Bundesweiter Warntag: In Deutschland schrillen wieder die Sirenen – was Sie dazu wissen müssen

Beim Warntag am Donnerstag probt Deutschland den Katastrophenfall. Bürger sollen über Sirenen, Hinweise und Push-Nachrichten informiert werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Stellen Sie sich vor, die Behörden warnen vor einer Katastrophe und keiner bekommt es mit. So ungefähr lief es beim ersten bundesweiten Warntag vor fünf Jahren. Sirenen blieben vielerorts stumm, Warnbenachrichtigungen erreichten die Bürger zu spät oder gar nicht. Christoph Unger, damals Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, musste nach dem Desaster seinen Posten räumen.
Jetzt steht der nächste Warntag an. An diesem Donnerstag soll es besser laufen als damals. Was Sie im Vorfeld wissen müssen, lesen Sie hier:
Wie läuft der bundesweite Warntag ab?
Der bundesweite Warntag findet jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September statt und wird von Bund, Ländern und Kommunen durchgeführt: dieses Mal also am 11. September. Dabei prüfen die Behörden die deutschen Warnsysteme und testen auch, wie Menschen im Katastrophenfall am besten alarmiert werden können.
Um 11 Uhr löst das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) den Probealarm aus. Dieser soll dann über schätzungsweise 38.000 Sirenen zu hören sein. Aber auch per Warn-Apps, Radio- und Fernsehsender sowie über knapp 6600 digitale Anzeigetafeln soll der Alarm verbreitet werden. Um 11.45 Uhr folgt die Entwarnung.
Damit möglichst viele Menschen in Deutschland mitten im Alltag erreicht werden, findet der Probealarm unter der Woche statt.
Parallel dazu startet am Donnerstag um 11 Uhr eine Online-Umfrage, bei der Bürgerinnen und Bürger ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Warnkanälen melden können. Eine Woche lang ist die Umfrage geöffnet.
Wie erreicht die Warnmeldung die Bürger?
Im Vergleich zu anderen Ländern setzt Deutschland beim Katastrophenalarm auf einen Mix an Systemen. Im Katalog des Modularen Warnsystems (MoWas) von Bund und Ländern sind fünf Warnungsarten gelistet. Sie werden zentral, also vom BBK, ausgelöst.
Apps: Bürger können sich mehrere Apps auf ihre Smartphones laden, unter anderem „Nina“. Darüber geben die Behörden beispielsweise Unwetter- und Hochwasserwarnungen auch per Push-Benachrichtigung weiter. Die Apps enthalten auch Notfalltipps und Checklisten für verschiedene Katastrophenszenarien.Radio und Fernsehen: Gefahrenmeldungen geben die Behörden auch an Redaktionen weiter. Diese können ihr Programm bei Bedarf unterbrechen.Online können sich Bürger über die Webseite des Bundesamtes informieren und Warnmeldungen abonnieren.Auch auf digitalen Werbe- und Anzeigetafeln werden die Katastrophenwarnungen ausgespielt – sofern sie an das Meldesystem angeschlossen sind. Verkehrsanbieter geben die Warnungen über Ihre Zeittafeln an die Bürger weiter.Über Cell Broadcast, also eine direkte Meldung auf alle Handys, das aber nur für neuere Modelle verfügbar ist. Auch eine Entwarnung ist über Cell Broadcast weiterhin nicht möglich.Erstmals wird an diesem Warntag auch eine neue Technologie getestet, die sich Automatic Safety Alert (ASA) nennt. Dabei wird eine Probewarnung an eine Auswahl an ASA-fähigen DAB+-Endgeräte gesendet. DAB+ steht für Digital Audio Broadcasting Plus. Seit August sind in Deutschland die ersten ASA-zertifizierten Digitalradios im Handel erhältlich. Ein entscheidender Vorteil dieses neuen Warnkanals, der zusätzlich etabliert werden soll, ist, dass er auch dann funktioniert, wenn die Mobilfunknetze und das Internet ausfallen sollten. Wird eine Warnung verbreitet, wacht das Gerät zudem automatisch aus dem Standby-Modus auf.
