Neue Chefin, alte Probleme: Trotz Sanierungsplan: Es bleibt schlimm bei der Bahn

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder legt seine Reformagenda für die Bahn vor, die die neue Bahnchefin Evelyn Palla jetzt umsetzen muss. Zufrieden macht sie nicht.

Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“, hat der Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sein Reformpaket betitelt, an der sein Ministerium die vergangenen Monate gefeilt hat: 32 Seiten mit viel Leerraum. Sie soll, sagt Schnieder bei seiner Vorstellung heute, „den Neuanfang“ bei der Bahn bringen. „Personell, strukturell und inhaltlich.“ Ein „Weiter so“, dürfe es nicht geben. Denn der Zustand der Bahn „untergräbt das Vertrauen in den Staat. Das ist brandgefährlich.“ 

Doch wie will Schnieder die Bahn in einen besseren Zustand versetzen? Was wird sich ändern? Und was taugt sein Konzept? 

Was Schnieder im Reformprogramm ausführt, liest sich nach wenig Wumms. Vieles muss erst noch geprüft werden von der Bahn oder dem Ministerium, anderes ist überraschend unambitioniert. Und auch beim Spitzen-Personal gibt es Pannen und Probleme. 

Pünktlichkeit der Züge soll nur langsam steigen

Bei der Pünktlichkeit fällt der Verkehrsminister sogar hinter das Ziel des von ihm geschassten Bahnchefs Richard Lutz zurück. Der hatte sich in seinem Sanierungsprogramm bis 2027 eine Pünktlichkeit im Fernverkehr von 75 bis 80 Prozent vorgenommen. Schnieder hält das für völlig unrealistisch – und wäre schon mit mindestens 70 Prozent bis 2029 zufrieden. Mehr sei nicht drin, angesichts des maroden Bahnnetzes und der vielen Baustellen. 

Er schraubt damit die Erwartungen gleich so niedrig, dass die Werte auf jeden Fall erreicht werden. Zufriedenere Kunden dürfte die Bahn so allerdings nicht bekommen. Wann die ICEs verlässlicher unterwegs sind, vermag der Minister nur ganz grob zu sagen. Mittelfristig sollten es 80 Prozent sein, langfristig 90 Prozent. Es sei „ein ganz, ganz weiter Weg“, so Schnieder. 

Ein für Kunden schwacher Trost sind da die drei Sofortprogramme für „ein besseres Reiseerlebnis“, die der Minister präsentiert: Es soll sauberer in den Zügen und Toiletten werden, die Bistros öfter offen sein, die Bahnhöfe sicherer und die DB-App besser. Daneben ist eine Sanierung der Bahnhöfe geplant. 500 in fünf Jahren, verspricht Schnieder. Sie sollen dann auch endlich barrierefrei sein.

Gewerkschaft lehnt neues Bahn-Personal ab

Doch ob alles so kommt mit Schnieders Strategie für die Schiene, ist offen. Die Bahnreform muss erst noch durchs Kabinett. Wann das der Fall sein wird, konnte Schnieder nicht sagen. Mit anderen Worten: Das Papier ist unverbindlich, solange es nicht den Stempel beider Koalitionspartner trägt. 

Beim Personalwechsel nun droht Schnieder ein Debakel. Noch während er die neue Bahnchefin Evelyn Palla heute vorstellte, platzte die Nachricht herein, dass die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Aufsichtsrat am Dienstag gegen die Italienerin stimmen will. Grund: Die EVG ärgert sich darüber, dass sie bei den Auswahl-Prozessen nicht eingebunden war. Vertrauensvolle Zusammenarbeit funktioniere anders. Vor allem aber hält EVG-Chef Martin Burkert eine Personalie des Ministers für grundfalsch. Denn Schnieder will Philipp Nagl entlassen, einen der Köpfe hinter dem sogenannten Generalsanierungskonzept für mehr als 40 wichtige Strecken. Stattdessen soll Dirk Rompf die Stelle übernehmen. Der war von 2014 bis 2019 schon einmal Vorstandsvorsitzender der DB Netz, dem Vorläufer der DB InfraGo. 

Aus EVG-Sicht hat Rompf damals „mit seinem Sparwahn mit Schuld an der heutigen Situation“, sprich dem schlechten Netzzustand. Das sei „kein Neustart“. Ähnlich sieht das auch Dirk Flege, Geschäftsführer beim Verband Allianz pro Schiene. Das Personal-Hickhack ist kein guter Start für die neue DB-Bossin – selbst wenn die EVG mit ihrer Stimme im Aufsichtsrat die Benennung am Ende nicht verhindern kann. 

Bahn-Vorstand wird kleiner

Bei dem Zerwürfnis geht fast unter, dass Schnieder auch vernünftige Schritte unternimmt. So streicht er etwa dem DB-Konzern den Vorstand für die Infrastruktur, da sie sich doppele mit der Stelle der Infrago, also der DB-Tochter für Infrastruktur. 

Das neue Steuerungskonzept entpuppt sich als vage. Der Infraplan soll das zentrale Steuerungsinstrument des Ministers werden. Darin soll für die InfraGo festgeschrieben werden, welche Projekte bis wann und in welcher Qualität fertig sein sollen. Ein gutes Ziel, das mehr Transparenz bringen soll. Nur: So ähnlich hatte das auch schon sein Vorgänger Volker Wissing vor, doch fertig wurde der Plan nicht. Nun soll er bis Mitte 2026 überarbeitet und mit der DB Infrago abgestimmt werden. Auf dieser Basis dann soll die neue Finanzierung konzipiert werden, die ab Januar 2027 in Kraft treten soll. 

Außerdem will Schnieder bei der Berechnung der Vorstands-Boni stärker die Unpünktlichkeit einfließen lassen, wobei der Effekt gering sein dürfte, wenn er selbst niedrige Pünktlichkeits-Ziele ausruft. Außerdem soll bei der Besetzung der externen Aufsichtsratsposten – also die, die nicht von den Ministerien besetzt werden – stärker auf wirtschaftliche Kompetenz geachtet werden. 

Im Ungefähren bleibt auch die Trassenpreisrefom. Sie soll 2027 kommen. Den lange geforderten Infrastrukturfonds, der die Mittel für die Bahn unabhängig von der Legislatur festsetzt, soll der Bund in einem „dritten Schritt“ irgendwann nach 2027 „voranbringen“, heißt es in dem Papier. Auch bei den zentralen Punkten wie der stärkeren Entflechtung von Konzern und DB-Tochter InfraGO sind noch „Prüfungen“ erforderlich. All das klingt seicht und flach. „Unterkomplex“ nennen die Verbände „Mofair“ und „Die Güterbahnen“ Schnieders Konzept. Zwar sei ein Problembewusstsein beim Minister vorhanden, die Strategie sei jedoch in dieser Form „zu einfach gestrickt“. Einen Turnaround beim Staatsbetrieb DB werde das nicht herbeiführen. 

Da mag Evelyn Palla auch noch so oft sagen: „Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache“ und zum „Aufräumen“ aufrufen. Erst muss sich der Minister und Eigentümer der Bahn noch besser sortierten. Personell, strukturell und inhaltlich.