Gesundheit: Versorgt eine Häppi-Hausarztpraxis Patienten besser?

Immer mehr Hausärzte fehlen, Praxen sind überlastet. Ein Pilotprojekt mit dem vielversprechenden Namen Häppi soll das ändern. Ein Praxis-Besuch – und verschiedene Bewertungen.

In der Hausarztpraxis von Alexander Gindi in Hachenburg ist es ungewöhnlich still. Kein dauerndes Telefonklingeln unterbricht die Gespräche am Empfang. Ein Grund: Seit wenigen Tagen nimmt eine Künstliche Intelligenz die Anrufe der Patientinnen und Patienten entgegen.

„Das ist ja kein klassischer Anrufbeantworter“, sagt Gindi. „Wenn ich sage, ich habe jetzt eine starke Erkältung, kriege ich einen Termin in der Notfallsprechstunde angeboten. Wenn ich sage, ich brauche ein Rezept, kriege ich das auch. Ein Rückruf ist auch möglich.“ Anrufe würden in Ruhe abgearbeitet. „Das ist aber ein ganz anderes Arbeiten, als wenn ich immer von diesem klingelnden Telefon geärgert werde.“

Pilotprojekt soll Ärzte und Ärztinnen Häppi machen

Die Praxis in Hachenburg nimmt an der Pilotphase von Häppi teil. Das steht für: Hausärztliches Primärversorgungszentrum, Patientenversorgung Interprofessionell. Das Pilotprojekt läuft für sechs Monate. 

Hinter dem Wortungetüm steht eine einfache Idee: Hausärztinnen und Hausärzte sollen von digitalen Helfern und Fachpersonal entlastet werden und sich auf ihre tatsächlichen Aufgaben konzentrieren können. Für Patientinnen und Patienten soll es mehr Zeit, weniger Warten und bessere Versorgung geben.

„Und die Patienten sind total happy“

„Wir müssen modernere Strukturen finden, mit moderner Organisation“, sagt Gindi, der auch Facharzt für Innere Medizin ist. In seiner Praxis arbeitet eine PCM – eine Fachkraft mit einem Abschluss in „Primary Care Management“. 

Katharina Fuhrmann hat den Abschluss seit Anfang des Jahres. Chronisch kranke Menschen, die Infektionssprechstunde, Wundbetreuungen und mitunter Altenheimbesuche fallen jetzt in ihren Aufgabenbereich. 

„Wir haben das aber eigentlich relativ gut publik gemacht, dass ich das Studium gemacht habe und was ich jetzt darf“, sagt sie. „Und die Patienten sind total happy.“ Sie habe auch etwas mehr Zeit für die Patienten. Gindi spricht von einer deutlichen Entlastung.

App, KI, Anmeldeterminal

Er sei ein Fan davon, die Fähigkeiten im Team zu nutzen. „Dem Team macht das ja auch nur so Spaß.“ Eine Mitarbeiterin habe eine psychologische Ausbildung, eine andere sei Rettungssanitäterin, die PCM sei gelernte Krankenschwester und habe jahrelang in der Notaufnahme in der Chirurgie gearbeitet. 

Digitalisierung ist dem Hausarzt schon lange sehr wichtig: Es gibt eine eigene App für Termine, Rezepte, Befunde und Videosprechstunde, eine KI als Termin- und Servicemanager, eine papierlose Praxis, ein digitales Anmeldeterminal am Empfang. Von Häppi erhoffe er sich, dass seine Praxis auch wissenschaftlich evaluiert werde und er wisse, wo es noch Verbesserungsbedarf gebe, sagt er. 

Hausärzteverband ist von Häppi voll überzeugt 

„Häppi ist für mich ganz persönlich nicht nur irgendein Projekt oder Konzeptvorschlag, sondern eine Herzensangelegenheit, von deren Zukunftspotenzial ich zutiefst überzeugt bin“, sagt die Landesvorsitzende des Hausärzteverbands, Barbara Römer. Sie sei sehr froh, dass sieben Praxen bei dem Pilotprojekt mitmachen können, zwei mehr als zunächst geplant. 

„Diese sieben Praxen sind Vorbilder für uns alle“, betont die Allgemeinärztin. Sie seien trotz noch nicht ausgereifter Rahmenbedingungen bereit, „auf diesem innovativen Weg voranzugehen und diesen im wahrsten Sinne des Wortes für uns begehbar zu machen“. 

Minister Hoch sieht patientenzentrierte Hausarztmedizin

Für Gesundheitsminister Clemens Hoch setzt Häppi neue Maßstäbe für eine moderne, effiziente und patientenzentrierte Hausarztmedizin. „Durch die Verteilung von Routineaufgaben und delegierbaren Aufgaben auf mehrere Schultern gewinnen Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für ihre Kernaufgaben. Patientinnen und Patienten profitieren davon“, sagt der SPD-Politiker. 

Teamarbeit, gezielte Delegation und digitale Unterstützung verbesserten die Arbeitsbedingungen, steigerten die Versorgungsqualität. Während der Pilotphase würden wertvolle Erfahrungen gesammelt, um Erfolgsfaktoren und Herausforderungen für eine nachhaltige Umsetzung zu identifizieren. 

KV hält zunehmende Akademisierung für falsch

Gerade in der hausärztlichen Versorgung würden neue Versorgungsmodelle gebraucht, stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fest. Und Häppi biete Hinweise, inwieweit Delegation ärztlicher Leistungen und Teamstrukturen die zu erwartenden Versorgungsengpässe kompensieren können. 

„Kritisch sehen wir jedoch die zunehmende damit verbundene Akademisierung des Praxispersonals“, sagt KV-Sprecherin Julia Lampferhoff. Anstelle eines Studiums sei es mit Blick auf die Kosten sinnvoller, gut ausgebildete medizinische Fachangestellte weiterzuqualifizieren.

Auf Mangelsituation im Land sind Teampraxen die einzige Antwort 

Dagegen sind nach Einschätzung von Martin Schencking in der „angespannten Versorgungssituation“ im Rhein-Lahn-Kreis solche akademischen Gesundheitsberufe und Teampraxen notwendig. Der niedergelassene Allgemeinmediziner und Internist aus Bad Ems mit drei Standorten im Kreis macht ebenfalls bei dem Pilotprojekt mit. 

Seit 2023 arbeite seine Frau nach einem dreijährigen Studium als Physician Assistant mit. Ausgebildete Fachkräfte wie sie kümmerten sich vor allem um chronisch kranke Menschen. Sie übernehmen Hausbesuche im Pflegeheim, messen Blutdruck und Blutzucker, versorgen Wunden oder überprüfen den Impfstatus, wie Schencking berichtet. 

Auch er setzt auf Digitalisierung: Statt langer Warteschleifen geht gleich Chatbot „Peter“ ans Telefon. „Unsere älteren Damen mögen Peter sehr und haben ihn auch schon mal zu einem Gläschen Sekt eingeladen“, erzählt Schencking.