Umstrittene Comedy-Legende : Palim-Palim oder doch plem-plem? ARD ehrt Dieter Hallervorden mit einer Doku

Am 5. September wird Dieter Hallervorden 90. Die ARD widmet ihm dazu eine große Doku – über seine Erfolge und den ewigen Kampf um Anerkennung, aktuelle Kontroversen inklusive.
Es sind oftmals die kleinen Details, an denen sich der rasante Fortlauf der Zeit am besten nachfühlen lässt. Wer kennt den Zusammenhang, fragt etwa ein Facebook-Meme, und zeigt Musicassette und Bleistift. Was ist ein Abspann, ließe sich genauso gut fragen. Das Ding, was man wegklickt, würde die Antwort lauten, um gleich die nächste Folge einer angesagten Serie anzuschauen, zu streamen. Zu bingen. Vor 50 Jahren wäre die Antwort eine andere gewesen. Abspann, das ist der Schlussteil eines Films oder einer Serie. Und wenn man den, so wie damals Dieter Hallervorden, etwas schneller laufen lässt, dann ist noch Platz für einen „gespielten Witz“.
So geschehen bei „Nonstop Nonsens“, allein der Titel wie eine Vorwegnahme des zeitgenössischen Bingens, des Nie-aufhören-wollens, des Immer-weiter, immer noch eine Episode. Noch eine Grimasse. Ein Gag. Oder eben: Noch ein Sketch, Verzeihung, ein gespielter Witz. Dass der Erschaffer selbst über diesen Witz irgendwann gar nicht mehr lachen konnte, ihm vielmehr entfliehen wollte, auch davon erzählt die neue ARD-Doku „Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt“, ebenso wie davon, dass die Pointen ihm zuletzt zuweilen verrutschten.
Dieter Hallervorden: 90 Minuten für 90 Jahre
Gerade hat sich Helge Schneider zum 70. Geburtstag mit einer selbstgedrehten Hommage beschenkt, da steht mit Didis 90. bereits das nächste Fest ins Haus. Das Genre ist dasselbe, die Herangehensweise eine deutlich andere. Während Schneider eine mal nostalgische, dann wieder herrlich quatschige Collage montierte, ist dies formal eher konventionell angelegt, mit alten Film-Ausschnitten und Zeitgeschehen, TV-Schnipseln und Schlagzeilen, kommentiert von Hallervorden persönlich, von seinen Kindern Nathalie und Johannes, der Agentin Claudia Neidig, dazu einiges an Weggefährten, Kolleginnen und Kollegen, darunter die Spielpartner Harald Effenberg und Frank Lüdecke, Hallervordens langjähriger Maskenbildner Roland Krämer, Produzent Wolf Bauer, Katharina Thalbach, Otto Waalkes natürlich, der große Konkurrent von einst – und eben Helge Schneider.
90 Minuten für 90 Jahre, das klingt erst einmal überschaubar, der Film jedoch füllt jede einzelne mit sehenswertem Stoff. Der Film öffne Türen, „die bisher verschlossen waren“, so heißt es von Seiten der ARD. Die biografische Reise führt zurück in die Tage des Zweiten Weltkrieges, an den Hallervorden, Jahrgang 1935, sich noch intensiv erinnert. In die DDR, der Hallervorden entflieht, erstmals auch auf seine private Insel in der Bretagne. Und in die Schatzkammern deutscher Entertainment-Historie mit massig Ausschnitten aus Show und Talk, Serie und Kinofilm: „Nonstop Nonsens“ und „Didi, der Doppelgänger“, aber eben auch „Das Millionenspiel“, dieses visionäre Stück TV-Geschichte, die preisgekrönten Filme „Sein letztes Rennen“ (2013) und „Honig im Kopf“ (2014) – Spätwerke, die für Hallervorden, der Jahrzehnte versucht hatte, dem Image des ewigen Didi zu entfliehen, vor allem eines bedeuteten: Genugtuung.
Umso rätselhafter, dass er gerade diese Momente zum Teil selbst sabotiert. In Österreich etwa, wo ihm für die Rolle des dementen Amandus Rosenbach der Filmpreis Romy verliehen wird – und Hallervorden in seiner Dankesrede davon spricht, die Trophäe „heim ins Reich“ zu holen. Wo ist der Abspann, wenn man ihn am nötigsten braucht? Je länger der Film läuft, umso mehr stellt sich beim Zuschauer die Frage, wo er wohl abbiegt, Richtung versöhnliches Ende etwa? Die Stärke liegt darin, dass er eben das nicht tut, sondern auch die Verwerfungen der letzten Jahre thematisiert, ohne sie vollends auszudeuten und zu bewerten.
Kein nostalgischer Rückblick
„Mein Vater ist in bestimmten Dingen für mich Vorbild. In seinem Enthusiasmus für neue Projekte, in seiner Disziplin, diese Projekte entsprechend anzugehen“, erzählt Sohn Johannes, macht aber gleichzeitig klar: „Ich habe auch gelernt, wie man es nicht macht.“ Dieter Hallervorden schreibt ein Gedicht über den Gaza-Konflikt und spricht darin von Völkermord. „Ich persönlich finde den Nahostkonflikt so derartig komplex, dass ich mir persönlich nicht anmaße, eine so radikale Meinungsäußerungen von mir zu geben“, kommentiert Johannes Hallervorden.
Nicht die einzige Kontroverse, die Hallervorden senior auslöst. Zur 75-Jahr-Feier der ARD schlüpft er noch einmal ins Kostüm des Strafgefangenen in seinem berühmtesten Sketch. Schieres Entsetzen, als er erst das N-Wort und dann auch noch das Z-Wort droppt. Palim-Palim – oder doch plem-plem? „Er muss das machen. Er will einmal mit der Faust auf den Tisch hauen“, kommentiert ein ernster Helge Schneider. „Dafür muss man so Leuten dankbar sein, auch wenn das vielleicht nicht jedem gefällt.“
„Hallervorden“ sei kein nostalgischer Rückblick, sondern eine Doku, „über einen Mann, der bis heute nicht aufhört, sich zu reiben – an der Welt, an der Gesellschaft, an sich selbst“, schreibt der WDR. Ein Film, der aufzeige, warum „Dieter Hallervorden zu dem wurde, was er ist – und warum er bis heute so geliebt und doch gemieden wird.“ Ungewöhnlich für eine Geburtstags-Hommage, und gerade deswegen überaus sehenswert, schneller Abspann hin, Palim-Palim her.
Die Doku „Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt“ wird am 1. September um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.