Daddy Issues: „Ich hatte Angst vor dem ersten Urlaub ohne Marie“

Seit sieben Monaten ist Vater Sebastian Tigges von seiner Partnerin getrennt. Jetzt stand der erste Urlaub mit seinen Kindern an. Über eine Zeit, die anders verlief als erwartet.
Die ersten Jahre meiner Vaterschaft hatte ich vor dem Urlaub mit den Kindern vor allem ein Gefühl: Angst. Urlaub war für mich im Wesentlichen eine lange Zeitspanne, in der die Kinder nicht in der Kita betreut werden. In der Marie und ich also allein verantwortlich waren, womit ich mich in den ersten Jahren als Vater regelmäßig überfordert fühlte. Bis ich schließlich meine Depression erkannte und nach und nach bekämpfte. Von da an wendete sich das Blatt und ich fing an, mich zu freuen auf gemeinsame Zeit zu viert, ohne Ablenkung, ohne Alltagsstress, ohne Termine, ohne Kita, ohne wesentliche Sorgen.
Ich habe den letzten gemeinsamen Sommerurlaub als Familie – August 2024 – noch sehr lebhaft und gern in Erinnerung. Bayern und Italien, Berge und See, Knödel und Pizza, Sonne und Sandalen, Schwimmflügel und Wasser aus dünnen Plastikflaschen. Einer der ersten Urlaube, in denen Marie und ich gleichzeitig ein paar Zeilen in unseren Büchern lesen konnten, weil unsere Kinder ohne unsere unmittelbare Anteilnahme spielten. Regelmäßig über den Buchrand einen Blick in ihre Richtung zu werfen, war wenigstens für ein paar Minuten das Maximum an erforderlicher elterlicher Fürsorge: la dolce vita! Ich erinnere mich, dass es mir in diesem Urlaub das erste Mal seit vielen Jahren leichtfiel, Dankbarkeit zu empfinden. Dass ich beim Anblick meines Sommerglücks einige Tränen der Rührung und Freude vergoss. Mein Leben ist schön, dachte ich. Und es würde so bleiben, ich fühlte mich angekommen.
Als Vater allein unterwegs
Ein Jahr später – wieder August – fuhr ich mit dem Zug nach München, um dort meine Kinder bei ihrer Großmutter abzuholen, wo sie erstmals ein paar Tage allein verbracht hatten. Ich holte sie ab, um mit ihnen weiter nach Italien zu fahren, in den Sommerurlaub. An den Ort, wo wir vor zwölf Monaten waren. Mit einem erheblichen Unterschied: Dieses Mal nur noch zu dritt, Marie fehlte. Denn zwischenzeitlich war passiert, womit ich in besagtem Urlaub vor einem Jahr nicht gerechnet hatte, nicht hatte rechnen wollen: Wir haben uns getrennt. Und plötzlich war sie wieder da, die Angst vorm Urlaub. Würde ich es schaffen? Allein mit den Kindern, ohne Kita, ohne Strukturen, ohne Partnerin an meiner Seite?
Ich hatte jedenfalls Respekt. Zwar war ich auch vor unserer Trennung regelmäßig allein mit den Kindern, auch länger. Aber solo mit beiden Kindern in den Urlaub zu fahren, das wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Keine Sekunde Pause, morgens bis abends rund um die Uhr Vater sein – das würde niemand Urlaub nennen wollen, so meine feste Überzeugung. Und so fuhr ich nach München mit der Einstellung, wenigstens meinen Kindern eine schöne Zeit zu gestalten, neue Kindheitserinnerungen für sie zu generieren an dem Ort, den sie, seitdem sie auf der Welt sind, kennen.
Schon die Autofahrt war eine Überraschung
Schon die gemeinsame Autofahrt von München nach Italien war eine große Überraschung. Nicht nur der Kofferraum war bis oben hin voll, auch das Tablet war geladen mit Kinderserien. Die „Paw Patrols“ warteten nur darauf, mir von der Rücksitzbank auf die Nerven zu gehen. Doch die sechsstündige Fahrt war – ich glaube es immer noch nicht – beinahe erholsam. Das Tablet blieb ebenso ruhig wie ich. Ich schaltete es nicht für eine Sekunde ein. Die Kinder unterhielten sich – mit sich, mit mir, mit den Spielfiguren in ihrem Schoß. Sie spielten, schauten aus den Fenstern, hörten mit mir Hörbücher und schliefen. Vor Ort am Gardasee angekommen, spielten sie im Garten, während ich das Auto leer räumte. Die folgenden Tage verfolgten wir eine konkludent vereinbarte Routine: Ausschlafen, in Ruhe Frühstücken, Sachen für den See zusammenpacken und los. Am späten Nachmittag aufbrechen vom See und entweder Pizza in der Trattoria oder Nudeln zu Hause. Und im Zweifel das zweite Eis des Tages für alle Beteiligten. Repeat.
Es war ein schöner Sommerurlaub und mein Ziel – neue Kindheitserinnerungen für sie zu schaffen – habe ich vermutlich erreicht. Zeitgleich war es ein Urlaub voller Wehmut. Allein mit den Kindern zu sein, hat zwar auch Vorteile: Ich konnte alles in meinem Rhythmus machen, musste mich nicht absprechen. Die Aufgaben waren klar verteilt bei uns: Ich mache alles, die Kinder, was sie wollen.
Doch gab es Momente, in denen ich trauerte. Um alles, was wir als Paar nicht geschafft haben, was hätte sein können, was ich mir als mein Leben, als mein für immer fertiges Leben vorgestellt hatte. Jeder Besuch bei der Eisdiele erinnerte an die Tatsache, dass das vierte Eis nicht bestellt werden durfte. Ein Abend allein auf der Terrasse, wenn die Kinder schliefen: einerseits viel Ruhe, andererseits jede Menge Stille. Eine Stille erfüllt mit Gedanken daran, was nicht mehr ist. Und dennoch: Der erste Urlaub zu dritt war vor allem eine Erinnerung, nein, der Beweis dafür, dass das Leben weitergeht. Dass man sich neu finden und adaptieren kann – und dass das nicht nur schlecht ist, sondern beides sein kann – schön und traurig zugleich.