Popmusik: Taylor Swift ist raus, Sabrina Carpenter übernimmt

Sabrina Carpenter stößt mit ihrem neuen Album in eine Lücke: Während Taylor Swift bald heiraten wird, singt sie über gescheiterte Beziehungen und doofe Ex-Freunde.
An Popstars hängen Erwartungen. Sie sollen Vorbild und Projektionsfläche sein, möglichst unverstellt und eindeutig zugleich. Die Sängerin Sabrina Carpenter weiß, dass das unmöglich ist: „Ich habe das Gefühl, dass Frauen noch nie so sehr unter die Lupe genommen worden sind wie jetzt.“
Sabrina Carpenters neues Album sorgte für Wirbel
Über kaum etwas in der Popwelt wurde zuletzt so viel diskutiert wie über Carpenters Album „Man’s Best Friend“ – wegen des Covers. Sie kniet darauf in einem kurzen schwarzen Kleid vor einem Mann im Anzug, der eine Strähne ihres blonden Haars in der Hand hält. Zu lasziv, gar unfeministisch sei diese Darstellung, Carpenter würde „Gewalt normalisieren“ und „Frauen entmenschlichen“, hieß es in den Kommentarspalten der sozialen Medien.
Doch wer das Album hört, merkt schnell: Alles ist noch nicht mal halb so wild. In Carpenters Songs geht es um Männer, die sie enttäuscht haben. Sie besingt sie mit einer Ironie, die man schon von ihrem bisher erfolgreichsten Album kennt. Das nannte sie passend zu ihrer Größe von 1,52 Metern „Short n’ Sweet“, und es klang wie eine Folge von „Sex and the City“. Fröhlich-spöttisch breitete sie darauf ihr Liebesleben aus. Dazu räkelte sie sich in Lingerie und blinkenden Korsetts. Mal wollte sie erscheinen wie Marilyn Monroe, dann wiederum spickte sie ihre Auftritte mit Referenzen an Madonnas „Material Girl“. Es ging um Spaß, Sex, gelegentlichen Frust – eine Ode an das unbeschwerte „Situationship„-Leben.
Dafür erntete Carpenter nicht nur Lob: Ob es ihr Ernst sei, sich derart „gestrig“ zu präsentieren, wurde sie wegen ihrer Bühnenshow gefragt, die in den USA von manchen Eltern als jugendgefährdend empfunden wurde. Carpenter reagierte lässig auf die Kritik an ihrem Hit „Juno“, in dem sie Sexstellungen veranschaulicht („Habt ihr die schon mal ausprobiert?“). Sie sagte: „Offensichtlich liebt ihr Sex. Ihr seid davon besessen.“
Carpenter kommt nicht so tiefgründig und dramatisch wie Billie Eilish daher, und natürlich sucht das Internet stets nach Kontroversen, über die man diskutieren kann. Carpenter hat verstanden, dass Provokation sich auszahlt. Vielleicht, weil sie schon früh darüber nachgedacht hat, auf welche Weise sie Karriere machen könnte.
Die Anfänge der Sabrina Carpenter
Sabrina Carpenter kam 1999 in Quakertown, Pennsylvania, zur Welt. Sie wurde 2014 durch die Disney-Serie „Girl Meets World“ in den USA bekannt. Fast zeitgleich veröffentlichte sie ihr Debütalbum „Eyes Wide Open“. Der internationale Durchbruch gelang ihr 2024, auch befeuert dadurch, dass sie als Opener für Taylor Swift bei deren „Eras„-Tour auftrat. Das Album „Short n’ Sweet“ gewann zwei Grammys und wurde mehr als 8,2 Milliarden Mal auf Spotify gestreamt.
Mit „Man’s Best Friend“ kommt nun ihr erstes Album, das sie im Status eines Superstars aufgenommen hat. Für ihre Fans ist Carpenter die neue „Queen of Pop“. Die alte Königin, Taylor Swift, verarbeitete lange Zeit Beziehungen und Ex-Partner in ihren Songs. Swift aber meint nun, mit Travis Kelce den Mann ihres Lebens gefunden zu haben. Es scheint, als könne Carpenter die Pop-Sparte „Liebe und Trennungen“ von ihr übernehmen.
Auf dem neuen Album singt Carpenter auch davon, wie sie sich nach einer Trennung allein gefühlt und ihre Traurigkeit in Alkohol ertränkt hat. Ob sich dabei ihre Ex-Freunde Shawn Mendes oder Barry Keoghan angesprochen fühlen sollen?
Man hätte von ihr noch bissigere Texte erwartet, die dem strategisch-provokanten Cover gerecht werden. Obwohl sie eine erfolgreiche und emanzipierte Frau ist, steht Carpenter vor einem Problem, dem viele Frauen ausgesetzt sind: der Diskrepanz zwischen selbstbestimmter Sexualität und dem Drang, gefallen zu wollen. Ihren Texten zufolge hat sie einen Hang zu emotional unreifen Männern. „Ich schwöre, sie suchen mich aus“, singt sie auf „Manchild„.
Interessante Ambivalenz
Carpenter hat sich selbst nie als Vorzeige-Feministin stilisiert, sie wurde vielmehr von der geneigten Öffentlichkeit dazu gemacht. Verständlicherweise sehnen sich Menschen in Zeiten einer US-Regierung, die einen Kampf gegen alles angeblich Woke führt, nach feministischen Vorbildern. Doch bei Carpenter sind sie damit vermutlich an der falschen Adresse. Sie deckt zwar patriarchale Muster auf, unterwirft sich ihnen aber zugleich. Gerade diese Ambivalenz macht sie interessant.
Darin lässt sich wahlweise ein geschicktes Spiel mit Stereotypen entdecken – oder doch die banale Sehnsucht nach Bestätigung. Sicher ist: Sabrina Carpenter hat verstanden, dass Pop die größte Wirkung entfaltet, wenn er uns mit unseren eigenen Widersprüchen konfrontiert.