Tour de France: „Traum ist wahr geworden“: Lipowitz übernimmt Weißes Trikot

Als die Tour vor 36 Jahren letztmalig Halt in Luchon-Superbagnères machte, da war Lipowitz noch nicht geboren. In den Pyrenäen übernimmt der Jungstar Rang drei. Und feiert den nächsten großen Erfolg.
Florian Lipowitz riss einen Blumenstrauß in die Höhe und strahlte in dem Weißen Trikot förmlich, als der deutsche Nachwuchsstar im ungemütlichen Nieselregen in den Pyrenäen eine seiner bislang größten Auszeichnungen im Radsport erhielt. Bei der Tour de France übernahm der 24-Jährige nach der 14. Etappe den dritten Gesamtrang und schlüpfte in das Outfit für den besten Nachwuchsfahrer – knapp eine Woche vor dem Ende der Rundfahrt in Paris.
„Ich denke, Frankreich ist ein gutes Pflaster für mich“, sagte Lipowitz dem französischen Fernsehen mit einem breiten Lächeln im Skigebiet Luchon-Superbagnères. „Ein Traum ist wahr geworden mit dem weißen Trikot. Ich bin mehr als glücklich“, schwärmte er. Er habe die Rundfahrt bislang sehr genossen, freue sich über die vielen Menschen, die ihn anfeuern würden.
Roglic zeigt sich beeindruckt von jungem Kollegen
Zuletzt hatte der gebürtige Schwabe auch den routinierten Kapitän Primoz Roglic hinter sich gelassen. Lipowitz steht knapp zweieinhalb Minuten vor dem viermaligen Vuelta-Gewinner. „Beeindruckend, ich dem Alter bin ich nicht mal Rad gefahren“, sagte Roglic – ebenfalls ein Quereinsteiger aus dem Wintersport – der ARD. Roglic liegt auf Platz sechs. „Sicher“ werde er ihn weiter unterstützen. „Wir werden als Team das Beste geben. Da kommen noch viele große Berge“, fügte er hinzu.
„Wir sind ein Team und Primoz hat gezeigt, dass er in einer super Verfassung ist“, sagte Lipowitz. Roglic und er würden gut miteinander auskommen, versicherter er. „Ich denke, wir können als Team mehr als glücklich sein.“
Evenepoel steigt vom Rad
Die von Lipowitz‘ Red-Bull-Team anvisierte Podiumsplatzierung wird knapp eine Woche vor dem Ende der Frankreich-Rundfahrt in Paris immer realistischer. Für den Dritten der diesjährigen Dauphiné-Rundfahrt und Zweiten bei der Fernfahrt Paris-Nizza ist es ein weiterer großer Erfolg. Als die Tour de France vor 36 Jahren letztmalig Halt in dem Skigebiet Luchon-Superbagnères machte, da war der 24 Jahre alte Ex-Biathlet Lipowitz noch lange nicht geboren.
Der Quereinsteiger, der erst vor fünf Jahren die Sportart gewechselt hatte, musste nur noch das Ziel nach 182,6 Kilometern zwischen Pau und dem Skigebiet erreichen, da der angeschlagene Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel aus Belgien vom Rad gestiegen war – und der dritte Platz damit frei wurde. Lediglich sechs Sekunden hatten den zuletzt angeschlagenen Evenepoel und Lipowitz vor der anspruchsvollsten Etappe mit fast 5000 Höhenmetern getrennt.
Sprint-Idol Marcel Kittel hatte das weiße „maillot blanc“ letztmalig als deutscher Profi 2013 für einen Tag gehabt, es aber nicht getragen, da er sich auch das höherwertige Gelbe Trikot geschnappt hatte. Jan Ullrich gewann das Trikot zwischen 1996 und 1998 dreimal in Paris.
Pogacar vor Vingegaard ins Ziel
Lipowitz steht mit 7:53 Minuten hinter Titelverteidiger und Tour-Dominator Tadej Pogacar im Gelben Führungstrikot und 3:40 Minuten hinter dem Dänen Jonas Vingegaard. Der Nachwuchsfahrer vergrößerte den Abstand auf den Viertplatzierten Oscar Onley auf 1:25 Minuten. Den Tagessieg auf der bislang schwersten Etappe sicherte sich der Niederländer Thymen Arensman vor Pogacar und Vingegaard. Lipowitz wurde Fünfter.
Pogacar und Vingegaard verzichteten zunächst auf gegenseitige Attacken. Doch dann startete der Däne ein Manöver, das Pogacar aber mühelos parierte. Und Lipowitz fuhr auch mit, musste die beiden aber ziehen lassen. Ausnahmefahrer Pogacar setzte sich dann noch vor Vingegaard und sammelte weitere Bonussekunden.
Ausreißer am Sonntag gefragt
Knapp 100 Kilometer vor dem Ziel in Luchon-Superbagnères, das seit 1989 aus logistischen Gründen nicht mehr genutzt wurde, stieg der Zeitfahr-Weltmeister Evenepoel vom Rad. Er stieg völlig entkräftet ins Teamauto. Schon früh vor der Kletterpartie zum Col du Tourmalet kam er nicht mehr mit – und fiel ab. Genervt reagierte der 25-Jährige auf das Kameramotorrad neben ihm, als der Anstieg der höchsten Kategorie auf den legendären Straßenpass auf 2115 Metern über dem Meeresspiegel führte. Schon bei den beiden vorherigen Pyrenäen-Etappen hatte der Belgier große Probleme gezeigt und Zeit eingebüßt.
Am Sonntag dürften sich die Top-Fahrer etwas schonen. Nach den anspruchsvollen Etappen im Hochgebirge wittern die Fluchtliebhaber ihre Chance auf der 15. Etappe. Vor dem zweiten Ruhetag warten 169,3 Kilometer zwischen Muret und der südfranzösischen Stadt Carcassonne. Zwei Anstiege der dritten und ein mittelschwerer der zweiten Kategorie laden Ausreißer-Gruppen ein.