Meinung: Die Schmach hätte sich der Bahnchef sparen sollen

Der Verkehrsminister verkündet den Rücktritt von Bahnchef Richard Lutz. Das Hin und Her war unnötig: Lutz selbst hätte die Reißleine ziehen und gesichtswahrend abtreten können.

Richard Lutz wollte nicht gehen. Noch bis zuletzt hatte sich der Bahnchef an seinen Posten geklammert und gehofft, dass er auch den neuen Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) bezirzen könnte: Lutz stellte sich bei Veranstaltungen oft als der geborene Sanierer der Deutschen Bahn dar und präsentierte erste Erfolge. Bei Schnieders Vorgänger Volker Wissing kam er damit noch durch. Da hatte Lutz die Generalsanierung aus dem Ärmel gezogen: ein revolutionäres Projekt, mit dem die Bahn wiedergutmachen würde, was sie viele Jahrzehnte hatte schludern lassen. Lutz versprach, das Bahnnetz zu kitten, das an allen Ecken und Enden Probleme macht. Mit einer Hau-Ruck-Aktion und sehr viel Geld sollten zügig die schlimmsten 41 Strecken auf Vordermann gebracht werden. Im Versprechen und Verkaufen waren die Bahn und auch Lutz weltmeisterlich. 

Noch ist die Generalsanierung am Anfang, seit kurzem läuft die zweite große Sanierung der Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Das Projekt wird die Infrastruktur der Bahn besser machen. Aber klar ist schon jetzt: Es ist damit nicht getan. Es behebt nur einen Bruchteil der Probleme. Es bleiben die zu große Bahnorganisation mit reichlich Doppelstrukturen, Staus in den großen Bahnhöfen, kaputte Züge, der notwendige Neubau und die zu langsame Digitalisierung. Themen, die Lutz vernachlässigt hat – mangels Geld, aber auch mangels Mut.

Deutsche Bahn: Richard Lutz lieferte schlechte Zahlen

Schnieder hat sich das Drama ein paar Monate angesehen. Und die Hoffnung von Lutz dürfte mit jeder Hiobsbotschaft geschwunden sein. Denn zuletzt wurde alles nur noch schlimmer, die Pünktlichkeit Ende Juli tief im Keller (60 Prozent) trotz erster Korridorsanierung. Die Finanzahlen des ersten Halbjahrs desaströs: Trotz Sparprogramm, dem Verkauf der DB-Logistiktochter Schenker und weiteren Sondereffekten fuhr die DB 760 Millionen Euro Minus ein. 

Er hätte selbst zurücktreten können, den Weg freien machen für einen Neuanfang. Doch den rechten Moment des Rücktritts hat Lutz verpasst. Im Grunde war Lutz, der seit 2017 Bahnchef war, ohnehin längst angezählt: Nachzulesen war das sogar im Koalitionsvertrag, wo schwarz auf weiß steht, dass es im Bahnvorstand personelle Änderungen geben werde. Zuletzt hatten selbst viele Bahn-Leute das Vertrauen in den 61-Jährigen verloren. Sie glaubten nicht mehr, dass er einen Neuanfang schaffen könnte. Die Lokführergewerkschaft GDL hatte die Entlassung des Managers erst kürzlich gefordert. 

Neues Personal, neue Chance

Nun muss eine neue Bahnchefin oder ein neuer Bahnchef den Konzern auf Kurs bringen. Wer das sein wird, ist noch unklar. Die Suche ist eröffnet. Bis dahin führt Lutz die Geschäfte weiter. In jedem Fall muss sein Nachfolger die Bahn wieder verlässlicher und pünktlicher machen, neue Strecken bauen, den Konzern weiter digitalisieren. Und dabei weiter Personal einsparen. Es ist ein Höllenjob für vergleichsweise wenig Geld (2,1 Millionen Euro 2024). Die Bahnorganisation ist ein kompliziertes Gebilde, ein Koloss mit deutschlandweit 220.000 Mitarbeitern, 33.400 Kilometern Gleisen und einem oft unschlüssigen Eigentümer. Denn der Bund hat keine klare Strategie, was er von der Bahn will: Mal sollte die Bahn an die Börse, dann wieder sollte nur die Zahl der Fahrgäste verdoppelt werden. 

Ein Führungswechsel an der Spitze ist jetzt aber auch eine Chance, die Bahn in etwas Besseres zu verwandeln. Von der Witzfigur, über die sich Reisende in aller Welt lustig machen, zu einem Unternehmen, auf das seine Mitarbeiter stolz und mit dem die Fahrgäste gerne unterwegs sind.