Probleme der Landespolizei: Polizeigewerkschaft: „De facto sind wir überlastet“

Immer mehr Aufgaben und zu wenig Personal – das beklagt der führende Polizeigewerkschafter des Landes. Erwartungen der Bevölkerung könnten nicht erfüllt werden. Es gibt aber auch Positives.
Der Anteil der Landespolizisten in Mecklenburg-Vorpommern mit mehr als 40 Überstunden auf ihrem Konto ist zuletzt etwas kleiner geworden. Laut aktuellen Zahlen des Schweriner Innenministeriums war es Ende 2024 etwa jeder dritte Beamte.
Aber genau lassen sich die Überstunde aus der Statistik nicht ablesen. Das kritisierte Christian Schumacher, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „De facto sind wir überlastet, de facto haben wir kein Personal.“
2017 wurden Jahresarbeitszeitkonten und Ampelphasen zur Erfassung der Überstunden eingeführt worden. „Das Positive ist, durch das Arbeitszeitkonto haben wir eine höhere Flexibilität“, erklärte Schumacher.
Am 31. Dezember 2024 waren die Stände bei rund 1.700 Beamten gelb, was ein Guthaben von mehr als 40 und bis zu 80 Stunden bedeutet. Rot war der Stand mit mehr als 80 Stunden demnach bei rund 290 Beamten. Der Anteil der Beamten mit gelben oder roten Arbeitszeitkonten zusammen betrug den Angaben des Innenministeriums zufolge Ende 2024 33,9 Prozent nach 35,7 Prozent Ende 2023.
Mehrarbeit durch Sonderlagen
Überschreitet der Stand eines Arbeitszeitkontos 120 Stunden können Beamte zu weiteren Stunden verpflichtet werden. Etwa bei Sonderlagen. Diese haben laut einer früheren Mitteilung des Ministeriums im vergangenen Jahr für mehr als 2.400 Stunden Mehrarbeit bei den Beamten in gesorgt.
Großereignisse waren laut Ministerium etwa auf die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit im Oktober 2024 in Schwerin und die Fußball-Europameisterschaft. Zwar fanden keine Spiele in Mecklenburg-Vorpommern statt, aber Beamte aus dem Nordosten seien unterstützend in anderen Bundesländern im Einsatz gewesen.
Schumacher nannte auch den Personenschutz für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als Bereich, in dem Mehrarbeit entstehe. „Schwesig war ja Bundesratspräsidentin. Da hatten wir sehr viele Reisen nach Berlin.“ Auch Spezial- und Mobileinsatzkommandos kämen klassischerweise verstärkt auf Mehrarbeit, da diese Spezialisten schwer zu ersetzen seien.
Personal-Zielmarke bislang nicht erreicht
Laut Innenministerium arbeiteten mit Stand 1. Januar 2025 insgesamt 5.935 Menschen bei der Landespolizei, davon 4.923 Beamte im Polizeivollzugsdienst und 1.012 Menschen in anderen Bereichen, wie etwa der Verwaltung. 2024 betrug die Gesamtzahl demnach 5.956, 2023 waren es 5.880 und im Jahr zuvor 5.851.
Anfang dieses Jahres seien 209 Stellen im Polizeivollzugsdienst und 39 Stellen in anderen Bereichen unbesetzt gewesen. Die meisten Stellen, nämlich 70, waren demnach im Streifendienst unbesetzt. Hier gebe es auch die meisten Dienstposten.
Schumacher sagte, man warte weiterhin auf das Erreichen des von der Politik gesteckten Personal-Ziels. Schon vor der aktuellen Legislaturperiode war in einem Pakt für Sicherheit von rund 6.200 Planstellen die Rede. Auch die aktuelle rot-rote Regierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu bekannt.
„Fakt ist, dass die Zahl nicht erreicht wird. Über die Gründe darf man gerne spekulieren“, kritisierte Schumacher. Innere Sicherheit scheine seiner Meinung nach kein Schwerpunktthema für Schwesig zu sein.
