Arbeitsmoral der Gen Z: „Meine Regelarbeitszeit liegt so ungefähr bei 16 Stunden“

Ist die Gen Z zu faul? Will wirklich niemand mehr arbeiten? Die RTL-Reportage „Deutschland, stabil?“ geht der Frage nach und schaut sich in der Arbeitswelt junger Menschen um.
„Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“ Die Botschaft, die Bundeskanzler Friedrich Merz’ zur Arbeitsmoral in Deutschland sendet, ist klar: Die Menschen müssen „mehr und vor allem effizienter arbeiten“, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch wie kommt das in der Bevölkerung an? Schließlich wünscht sich laut einer aktuellen Forsa-Umfrage rund die Hälfte der Arbeitnehmenden, die aktuell in Vollzeit arbeiten, lieber eine Teilzeitstelle.
Müssen wir wirklich alle mehr arbeiten? Wir haben mit vier Menschen aus ganz unterschiedlichen Branchen gesprochen und sie um ihre Meinung gebeten. Lesen Sie hier ihre Antworten:
Céline Flores Willers (32), selbstständig
„Vom Bauchgefühl schreit alles: ja! Weil: Ich liebe meinen Job“, sagt die 32-jährige Céline Flores Willers. Sie hat mit Mitte 20 ihr eigenes Unternehmen gegründet, mit dem sie Firmen zu ihrer Linkedin-Präsenz berät. Die selbst ernannte „Business Influencerin“ arbeitet „extrem viel und auch gerne“. „Meine Regelarbeitszeit liegt so ungefähr bei 16 Stunden. Und bis zu 18 Stunden am Tag können es auch mal werden.“ Das würde zwar nicht jeden Tag vorkommen, doch für sie komme es auf die Bereitschaft an. Willers sieht in ihrer Arbeitszeit ein Investment in ihre Zukunft: „Und das zahlt sich langfristig aus.“
Das Unternehmen von Willers funktioniert zu hundert Prozent remote, das heißt, es gibt kein festes Büro. „Wir haben gerade vier Tage mit dem Team auf Mallorca gearbeitet – das findet die Gen Z total geil.“ Im Gegenzug zu dieser Flexibilität erwarte die Gründerin von ihren Mitarbeitenden dann aber die Bereitschaft, auch mal die „Extrameile“ zu gehen.
Céline Flores Willers beschäftigt zwar Menschen in Teilzeit, aber das seien „nicht die Positionen, in denen man Karriere macht, Teams führt, Verantwortung übernimmt.“ Dass viele aus der Generation Z Letzteres ohnehin nicht wollen, findet Willers „problematisch“.
Tunahan (23), Student
Tunahan will nach seinem Studium auf keinen Fall Vollzeit arbeiten
Zur Generation Z, also Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, gehört Tunahan. Er ist 23 Jahre alt, lebt in Aachen und studiert Zahnmedizin. Nach seinem Studium will er auf keinen Fall Vollzeit arbeiten – das weiß er jetzt schon. „Für mich ist es nicht sonderlich wichtig, viel Geld zu verdienen, sondern einfach Erlebnisse zu haben.“ Er hat nach der Schule viel im Schichtsystem gearbeitet, unter anderem in der Pflege: „Mein Leben bestand nur aus essen, trinken, schlafen, arbeiten.“ Er habe dadurch keine Zeit gehabt, sein verdientes Geld auszugeben.
Ein Haus kaufen könne er sich eh nicht, selbst, wenn er in Vollzeit arbeiten würde, sagt Tunahan. „Meine Familie konnte sich früher viel mehr leisten als das, was ich mir heute leisten kann.“ Auf Tiktok spricht er regelmäßig über das Thema Arbeiten. Damit erreicht der Student teilweise Zehntausende Menschen.
Von den Vollzeitbeschäftigten, die in Deutschland lieber Teilzeit arbeiten würden, geben laut einer aktuellen Forsa-Umfrage drei von vier Befragten an, dass Geld der Grund sei, dass sie ihre Arbeitszeit nicht reduzieren. „Wenn ich es mir nicht leisten könnte, würde ich auch nicht Teilzeit arbeiten“, sagt auch Tunahan zu dem Thema. „Es ist halt auch nicht gelogen, dass Zahnmedizin ein gut bezahlter Sektor ist – warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?“
Susanne Nickel (57), Rechtsanwältin
Susanne Nickel findet, wir müssen mehr und effektiver arbeiten
„Ich halte nichts davon, wenn ein junger Mensch anfängt zu arbeiten und sagt: ‚Ich will jetzt gleich Teilzeit arbeiten.’“ Susanne Nickel ist Rechtsanwältin, Beraterin und hat ein Buch über die Arbeitsmoral der Gen Z geschrieben. Nickel findet es problematisch, wenn „wir Arbeit als etwas Schlechtes verstehen“. Es bräuchte „Menschen die anpacken, um wieder mehr Leistung zu generieren in unserem Land“.
Die Gen Z kann sich im Grunde kaum noch etwas aufbauen
Gleichzeitig versteht die 57-Jährige, dass die Gen Z keinen Sinn darin sieht, die Arbeit so hoch zu priorisieren wie früher: „Ältere Generationen konnten sich was leisten, was erarbeiten, konnten sich ein Haus bauen – für junge Menschen hier in München ist es überhaupt nicht denkbar.“ Diese sagten nun „Warum sollen wir dieser goldenen Karotte, die gar nicht mehr existiert, hinterherlaufen?“
Susanne Nickel betont aber auch: „Wenn wir auf den Wirtschaftsstandort Deutschland gucken, dann schmieren wir ja ziemlich ab – da wäre es schon günstig, wenn wir mehr arbeiten. Aber allein mehr arbeiten bringt uns nicht wirklich weiter, wenn wir nicht effektiv arbeiten.“
Line (19), Auszubildende
Line wünscht sich eine Balance aus Arbeit und Freizeit
Line ist 19 Jahre alt und macht gerade eine Ausbildung zur Friseurin – alle zwei Wochen arbeitet sie zusätzlich samstags. Mit der Sechs-Tage-Woche hat sie kein Problem. Und den Stempel, den die Gen Z in der Arbeitswelt trägt, nennt sie „furchtbar“: „Die Aussage, meine Generation sei faul, finde ich falsch.“
Line wünscht sich für ihr Leben vor allem eins: eine gesunde Balance aus Arbeit und Freizeit. „Es wäre falsch zu sagen, eins ist wichtiger, oder ich priorisiere meine Freizeit bzw. ich priorisiere meine Arbeit.“ Sie versteht, dass in ihrer Generation viele Menschen den Wunsch haben, in Teilzeit zu arbeiten. Für sie kommt das jedoch erst mal nicht infrage. „Mit der Einstellung reinzugehen ‚ich arbeite nie Vollzeit‘, finde ich krass.“
Das liege auch an der Art, wie sie arbeitet: „Ich habe immer etwas Fertiges in der Hand, ein fertiges Produkt – ich sehe immer, wenn jemand zufrieden ist, und dieses ganze Feedback gibt mir sehr viel Kraft.“ Solche Momente mit Kundinnen und Kunden, die fühlten sich dann gar nicht mehr so an wie Arbeit.
Was treibt junge Menschen wie Céline, Tunahan und Line an? Und warum setzen sie auf völlig unterschiedliche Arbeitsmodelle? Mehr dazu erfahren Sie in der RTL-Reportage „Deutschland, stabil?“ auf Youtube.
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