Deutsche Bahn: „Wenn das passiert, sind wir kurz davor, dass dieser Minister gescheitert ist“

Grünen-Politiker Matthias Gastel, Bahn-Vielfahrer und bis Juli im Aufsichtsrat der DB InfraGo, hält die Bahn-Agenda des Verkehrsministers für unausgegoren.
Herr Gastel, der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat Evelyn Palla zur neuen Bahnchefin gewählt – gegen die Stimme der Gewerkschaft EVG. Ist das jetzt aus Ihrer Sicht eine gute Nachricht?
Matthias Gastel:Das ist eine gute Entscheidung. Mein Glückwunschschreiben ist gerade raus. Ich dämpfe aber die Erwartungen. Egal, ob Evelyn Palla oder Richard Lutz an der Spitze der Deutschen Bahn steht – das Weh und Wohl hängt immer von den Rahmenbedingungen ab. Wenn die Trassenpreise zu hoch sind, die Infrastruktur unterfinanziert ist, wird eben niemand wirklich erfolgreich sein können im System Bahn. Statt auf Personen schaue ich deshalb lieber, ob das große Ganze funktionieren kann.
Der Bundesverkehrsminister hat am Montag seine „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schienen“ vorgestellt. Kann Palla damit erfolgreich sein und Bahnfahren wieder zuverlässiger machen?
Die Agenda des Verkehrsministers ist sehr unkonkret und enthält wenig Neues. Wie es mit der Generalsanierung weitergeht und die Haushaltszahlen für die Bahn, das war alles bekannt. Es gibt sehr viele Prüfaufträge an das Ministerium selbst oder an die Deutsche Bahn. Da heißt es dann, bis 2027 soll dies oder jenes geprüft werden. Inhaltlich ist das alles schwach. Dabei gibt es bereits sehr konkrete Pläne zur Trassenpreisreform von der Vorgängerregierung. Ebenso zur Finanzierung der Schiene über einen Fonds. Darauf könnte man aufbauen, statt wieder bei null anzufangen.
Die Gewerkschaft EVG kritisiert, dass sie nicht in den Reform-Prozess eingebunden war.
Ein großes Manko dieses Papiers ist, dass es im Hinterzimmer geschrieben worden ist. Minister Patrick Schnieder wollte schnell etwas vorlegen. Nur ist das jetzt kein Programm der Koalition, geschweige denn etwas, was einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens hat. Das Papier wird vermutlich nur eine kurze Halbwertzeit haben, weil die Gewerkschaft nicht mitzieht, der Koalitionspartner es nicht vollständig teilt, weil es bei der Deutschen Bahn hintertrieben wird und es bei der Branche auf wenig Gegenliebe stößt.
Sehr konkret entzündet sich nun Streit über eine Personalie: Die EVG lehnt Dirk Rompf als neuen Chef der DB-Tochter InfraGo ab. Sie hat deshalb auch gegen Frau Palla gestimmt, um ihrem Unmut Luft zu machen. Was ist so schlimm an Rompf?
Bei Herrn Rompf überlagern sich zwei Dinge. Das eine ist die Person und das andere die Vorgehensweise des Ministers. Schnieder hat gestern in einem sehr arrogant überheblichen Stil so getan, als ob er über Personalien entscheiden könnte. Aber das ist die Aufgabe der Aufsichtsräte.
Die EVG hat auf die Palme gebracht, dass die Arbeitnehmerseite, die die Hälfte des Aufsichtsgremiums im DB Konzern stellt, nicht eingebunden war und sich deshalb aus Protest sogar gegen Frau Palla gestellt. Inhaltlich steht Rompf für die Zeit des Rückbauens und Kaputtsparens der Infrastruktur. Er war während der Ära Pofalla Vorstand der DB Netz, also dem Vorgängerunternehmen der DB InfraGo.
Inwieweit er die Entscheidungen damals zu verantworten hatte, darüber mag man streiten. Aber er ist halt derjenige gewesen, der die politischen Entscheidungen ausgeführt hat. Ich stelle mir ernsthaft die Frage, warum Herr Rompf besser sein soll als der geschasste oder zu schassende Herr Nagl?
Was ist denn mit Herrn Nagl? Warum wird er überhaupt geschasst?
Das weiß ich nicht. Zu hören ist, dass der Minister schlecht beraten wird und auch Kumpanei bei der Neubesetzung eine Rolle spielt.
Am 22. Oktober wird der Aufsichtsrat der DB InfraGo über die Personalie abstimmen. Die EVG geht davon aus, dass Dirk Rompf durchfällt, weil auch der Vertreter aus dem Bundesfinanzministerium und damit der Anteilseigner-Seite gegen Rompf stimmen will.
Wenn das passiert, sind wir kurz davor, dass dieser Minister gescheitert ist. Denn wenn er nicht in der Lage ist, wichtige Entscheidungen wie Personalien innerhalb der Regierung abzustimmen und dafür zu sorgen, dass die Vertreter der Ministerien im Aufsichtsrat gemeinsam abstimmen, dann weiß ich nicht, wie diese Koalition zusammen arbeiten soll.