Präsenz schwierig im Flächenland
„Wenn Sie mit der Bevölkerung reden, haben sie immer die Erwartung einer höheren Präsenz der Polizei“, sagt Schumacher. Diese Erwartung könne man nicht erfüllen. „Es gibt Regionen, da sehen Sie wahrscheinlich den Weihnachtsmann oder den Osterhasen öfter als einen Streifenwagen. Das ist so“, konstatierte Schumacher.
MV sei ein dünn besiedeltes Land. Selbst wenn es je Einwohner rechnerisch viele Beamte gebe, seien es je Quadratkilometer wenige. „Anders als beim Rettungswesen, wo Sie gesetzlich vorgeschriebene Durchschnittszeiten leisten müssen, bis ein Krankenwagen vor Ort ist, gibt es so etwas im Polizeibereich nicht. Wir priorisieren“, erläutert Schumacher. Das könne dazu führen, dass Bürger im ländlichen Bereich durchaus bei einem Verkehrsfall stundenlang warten müssen.
Mehr Bewerbungen
Immerhin hat sich die Zahl der Bewerbungen für eine Polizeiausbildung im Land dieses Jahr um 14 Prozent auf 1.383 erhöht. 131 junge Frauen und Männer setzten sich laut Innenministerium in einem Auswahlverfahren letztlich durch.
Die Zahl der Ausbildungsplätze wurde von ursprünglich 125 auf 131 entsprechend erhöht. Ausbildungsstart für den neuen Jahrgang war der 1. August. „Dieses Jahr sieht es relativ gut aus, was die Bewerberzahl angeht und auch, was die Anzahl der geeigneten Bewerber angeht“, sagte Schumacher.
Er warnte aber vor einem gesundheitlichen Raubbau an jungen Kolleginnen und Kollegen, dessen Spätfolgen man nicht absehen könne. Oft heiße es, „ja, die Polizei schafft es ja irgendwie“ – wenn etwa zu einem Hansa-Rostock-Spiel statt einer Hundertschaft nur 70 oder 80 Beamte fahren, erklärt Schumacher. „Und dann schaffen die das auch irgendwie, obwohl eine Hundertschaft eigentlich auch genug zu tun hätte – mit der Folge, dass die überlastet werden. Und dann redet man nicht groß drüber.“
Generationenwechsel und mehr Teilzeit
Teilzeitarbeit ist nach Aussage Schumachers ein zunehmendes Thema, was auch mit jüngeren Kohorten zu tun habe. „Wir sind mitten im demografischen Wandel, haben auch einen Großteil schon vollzogen. Das heißt, ich denke mal, etwa 30 Prozent der Mitarbeiter sind unter 30 Jahre“, erklärte er.
„Wir sind eher eine männlich geprägte Organisation.“ Früher hätten eher Frauen Elternzeit genommen oder arbeiteten in Teilzeit. Mittlerweile täten das auch Männer, um sich um die Familie zu kümmern. „Was auch richtig und gut ist.“ Aber dadurch fehle Personal.
Gleichzeit bekomme die Polizei neue Aufgaben. „Kriminalität wird immer internationaler, wird immer arbeitsteiliger“, schilderte Schumacher. Er verwies zum Beispiel auf ausgeklügelte Betrugsmaschen im Internet, bei denen der Ermittlungsaufwand immens höher sei. Es fielen aber keine anderen Aufgaben weg. Schumachers Vorschlag: Denkbar sei etwa, dass nicht unbedingt die Polizei sich um Menschen, die abgeschoben werden sollen, kümmern müsse.
Zudem könnten mehr Tarifbeschäftigte, also Angestellte ohne Verbeamtung, Aufgaben übernehmen. Nicht alle Tätigkeiten etwa in der Kriminaltechnik oder bei bestimmten Auswertungen müssten von Beamten erledigt werden. In anderen Bundesländern setze man schon stärker auf Tarifbeschäftigte. „Mecklenburg-Vorpommern ist da noch nicht so weit.“