Tierwohl: Alternative zum Tod: Gnadenhöfe in Thüringen

Sie ermöglichen Kühen, Bären und anderen Tieren ein würdevolles Altern – für die Gnadenhöfe selbst ist das Überleben aber eine ständige Herausforderung.
Ob Alter, Krankheit oder Traumatisierung: Es gibt viele Gründe, warum Tiere von ihren ursprünglichen Besitzern abgegeben werden. Für diese Tiere ein dauerhaftes Zuhause zu finden, das wollen Gnadenhöfe im Freistaat. „Tiere zu retten, ist vergleichsweise leicht. Sie auf ihrem weiteren Weg zu begleiten und dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht, ist eine große Aufgabe“, fasst Mariela Baca von „Happy Kuh“ zusammen. Der Verein hat sich auf den Schutz von Kühen spezialisiert.
Samantha Weber erklärt für den Landestierschutzverband Thüringen, Gnadenhöfe seien einerseits absolut nötig, weil viele alte, kranke oder traumatisierte Tiere von herkömmlichen Tierheimen nicht vermittelt und nur schwer artgerecht gehalten werden könnten. Gnadenhöfe gebe es für viele Tierarten, von Haustieren wie Hunden, Katzen oder Kaninchen über wirtschaftlich genutzte Tiere wie Rinder, Schweine oder Hühner bis hin zu Wild- und Zootieren wie Raubvögeln oder Bären oder Exoten.
Problem Definition
Derlei Einrichtungen würden meist von Privatpersonen, Vereinen oder Stiftungen betrieben, so Weber. Die Finanzierung erfolge in der Regel vor allem durch Spenden – mit entsprechenden Unwägbarkeiten. Wie viele solcher Einrichtungen es genau im Freistaat gibt, ist unklar. Da dieser Titel nicht im Tierschutzrecht definiert ist, haben weder der Landestierschutzbund noch das Thüringer Gesundheitsministerium einen aktuellen Überblick.
Problem Platzmangel
Bei „Happy Kuh“, sei der Platzmangel das aktuell größte Problem, so Baca. Weil auf den bestehenden Flächen künftig als Ausgleichsmaßnahme für einen Windpark Bäume gepflanzt werden sollten, sei der Verein derzeit händeringend auf der Suche nach neuen Weideflächen. Da Landwirte beim Kauf solcher Flächen Vorrang hätten, sei die Suche bisher erfolglos, die Zukunft des Projekts mit derzeit 19 Kühen verschiedener Altersstufen ungewiss. Neue Tiere könnten deshalb aktuell nicht aufgenommen werden.
Problem Finanzierung
Auch die vermutlich bekannteste Einrichtung dieser Art in Thüringen, der Alternative Bärenpark Worbis, kennt die Herausforderungen des täglichen Betriebes. Aktuell hätten in Worbis neun Bären und je zwei Luchse und Wölfe eine Heimat gefunden, zählt Sprecher Christopher Schmidt auf. Hinzu kämen Kleintiere wie Meerschweinchen, Kaninchen oder Wellensittiche.
Trotz des hohen Bekanntheitsgrades sei ein Betrieb ohne Spenden und andere Zuwendungen von Bürgern unmöglich, erklärt er. Da es sich beim Bärenpark um kein staatliches Tierheim handele, gebe es für die Arbeit keine finanziellen Hilfen vom Land. Erst kürzlich sei zumindest eine Kooperation, um Wildtiere wieder auszuwildern, zustande gekommen.
Problem Zucht
Aktuell sei der Park an seinen Kapazitätsgrenzen und könne trotz eines hohen Bedarfs keine weiteren Tiere aufnehmen. Zudem mangele es an für die Arbeit mit Raubtieren ausgebildeten Tierpflegern. Dass sich der Bedarf mit der Zeit verringere, sei kaum zu erwarten, schätzt Schmidt. Er verwies etwa auf Nachzüchtungen in Zoos. Manche Tierschützer argumentieren, dass Zoos zwar Zucht betrieben, aber längst nicht immer Platz für alle so geborenen Tiere hätten. „Ein wichtiger Schritt neben einer finanziellen Unterstützung durch die Politik wäre daher ein Eindämmen der Zucht“, fordert Schmidt.
Zudem müsse auch Deutschland sogenannte Positivlisten für bestimmte Tierarten einführen, wie es in vielen anderen europäischen Ländern bereits gehandhabt werde. Eine solche Liste würde festlegen, welche Tierarten für den Handel und die Privathaltung geeignet sind, anstatt wie bisher nur die Haltung bestimmter Tierarten zu untersagen.
Problem Schwarze Schafe
Unseriöse Anbieter erschweren derweil die Arbeit von Gnadenhöfen. Erst im Juli hatte der Fall eines Vereins aus Gera für Schlagzeilen gesorgt, der mutmaßlich über Jahre hinweg gegen Tierschutzauflagen verstoßen hatte. „Schwarze Schafe erkennt man an mangelnder Transparenz, schlechter Pflege oder fehlender Fachkompetenz“, so der Landestierschutzverband. Bürger können durch Besuche, Nachfragen und im Zweifelsfall durch Meldungen an das zuständige Veterinäramt dazu beitragen, dass solche Gnadenhöfe entdeckt würden. Auch Veterinär- und Finanzämter könnten zur Aufdeckung beitragen.