Soziales: Hilfe vom Hitzebus – „Für Wasser reicht das Geld nicht“

Viel Wasser trinken gehört zum kleinen Einmaleins während einer Hitzewelle. Für viele Obdachlose ist Wasser dagegen Luxus. In Stuttgart bringt ein Hitzebus Hilfe. Was erleben die Ehrenamtlichen dabei?
Auf dem Börsenplatz in der Stuttgarter Innenstadt brennt die Sonne unerbittlich auf den Asphalt, das Thermometer im Auto zeigt 39 Grad. Wer kann, sucht sich Schatten und hat eine Wasserflasche dabei. Eine Gruppe Obdachlose hat sich in Richtung der U-Bahn-Haltestelle in den Schatten zurückgezogen, Getränke haben die meisten dabei – allerdings kein Wasser, sondern meist Schnaps und Bier.
„Das Geld reicht nicht, um auch noch Wasser zu kaufen“, sagt eine jüngere Frau. Ihren Namen will sie nicht nennen – aber trotzdem von ihrer Lage erzählen. Sie sei abhängig und brauche deswegen täglich Alkohol. „Ich habe noch drei Euro in der Tasche. Davon kaufe ich mir Bier und kein Wasser“, sagt sie. Die Helfer des Stuttgarter Hitzebusses begrüßt sie an diesem heißen Tag überschwänglich. „Die sind voll wichtig für uns.“
Willi Glück und Janine Funk verteilen Wasser, Apfelschorle und Kekse und haben in ihren roten Beuteln auch Sonnencreme dabei. Der 25 Jahre alte Student und die 34 Jahre alte Projektmanagerin sind an diesem heißen Tag in Stuttgart mit dem Hitzebus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Einsatz. Steigt das Thermometer in der Landeshauptstadt über 30 Grad, ist das orange beklebte Fahrzeug in der größten Mittagshitze unterwegs und bringt Getränke, Mützen und auch Snacks zu Obdachlosen und anderen Bedürftigen.
Im Sommer kommt der Hitzebus, im Winter der Kältebus
Der Bus ist das Pendant zum Kältebus im Winter, mit dem Ehrenamtliche in besonders kalten Nächten die Lager der Obdachlosen abfahren und ihnen Isomatten, Schlafsäcke, Decken und heißen Tee bringen. Außer in Stuttgart gibt es Hitzebusse auch in Berlin, Hamburg und Freiburg. „Kältebusse gibt es häufig, Hitzebusse kommen erst langsam“, sagt Projektleiterin Carolin Götz vom DRK Kreisverband Stuttgart. Generell würden die gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze noch immer sehr unterschätzt.
Unter einer Brücke im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt liegt ein Mann auf den abgenutzten und fleckigen Matratzen, er döst. Willi weckt ihn auf und gibt ihm eine Flasche Wasser, eine Flasche Apfelschorle und einige Snacks. Auch für die Bewohner der anderen Matratzen lassen die beiden Wasser da. Der Mann bedankt sich höflich und wünscht noch einen schönen Tag.
Überhaupt schwappt Willi und Janine bei ihrem Einsatz in den heißen Mittagsstunden viel Dank und Freude entgegen. Eine ältere Dame, die in einem Park auf einer Bank sitzt, schaut zunächst grimmig, als Willi sie anspricht. Als der Helfer ihr eine Wasserflasche anbietet, hellt sich ihr Gesicht auf – bei der Verabschiedung wirft sie dem Studenten sogar einen Luftkuss zu. Eine Gruppe, die wenige Meter weiter entfernt mit Bier und kleinen Schnapsflaschen lagert, hat die Helfer schon erwartet und dankt für das Wasser. „Danke für Ihr Engagement“, sagt ein Mann zu Janine. „Hut ab, dass ihr das macht.“
Diese Dankbarkeit erleben die Helfer bei jedem ihrer Einsätze, erzählen Willi und Janine. Es komme aber auch zu Begegnungen, die ihnen zu denken geben. An einem anderen Tag sieht Janine einen Mann nahe dem Schlossplatz im Stuttgarter Zentrum liegen und bietet ihm Wasser an. Der Mann habe dann zunächst abgelehnt und verschämt zu den um ihn herum sitzenden Menschen geblickt. „Dann hat mir ganz leise zugeflüstert, dass er obdachlos ist und sich Wasser nicht leisten kann“, erzählt die 34-Jährige.
Helfer: „Das macht einen schon nachdenklich“
„Das macht einen schon nachdenklich“, sagt Willi. „Etwas Wasser bei Hitze ist ja das absolute Minimum und trotzdem haben die Menschen eine Zurückhaltung, das anzunehmen. Das tut mir schon leid“, sagt der Student. Er zieht aber auch viel Positives aus seinem Engagement beim Hitzebus. „Jeder hat seine Vorurteile über Obdachlose – wenn man dann mit denen spricht, sind die aber oft nett“, erzählt er.
Janine gibt das Engagement beim Hitzebus auch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Sie mache ihren Job sehr gerne, erzählt die Projektmanagerin. Aber der soziale Aspekt fehle ihr dabei ein wenig. Für die Tour durch das heiße Stuttgart hat sie extra einen Urlaubstag genommen.