Polizeiausbildung: Wie die Ausbildung von Polizisten in Hessen aufgebaut ist

Schießtraining, Stresstests, Rollenspiele: Wie fit macht Hessens Polizei-Ausbildung für echte Einsätze – und wo sieht die Gewerkschaft Lücken?

Am vergangenen Freitag sind Vorwürfe gegen 17 Polizeibeamte in Frankfurt publik geworden. Sie sollen in mehreren Fällen gewalttätig gegenüber Männern während oder nach deren Festnahme gewesen sein. Welche Rolle spielt aber eigentlich das Training von solchen Situationen in der Polizeiausbildung?

Wie ist die Polizeiausbildung aufgebaut? 

Die Polizeiausbildung in Hessen ist ein dreijähriges duales Studium, das an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) stattfindet und mit einem Bachelor of Arts abgeschlossen wird. Das Studium kann in Gießen, Kassel, Mühlheim am Main und Wiesbaden absolviert werden. Der Aufbau umfasst sowohl Theorie als auch Praxis. Daneben gibt es verschiedene Trainingseinheiten wie Schieß-, Fahrt- und Selbstverteidigungstraining. 

Was wird in der Polizeiausbildung vermittelt?

Das Studium der Polizeianwärter besteht nach Ministeriumsangaben aus fachtheoretischen und fachpraktischen Studienabschnitten. In den theoretischen Studienabschnitten werden Inhalte der Rechtswissenschaften Polizei– und Kriminalwissenschaften (Einsatzlehre, Führungslehre, Kriminalistik und Kriminologie, Verkehrslehre), Informationstechnik sowie Sozialwissenschaften (Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie, Berufsethik) vermittelt. 

Welche Rolle spielt die Vorbereitung aufs Berufsleben? 

Der Umgang mit schwierigen Situationen stellt einen wesentlichen Schwerpunkt in der Ausbildung von Polizeianwärtern dar, heißt es vom hessischen Innenministerium. Es sei von zentraler Bedeutung, dass sie frühzeitig lernen, in Stress- und Konfliktsituationen besonnen, professionell und rechtskonform zu handeln. So werde etwa im 4. Semester (für die Schutzpolizei) und im 6. Semester (für die Kriminalpolizei) das Thema Stress behandelt. Dabei geht es laut Ministerium insbesondere darum, mit Belastungen umzugehen, in Extremsituationen handlungsfähig zu bleiben und sich gezielt auf psychisch fordernde Einsatzlagen vorzubereiten.

 Nach Angaben des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hessen, Jens Mohrherr wird in der Ausbildung „jedwede Situation geübt“. Neben rechtstheoretischen Fächern findet auch Einsatztraining statt. Dabei werden laut GdP verschiedene Einsatzszenarien, Festnahmen, Umgang mit Straftätern oder Gruppengewalt geübt. Dabei stehen sich beispielsweise Polizei-Studierende in verschiedenen Rollen gegenüber und spielen unterschiedliche Situationen durch. So sollen die Studierenden die Kompetenzen entwickeln, die jeweilige Lage rechtmäßig zu entschärfen. 

Gibt es Nachholbedarf bei der Ausbildung? 

Mohrherr und die GdP meint ja: „wir können uns gut vorstellen, dass wir noch zusätzliche Impulse setzen können im Studium.“ Insbesondere im Bereich Reflexion und Resilienzstärkung. Allerdings: „Das Studium ist aber picke-packe voll. Das Curriculum platzt aus allen Nähten.“ So würden diese Aspekte oft auf die Praxis nach dem Studium verlagert. Aber auch im späteren Dienst hätten etwa Gespräche mit Kollegen über das Erlebte zu wenig Raum, sagt der GDP Hessen-Vorsitzende. Er meint, wenn die Polizei-Studierenden mit ihrer Ausbildung „fertig und auf den Dienststellen sind, brauchen sie entsprechende Freiräume, um die Resilienz zu stärken“.

Die Beamten bei der Polizei in Brennpunktrevieren werden tagtäglich „nicht mit schicken Einkaufstüten konfrontiert, sondern mit dem ganzen Elend, was in ihrem Dienstbezirk eben Tag und Nacht zu sehen ist“. Etwa Obdachlosigkeit, Drogensucht oder Kriminalität – damit müssten sie dann umgehen. „Und da fehlt uns natürlich auch der Freiraum in den entsprechenden Revieren den Umgang zu erlernen.“

Was müsste sich laut GdP auch beim Polizeidienst ändern? 

Der GdP-Vorsitzende findet, die Polizei müsse Strukturen schaffen, die die Beamten den täglichen Dienst bewältigen und mit verschiedenen Szenarien umgehen lassen. „Seien es Beschimpfungen, man wird angespuckt, man wird beleidigt, man nimmt jemanden fest, am anderen Tag verkauft er wieder Drogen“, zählt Mohrherr auf. Das seien alles sehr einprägsame Erfahrungen, „die aber keinesfalls Gewalt oder Gewaltanwendungen im Dienst rechtfertigen“. 

Was sind die Vorwürfe im aktuellen Fall um die Frankfurter Beamten? 

Im Fokus der Ermittlungen stehen fünf Polizeibeamtinnen und zwölf Polizeibeamte im Alter zwischen 24 und 56 Jahren, die im Streifendienst und in führenden Positionen eingesetzt waren. Sie sollen im Zeitraum von Februar bis Ende April 2025 insgesamt sechs Männern während oder nach deren Festnahme „unberechtigt körperlichen Schaden“ zugefügt oder „dies geduldet und die Taten nicht angezeigt“ haben. Konkret geht man von Schlägen, Tritten und Stößen des Kopfs gegen Wand und Tür aus, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Dominik Mies. In einem Fall soll ein Geschädigter eine Treppe hinuntergestoßen worden sein.