insel. Charles‘ King’s Foundation bildet zudem Künstler an gleich drei Standorten außerhalb Londons aus – in Dumfries House und Castle of Mey in Schottland sowie in Highgrove, dem privaten Sitz des Monarchen in den englischen Cotswolds.

Gleichermaßen reichlich dokumentiert, in Fachkreisen allerdings weniger willkommen, war jahrelang Charles‘ Interesse an Architektur. Berüchtigt seine niederschmetternde Kritik an modernen Bauten – ein geplantes Projekt im Londoner Bankenviertel bezeichnete er in einer Rede als „monströses Karbunkel im Gesicht eines geliebten, eleganten Freundes“. In seinen legendären, als „Black Spider Memos“ bekannten Briefen bekniete er in krakeliger Handschrift einflussreiche Minister, den Bau moderner Architekturprojekte zu blockieren. Doch auch auf dem Gebiet erkennen heute selbst jene, die Charles für seine altmodischen Vorlieben damals scharf kritisierten, dass er mit seinen ganzheitlichen Ideen gar nicht so Unrecht hatte. Dass er gewissermaßen ein Vorreiter war, wenn auch ein schrulliger.

König Charles gehört zu den umsatzstärksten Künstlern des Landes

Mit der Malerei ist das anders. Als im Oktober 2022 – Charles war zwei Monate zuvor erst König geworden – ein limitierter Kunstdruck eines Charles-Aquarells von Schloss Balmoral von 2001 im Auktionshaus Bonhams für über 6600 Euro unter den Hammer ging, urteilte die Kunstkritikerin Estelle Lovatt, das Bild sei „nicht schrecklich. Aber auch nicht großartig“. Damit teilt sie die Meinung vieler Experten im Königreich. Schon vor zwölf Jahren schrieb der Kunstkritiker der konservativen Zeitung „Daily Telegraph“, Charles‘ Aquarelle seien „so konventionell, dass bei ihrem Betrachten körperliche Starre eintritt“. Der Kritiker des liberalen „Guardian“ tadelte mit spärlichem Lob: „Seine Bilder sind durchschnittlich. Sie sehen aus wie das Werk eines Hobbymalers.“ Man müsse schon ein echter Royalist sein, um Geld dafür auszugeben. 

Heute malt König Charles sehr viel kompetenter als 1986, als er dieses Bild vom Castle of Mey, dem schottischen Landsitz seiner Großmutter, zu Papier brachte
© Tim Graham

Fairerweise sei gesagt, dass sich Charles heute genau das nennt: einen Amateurkünstler. Er tut das in dieser selbstironischen Art, die nur die Briten beherrschen. Seine limitierten Kunstdrucke und Lithografien indes stehen im Shop von Highgrove zum Verkauf, zu einem Preis von zwischen 3400 und 8600 Euro das Stück. Die Motive seiner Bilder schmücken Seidentücher, die dort 170 Euro kosten. Alle Umsätze kommen selbstverständlich der King’s Foundation und anderen vom Monarchen unterstützten wohltätigen Zwecken zugute. Dennoch, rein am Umsatz gemessen gehört der König heute zu den erfolgreichsten lebenden Künstlern im Königreich. Nicht schlecht für einen durchschnittlichen Hobbymaler. 

Ein Talent für die Kunst liegt in der Familie

Tatsächlich scheint eine gewisse künstlerische Begabung in der Familie zu liegen. Schon Queen Victoria und Prinz Albert widmeten sich dem entspannenden Hobby des Malens und Zeichnens, der deutsche Albert übrigens mit erheblichem Talent. Auch Charles‘ Vater Prinz Philip griff oft zum Pinsel, allerdings weniger erfolgreich. Vermutlich lernte er die Malerei dort, wo später auch sein Sohn in die Welt der Farben flüchtete, an der harschen Internatsschule Gordonstoun in Schottland, die nicht eben berühmt war für feinsinnige Lehrer und Schüler. 

„Looking Towards the Spittal of Glen Muick“ heißt diese schottische Landschaft. „Wenn ich auf meine ersten Skizzen zurückblicke, bin ich entsetzt, wie schlecht sie sind“, schrieb Charles 1991 im Vorwort zu einem Buch seiner Bilder
© Tim Graham

Schwieriger wird es beim Nachwuchs: Bei Prinz William reichte es später nur bis zum Studium der Kunstgeschichte. Bruder Harry legte seine Mittlere Reife an der Privatschule Eton im Fach Kunst ab – wohl aber eher deshalb, weil er für die anderen Fächer noch weniger Talent zeigte. 

Lediglich Lady Sarah Chatto, die Tochter von Prinzessin Margaret und dem Fotografen Lord Snowdon, arbeitet heute als anerkannte Künstlerin und wird unter ihrem bürgerlichen Namen Sarah Armstrong-Jones von einer Londoner Galerie vertreten. Von den Preisen, die die Bilder und Kunstdrucke von Onkel Charles erzielen, kann allerdings auch sie nur träumen. 

Mächtige malten schon immer

Heute hält sich die Kunstszene mit Urteilen über die Malerei des Königs zurück – schon aus Dankbarkeit für ihren einflussreichen Mäzen. Gefühlt jede zweite künstlerische Einrichtung im Königreich trägt den Vorsatz „Royal“, und Mitglieder der königlichen Familie sind Schirmherren zahlloser kultureller Organisationen.

Überhaupt: Was ist schon so kritikwürdig daran, dass ein Monarch auf seinen offiziellen Reisen oder auch daheim zu seiner Entspannung Farbkasten und Staffelei hervorholt? Großbritanniens legendärer Premier Winston Churchill tat das, und selbst Boris Johnson lässt sich gern beim Malen fotografieren. Der Kunstkritiker des „Guardian“ Jonathan Jones gab vor Jahren zu bedenken, dass es eine Verbindung zwischen Tyrannei und Kunst gebe: Der römische Kaiser Nero, schrieb Jones, habe seine eigenen Gedichte gesungen und dabei Rom abbrennen lassen. Heinrich VIII. habe Musik komponiert und nebenher seine Frauen köpfen lassen. „Und Hitler war bekanntlich ein Möchtegern-Künstler.“

Nun ist König Charles das Gegenteil eines Tyrannen. Als konstitutioneller Monarch sind er und seine Familie lediglich Vorzeigefiguren, wenn auch mit ein paar mehr Palästen als das durchschnittliche Staatsoberhaupt einer westlichen Demokratie. Die wenige Macht, die er hat, verwendet er heute mehrheitlich auf progressive Anliegen. Und demnächst muss der Mann auch noch einen Staatsempfang für US-Präsident Donald Trump ausrichten. 

Ein Trost: Letzterer malt zum Glück noch nicht.