Kurz erklärt: So funktioniert eine Standseilbahn – und das sind mögliche Probleme

Noch steht die Ursache des Standseilbahn-Unglücks in Lissabon nicht fest. Aber wie funktioniert so eine Bahn überhaupt und was könnte das Unglück ausgelöst haben?
Eine Standseilbahn ist im Grunde eine Art Flaschenzug. Anders als bei gewöhnlichen Seilbahnen sind hier keine Gondeln im Einsatz, sondern Waggons auf Schienen. Zwei Waggons hängen an einem Drahtseil, das am höchsten Punkt der Strecke über eine Umlenkrolle läuft. Auf der Strecke verläuft das Seil zwischen den Schienen des Gleises auf Rollen.Die Wagen werden dabei von dem Seil bergauf gezogen und bergab gebremst. Das Gewicht des talwärts fahrenden Waggons hilft, den anderen bergauf fahren zu lassen. Umgekehrt bremst der bergauf fahrende Waggon den bergab fahrenden. Am häufigsten sind Standseilbahnen im Pendelbetrieb auf eingleisiger Strecke. Dank einer Ausweichstelle in der Streckenmitte können beide Fahrzeuge aneinander vorbeifahren.
Der „Elevador da Glória“ fährt in Lissabon auf der Rua da Glória auf Gleisen hin und zurück über eine Strecke von rund 265 Metern und überwindet dabei einen Höhenunterschied von rund 45 Metern. Beide Waggons sind mit Elektromotoren ausgestattet, die sie antreiben, und so konstruiert, dass die Fahrgäste darin aufrecht sitzen können. Die Bahn wurde im Jahr 1885 eröffnet und ist eine der drei historischen Stadtseilbahnen Lissabons. Der „Elevador da Glória“ verbindet den zentralen Platz Praça dos Restauradores mit dem höher gelegenen Stadtteil Bairro Alto. Die Bahn ist heute in erster Linie eine Touristenattraktion, sie wird aber auch von vielen Einheimischen benutzt, denen die Strecke zu Fuß zu steil ist.
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Um kurz nach 18 Uhr Ortszeit (19 Uhr MESZ) war das straßenbahnähnliche Fahrzeug am Mittwoch mit vielen Insassen wieder auf dem Weg nach unten, als es plötzlich von den Schienen abkam, die Straße mit lautem Getöse hinunterrutschte und seitlich gegen ein Gebäude unweit des Platzes Praça dos Restauradores krachte.
Theorien zum Unfall der Standseilbahn in Lissabon
Wie aber ist es zu dem Unglück gekommen? Das untersuchen aktuell die portugiesischen Behörden. Folgende Bauteile könnten das Unglück ausgelöst haben:
Das Seil
Eine Möglichkeit ist, dass das Drahtseil, an dem der verunglückte Waggon hing, gerissen ist. Das würde erklären, warum der Waggon mit hohem Tempo bergab gefahren und in einer leichten Kurve entgleist sein soll. Eventuell hat sich auch die Halterung des Seils am Waggon gelöst oder ist gebrochen.
Von Gewerkschaftsseite wurde über Probleme mit der Spannung auf dem Zugseil der Bahn berichtet, die das Bremsen erschwert hätten. Ob dies die Ursache sein könnte, sei aber noch unklar, sagte ein Gewerkschaftsfunktionär im örtlichen Fernsehen.
Die Bremsen
Eine Augenzeugin sagte einem lokalen TV-Sender, der Waggon sei ungebremst bergab gerast. Sollte die Bahn erst beschleunigt haben und dann entgleist sein, könnte das auf ein Versagen der Bremsen hindeuten. Allerdings: Hätte dann nicht das Drahtseil den Waggon noch halten müssen? Ein Bremsversagen als alleinige Unglücksursache erscheint daher sehr unwahrscheinlich.
Die Schienen
Bei den Schienen der Standseilbahn handelt es sich um eingedeckte Rillenschienen. Eingedeckt bedeutet, dass die Schienen auf derselben Höhe verlaufen wie der Straßenbelag, sodass in den Straßen trotz der Schienen auch Autos und Fahrräder fahren können. Rillenschiene bedeutet, dass die Profile von Schienen und Laufrädern genau ineinandergreifen.
Sollte der „Elevador da Glória“ erst entgleist sein und dann beschleunigt haben, könnten die Schienen eine Unglücksursache sein. Aber auch hier stellt sich die Frage: Warum hat das Seil den Waggon nicht zumindest gebremst?
Die Wartung
Das Unternehmen Carris, das den Nahverkehr in Lissabon betreibt, hat versichert, dass „alle Wartungsprotokolle“ eingehalten worden seien. Demnach erfolgte 2022 die alle vier Jahre fällige Generalwartung und 2024 die alle zwei Jahre vorgenommene Zwischenwartung. Carris-Chef Pedro Bogas räumte am Unglücksort allerdings ein, dass sich bereits seit 14 Jahren ein Subunternehmen um die Wartung kümmere.
Die öffentliche Ausschreibung für eine Sanierung der Seilbahn war einem Bericht des portugiesischen Onlineportals „Eco“ zufolge im August ohne Auftragsvergabe beendet worden, weil alle Angebote zu teuer gewesen seien.
Einen solchen Unfall mit einer der drei Standseilbahnen, die seit dem 19. Jahrhundert betrieben werden, hatte es in Lissabon bisher nicht gegeben.