Das BBK rät Bürgern zudem, sich bei der Feuerwehr, im Rathaus oder Bürgerzentrum ihrer jeweiligen Kommune über den Probealarm zu informieren. „Es bietet sich an, sich vorab zu erkundigen, auf welchen Wegen die eigene Kommune plant, Warnmittel zu erproben, um sich darauf einzustellen und idealerweise auch Angehörige und weitere nahestehende Menschen darüber zu informieren“, heißt es auf der Webseite des BBK. Informationen stehen Bundesbürgern auch in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung.
Warum ist das Alarmsystem unvollständig?
Das hat mehrere Gründe. Nach dem Kalten Krieg wurden Sirenen an vielen Orten Deutschlands abgebaut oder nicht mehr in Gang gehalten. Unklar ist auch, wie viele Sirenen es in Deutschland heute überhaupt genau gibt, schätzungsweise 40.000 sollen es noch sein. Sie sind Teil des kommunalen Warnsystems, werden also nicht zentral gesteuert. Deshalb ertönt das Warnsignal nicht überall gleichzeitig.
Zudem gilt: Kommunen können am Probealarm teilnehmen, müssen es aber nicht. Die Aktion ist für sie freiwillig. Am 11. September müssen also nicht überall die Sirenen schrillen. Aus dem BBK heißt es jedoch, angesichts einer hohen Zahl von Nachfragen rechne man diesmal mit einer hohen Beteiligung der Kommunen.
Wie genau funktioniert Cell Broadcast?
Diese Technologie wurde nach der verheerenden Flut im Ahrtal in Deutschland eingeführt und 2023 erstmals getestet. Dabei erhält jeder Handynutzer, der sich mit angeschaltetem Mobiltelefon in einem bestimmten Gebiet aufhält, eine von einem Geräusch angekündigte Textnachricht – vorausgesetzt das Gerät ist nicht zu alt. Die Nachrichten sind auf 500 Zeichen begrenzt und beinhalten die Warnung und Handlungsempfehlungen.
Für Cell Broadcast muss sich niemand extra anmelden. Die Behörden können die Warnmitteilung über Cell Broadcast an alle erreichbaren Handys gleichzeitig verschicken. Über Cell Broadcast erhalten Bürger jedoch nur die Katastrophenwarnung – keine Entwarnung. Das ist weiterhin nicht möglich, heißt es vom BKK.
Wie wahrscheinlich ist ein bundesweiter Alarm wirklich?
Abgesehen vom Probealarm sind bundesweite Warnungen ein absoluter Ausnahmefall. Meist wird lokal oder regional gewarnt: wie zum Beispiel vor Überflutungen oder Waldbränden.
Wie gut ist Deutschland für den Ernstfall gerüstet?
Das Alarmsystem in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut, ist aber immer noch lückenhaft: Sirenen werden weiterhin dezentral gesteuert und Warnungen über das 2023 eingeführte Cell Broadcast erreichen nur Smartphone-Besitzer, deren Betriebssysteme nicht älter als fünf Jahre sind.
Es gibt keine technischen Möglichkeiten, mit denen das BKK sicherstellt, dass auch wirklich alle Bürger die Warnmeldungen erreichen. Daher bittet die Behörde die Bevölkerung per Onlineumfrage um Feedback.
Auch die Bunker sind ein großes Thema beim BBK. 579 Schutzbunker gibt es in Deutschland noch. Sie stehen aber nicht für den Bevölkerungsschutz zur Verfügung, seit 2007 beschlossen wurde, dass das BBK keine öffentlichen Bunker mehr betreiben soll.
Insgesamt sieht BBK-Präsident Ralph Tiesler Deutschland bei der persönlichen Vorsorge für Krisen und Katastrophen aber gut gerüstet. Ereignisse wie die Corona-Pandemie, Flutkatastrophen, aber auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten dafür gesorgt, dass sich die Menschen stärker mit Vorkehrungen für Katastrophen befassen, sagte Tiesler bereits 2023. Darauf deuteten die Ergebnisse von Umfragen hin, die das BBK erstellen lässt. Auch die Zahl der Downloads und der vom BBK auf Anfrage verschickten Ratgeber zu Vorsorgefragen hat demnach zugenommen. Beim letzten Warntag 2024 wurden laut BKK 97 Prozent der Bevölkerung erreicht.
Quellen: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe1, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe2, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe3, Bundesregierung.de, mit Material von DPA