Getränke-Hype: Kann Matcha-Tee Eisenmangel auslösen? Was Sie dazu wissen sollten

Löst Matcha-Tee wirklich Eisenmangel aus? Im Netz warnen Besorgte und angebliche Expertinnen vor dem Trend-Getränk. Doch was ist dran? Plus: die besten Tricks gegen Eisenmangel.
In sozialen Netzwerken wie Tiktok oder Instagram machen beunruhigende Bilder und Videos die Runde: Frauen liegen angeblich mit einer Infusion im Krankenhaus oder wollen bei sich per Bluttest einen Eisenmangel festgestellt haben. Menschen, die sich als Heilpraktikerin oder Notfallsanitäter vorstellen, warnen vor gefährlichen Mangelerscheinungen, angeblich ausgelöst durch ein beliebtes Getränk: grünen Matcha-Tee, gern auch als Matcha-Latte getrunken. Doch was ist dran an den Behauptungen?
Grundsätzlich ist es zwar chemisch korrekt, dass bestimmte Inhaltsstoffe von grünem Matcha die Eisenaufnahme hemmen. Ob sie aber wirklich einen „gefährlichen“ Eisenmangel auslösen, steht infrage. Man sollte dabei aus mehreren Gründen skeptisch sein: Zum einen sind die im Netz geschilderten Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Haarausfall oder brüchige Nägel so unspezifisch, dass es dafür viele andere Ursachen wie Stress, zu wenig Schlaf oder auch Zinkmangel geben könnte. Zum anderen ist unklar, wie zuverlässig frei verkäufliche Selbsttests sind, die einen Eisenmangel belegen sollen. Dafür muss man eine bestimmte Blutmenge per Piks aus der Fingerkuppe entnehmen und auf eine Testkarte tropfen. Ob man das zu Hause korrekt gemacht hat, kann aber kein Arzt und kein Labor überprüfen.
Matcha – was ist das eigentlich?
Aber was steckt eigentlich im Matcha-Tee? Das beliebte Getränk ist ein schaumiger Aufguss aus fein gemahlenen Grünteeblättern. Die Pflanzen werden vor allem in Japan mit einer speziellen Methode teilweise im Schatten aufgezogen, sodass sich besonders große und zarte Blätter bilden. Die werden gedämpft, getrocknet und fein gemahlen. Das leuchtend grüne Pulver gießt man nach japanischer Tradition mit nicht mehr kochendem Wasser auf und rührt den Matcha mit einem Bambusbesen schaumig.
Die Blätter werden also bei Matcha, anders als bei normalem Grüntee, nicht abgeseiht, sondern mitgetrunken – weshalb Matcha nachgesagt wird, besonders viele Ballaststoffe, Vitamine, Spurenelemente und andere gesunde Substanzen zu liefern. Dieses Gesundheitsimage hat dem herb-süßlichen Schaumaufguss einen solchen Hype beschert, dass Teebauern in Japan und anderen Ländern inzwischen kaum noch nachkommen mit Anbau und Produktion. Längst gibt es neben Matcha-Bars in größeren Städten zahlreiche weitere Produkte, von Matcha-Schokolade bis hin zu zartgrünem Eis.
Dass Matcha so gesund sein soll, wird vor allem auf die darin enthaltenen Catechine zurückgeführt. Diese Gerbstoffe aus der Gruppe der Polyphenole haben antioxidative, zellschützende Eigenschaften und hemmen Entzündungen. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Grüntee schweren Krankheiten wie Krebs oder Herzleiden vorbeugen könnte. Vielversprechende Effekte wurden bisher in Zellkulturen und im Tierversuch nachgewiesen, in Studien an Menschen zeigte sich immerhin eine mäßige Senkung von Blutdruck- und Cholesterinwerten – allerdings nicht in allen Studien. Ob Grüntee beim Menschen wirklich schwere Krankheiten verhindert, ist jedenfalls nicht überzeugend belegt.
