Mode: Warum jetzt alle Hosen mit Leopardenprint tragen

Hosen und Röcke mit Leopardenprint, sie sind überall: Der Trend markiert die Ära des Konformismus, hat aber auch etwas Gutes an sich: Das Muster ist klassenlos.
Ein Samstagmorgen in Hamburg, hippes Viertel, drei Stunden Sonnenschein. Die Raubkatzen sind los. Sie stehen vor Coffeeshops an, ziehen Geld am Bankautomaten, schlendern in Geschäfte und mit Tüten wieder heraus. Dort drüben, schiebt eine einen Kinderwagen. Um die Ecke auf einem Flohmarkt dann: ein ganzes Großkatzengewimmel.
Schwarze Tupfen auf beigefarbenen Untergrund (Gepard) oder braune Tupfen schwarz umkringelt (Leopard), dazwischen mal ein Tiger: Großkatzenprints auf Hosen und langen Röcken sieht man jetzt überall. Jede zweite Frau trägt sie. Und wer keine hat, klickt bald auf „kaufen“.
Wir Menschen, vor allem Großstädter, halten uns für ach so individuell. Nach Einzelstücken in Vintage-Shops jagen. Ikea-Möbel umlackieren. Serien statt Fernsehen. Albanien statt Ibiza. Und jeder raucht eine eigene E-Zigaretten-Geschmacksrichtung.
Auf der Straße zeigt sich ein anderes Bild: Alle sehen gleich aus. Auch die Autorin dieses Textes trägt beim Schreiben: eine Leo-Hose. Sie ist müde, sich gegen den Mainstream zu stemmen, der sich immer mehr manifestiert, seitdem sich alle auf Taylor Swift einigen können. Warum also nicht die gleichen Hosen tragen wie die Fremden da draußen, kombiniert mit einem schnöden schwarzen T-Shirt?
Dabei ist das Leopardenmuster gar kein Trend, sondern immer schon dagewesen und somit ein Klassiker. Einer, der zwischen Anmutung und Kratzbürstigkeit steht und viel Spielraum für Interpretation bietet: Leo ist verrucht, Leo ist schick, Leo ist Trash – schließlich kommt es aus der Punkbewegung.
Zugleich schmerzt es mich, mir bewusst zu sein, dass ich wie alle bin. Im Kollektiv wird man zwar mutiger, aber als Fashion-Statement schwächer: Wo alle durcheinander brüllen, tritt die Botschaft zurück.
Die Leopardenprint-Hose: Das vielleicht demokratischste Kleidungsstück
Das Leopardenmuster schließt niemanden aus. Es ist für alle. Es schert sich nicht um Konfektionsgrößen, kümmert sich nicht um Konto und Klasse: Ob eine Hose 20 oder 200 Euro gekostet hat, sieht man ihr kaum an, weil sich die Natur das Muster so perfekt ausgedacht hat, dass kein Modehersteller es wirklich versauen kann. Leo kennt keine Altersgrenzen, weder nach unten noch nach oben: Hier eine Studentin mit getupften Beinen auf einem Fahrrad, da eine ältere Dame mit Miezenprint auf einer Parkbank. Auf einem Arm schläft ein Kleinkind mit Leo-Leggins.
Überhaupt: Was soll man sonst tragen? Blümchen? Zu lieb. Streifen: zu gewöhnlich. Pünktchen: zu mädchenhaft. Leo aber ist die Alltags-Verwegenheit, die man sich leistet, wenn man eben neues Klopapier kaufen will. Ein Muster, das man sich überstreift, um sich einen Hauch Debbie Harry zu verleihen, ohne je in einer Rockband gespielt zu haben.
Das Leopardenmuster an den Beinen sendet eine Botschaft, die ganz und gar nicht subtil ist: Auch in mir schlummert eine wilde Seite.
Kollektives Fauchen: Was der Hosentrend über Schwesternschaft verrät
Es gab eine Phase, irgendwann in den 2010er Jahren in der jede, wirklich jede Frau ein Tuch oder einen Schal mit Leopardenprint um den Hals trug. Ich fand das verhuscht. Und mache heute nichts anderes als sie.
Es wäre ein Leichtes, argwöhnisch auf andere Frauen zu schielen, sie auf Fehler zu scannen. Einen Wem-steht-es-besser-Vergleich im Kopf abzuspulen. Man könnte sich aber auch freuen, eine Sache gemeinsam zu haben. Sich anschnurren, statt anzufauchen. Die Leo-Hose ist mehr als ein Textil. Sie ist ein Statement. Wir, in der Wildkatzen-Mädchen-Uniform gegen das Patriarchat – wo sind eigentlich die ganzen Männer im getupften Print?
Wir fahren die Krallen aus, wenn nötig. Ein Hoch auf die wilden Tiere in uns! Nur das Zebra kann seine Streifen für sich behalten. In denen sieht wirklich kein Mensch gut aus. Außerdem: Wer will schon ein Beutetier sein?