Gardasee: Dem Sehnsuchtsort gehen die deutschen Besucher aus

Südtirol stöhnt über Touristenmassen, am Gardasee klagen Gastronomen über Touristenschwund. Vor allem die Deutschen blieben aus, stattdessen kämen zeltende Nordeuropäer.

Zweieinhalb Autostunden trennen sie, geeint sind sie in der Sorge über die Touristen, der Grund für ihre betretenen Mienen aber könnte kaum unterschiedlicher sein: Am berühmten Wanderweg Seceda in den Dolomiten kassiert Landwirt Georg Rabanser fünf Euro „Eintritt“, weil ihm die Besuchermassen die Almen zertrampeln und vermüllen. 140 Kilometer weiter südlich, am Gardasee, beklagt Fabio Pasqualini vom örtlichen Handelsverband hingegen unbelegte Hotelbetten und leere Straßen.

Gardasee – deutsche Sehnsuchtsregion schlechthin

Kein anderes europäisches Land steht wie Italien für Urlaub, Kultur, Sonne und natürlich Essen, wobei sich laut des Tourismusministeriums 75 Prozent der Feriengäste auf nur vier Prozent der Fläche verteilen. Venedig, Florenz, Rom zählen zu den Besuchermagneten, und eigentlich auch alles rund um den Gardasee – zusammen mit Südtirol wohl die deutsche Sehnsuchtsregion schlechthin.

Umso erstaunlicher, dass dort nun die Leute wegbleiben. Und zwar nicht nur die Deutschen, auch Italiener kommen nicht mehr so viele. „Es gibt einen Wandel, mittlerweile kommen mehr Gäste aus Nordeuropa“, sagt Pasqualini, der Zeitung „Corriere del Veneto“. Doch es finde nicht einfach nur ein Nationenwechsel statt, auch die Art des Urlaubens ändere sich.

Statt ein Hotel zu buchen, würden die neuen Gäste, vor allem Dänen und Niederländer, lieber zelten. Und sie blieben eher auf den Campingplätzen, als in die Gassen zum Shopping oder zum Aperitif-Trinken zu kommen, beklagt Pasqualini. Selbst im traditionellen italienischen Urlaubsmonat August gebe es noch haufenweise freie Hotelzimmer.

Eine Familie, vier Pizzas, 100 Euro 

Die Gründe des Rückzugs der Deutschen sind dabei relativ banal. Es ist nicht so, dass sie den Gardasee plötzlich über hätten, es sind wohl vor allem die stark gestiegenen Preise, die die Besucher abschrecken. So rechnet der örtliche Hotelverband vor, dass eine vierköpfige Familie vor ein paar Jahren 50 Euro für eine Runde Pizza ausgegeben habe, mittlerweile aber das Doppelte fällig sei.

Zudem würden die Baustellen auf der wichtigen An- und Abreiseroute über den Brenner die Besucher abschrecken. Um bis zu zwei Stunden verlängert sich durch die Arbeiten die Reise mit dem Auto. „Selbst diejenigen, die einen Zweitwohnsitz haben, kommen also nicht jedes Wochenende hierher“, sagt Pasqualini über die Deutschen.

Besucher-Plus von 30 Prozent

Insgesamt aber dürfte es für Handel und Gastronomie am Gardasee nicht so schlecht aussehen. Denn in den vergangenen zehn Jahren ist der Tourismus dort deutlich gewachsen. An den 23 Ufergemeinden, die in den Regionen Lombardei, Venetien und Trentino-Südtirol liegen, haben seit 2014 die Übernachtungen um 27 Prozent zugenommen. Handelsverbandsvertreter Fabio Pasqualini erlebt die Sache dennoch anders: „Man spricht von ‚Overtourism‘ und suggeriert, dass es überall zu viele Menschen gibt, aber in Wirklichkeit gibt es keinen Andrang.“