Catechine im Matcha-Tee binden Eisen
Die Catechine im Grüntee und Matcha hemmen aber auch die Aufnahme von Eisen, das der Körper vor allem für den Blutfarbstoff Hämoglobin braucht, der Sauerstoff von der Lunge in die Organe transportiert. Eine kleine Menge Eisen kann der Körper als Reserve in Milz, Leber, Muskeln und Knochenmark speichern, den Rest müssen wir täglich mit der Nahrung aufnehmen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, (DGE) empfiehlt für Frauen, die durch die Menstruation Blut verlieren, 16 Milligramm pro Tag, in der Schwangerschaft sogar 27 Milligramm und nach den Wechseljahren noch 14 Milligramm täglich. Männer sollten auf elf Milligramm am Tag kommen – Werte, die sich durch kluge Kombination von Lebensmitteln erreichen lassen.
Doch etwa acht bis zwölf Prozent der Deutschen weisen einen Eisenmangel auf, unter Europas Frauen im gebärfähigen Alter sollen es sogar 20 Prozent sein. Denn viele Menschen haben auch ohne Matcha-Tee ein höheres Risiko für eine Unterversorgung mit Eisen, eventuell sogar für einen Mangel, mit Symptomen wie Blässe durch Blutarmut, Müdigkeit oder brüchige Haare und Nägel. Dazu gehören Kinder und Jugendliche in Phasen starken Wachstums, Frauen, insbesondere, wenn ihre Regelblutung stark ist, außerdem Schwangere und Stillende sowie Menschen, die vegetarisch oder vegan leben und daher wenig oder gar kein Eisen aus tierischen Produkten verzehren.
Bei Eisenmangel spielen viele Faktoren zusammen
Bis heute ist daher unklar, ob Matcha überhaupt eine große Rolle als Einzelursache für Eisenmangel spielt. Zwar gibt es eine Handvoll Fallberichte, in denen Grünteefans sehr niedrige Eisenspiegel aufwiesen. Doch in größeren Beobachtungsstudien ließ sich der Zusammenhang zwischen Tee und Eisen nicht so klar herstellen.
Denn beim Eisenstoffwechsel spielen sehr viele Faktoren zusammen. Grundsätzlich gilt, dass Eisen aus tierischen Lebensmitteln, vornehmlich aus Fleisch oder Leber, besonders leicht vom Körper aufgenommen wird. Bei pflanzlichem Eisen ist es komplizierter: Zwar enthalten auch Vollkornprodukte, Erbsen, Bohnen oder Linsen viel Eisen, doch darin ist es an sogenannte Phytate gebunden, die die Aufnahme erschweren.
Zusätzlich binden Polyphenole aus Grüntee, Schwarztee und Kaffee Eisen in unlöslicher Form, sodass es im Darm nicht aufgenommen, sondern ausgeschieden wird. Auch die Oxalsäure, die etwa in Rhabarber vorkommt, bindet Eisen. Hinzu kommt, dass jeder wohl anders auf eine Unterversorgung mit Eisen reagiert: Der eine kann gut das Eisen aus Speichern in Leber und Muskeln mobilisieren, die andere vielleicht nicht.
Statt nun aber aus Sorge ganz auf den geliebten Matcha zu verzichten, sollten insbesondere Menschen mit höherem Risiko für Eisenmangel (etwa Frauen und alle, die vegan oder vegetarisch leben) besonders auf eine gute Eisenversorgung achten. Um die zu erreichen, gibt es mehrere Tricks:
Vitamin C verbessert die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Produkten, was sich relativ einfach durch ein Glas Orangensaft oder frisches Obst zum Müsli oder durch etwas Zitronensaft in der Erbsen- oder Linsensuppe erreichen lässt.Auch milchsäurehaltige Lebensmittel wie Joghurt, Sauerkraut oder Kimchi erhöhen die Eisen-Ausbeute bei der Verdauung.Einweichen und Keimen von Getreide reduzieren den Phytat-Gehalt, sodass die Produkte Eisen leichter freisetzen.Und wer Matcha, Grüntee oder Kaffee trinkt (insbesondere mit Milch, deren Kalzium zusätzlich Eisen bindet), sollte das mit ein bis zwei Stunden Abstand zu den Mahlzeiten tun. So hat der Körper Zeit, Eisen aufzunehmen, bevor die Polyphenole aus den Getränken es an sich ziehen.Darüber hinaus gilt: Eisenhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nur bei einem ärztlich festgestellten Mangel und nach Rücksprache mit Arzt oder Ärztin genommen werden.