Zeit drängt: Verband: Entschädigung für viele Betroffene zu spät

Die Zwangsumsiedlung Tausender DDR-Bürger aus dem deutsch-deutschen Grenzgebiet in den 1950er und 1960er-Jahren ist heute fast vergessen. Viele Jahre haben die Opfer auf Entschädigung gewartet.

Die seit kurzem möglichen Einmalzahlungen für Opfer von Zwangsumsiedlungen aus dem früheren DDR-Grenzgebiet zu Westdeutschland kommen nach Ansicht ihres Interessenverbandes für viele Betroffene zu spät. „Die meisten unmittelbar Betroffenen, die damals als Erwachsene ihre Heimat verloren haben, leben nicht mehr“, sagte die Präsidentin des Bundes der Zwangsausgesiedelten (BdZ), Marie-Luise Tröbs, der Deutschen Presse-Agentur. Die Entschädigungsmöglichkeit könnten inzwischen hauptsächlich Menschen nutzen, die damals als Kinder mit ihren Eltern zusammen aus ihrem Wohnort deportiert worden seien. 

Viele Jahre lang habe der Verband vergebens um eine angemessene Entschädigung für Zwangsausgesiedelte gekämpft. Anders als andere Opfer des DDR-Systems sei diese Gruppe aber „durch das Sieb“ gerutscht. 

Nacht-und-Nebel-Aktionen unter zynischen Namen

Die Zwangsumsiedlungen von DDR-Bürgern aus der unmittelbaren Nähe der deutsch-deutschen Grenze ins Landesinnere sind ein bis heute nur wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte. 1952 und nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurden insgesamt rund 11.000 von der DDR-Staatsführung als „politisch unzuverlässig“ eingeschätzte Bürger in zwei Wellen von der Grenze in andere Wohnorte deportiert, allein in Thüringen waren es 7.000 Menschen. 

In Nacht-und-Nebel-Aktionen verloren sie ihre Wohnhäuser, Grundstücke, Betriebe und sonstiges Hab und Gut. Die Operationen trugen zynische Tarnnamen wie „Aktion Ungeziefer“, „Aktion Kornblume“ oder „Aktion Blümchen“.

Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat

Nach Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat haben Betroffene seit Juli die Möglichkeit, eine Einmalzahlung in Höhe von 7.500 Euro für den erlittenen Heimatverlust zu erhalten. Damit sei endlich eine politische Lösung für ein zutiefst drängendes Problem erreicht worden, sagte Tröbs. Sie sei darüber sehr froh und dankbar. 

Nach Angaben des Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi, gehen beim Landesverwaltungsamt monatlich rund 150 Entschädigungsanträge ein. Die Anträge würden kontinuierlich abgearbeitet. 

Während die Entschädigungsfrage auf Bundesebene über drei Jahrzehnte schwelte, hatte Thüringen als einziges Bundesland in den 1990er Jahren eine Stiftung „Zwangsausgesiedelten-Hilfe“ zur finanziellen Unterstützung Betroffener gegründet. Diese erhielten Wurschi zufolge rund 2.000 Menschen.

Der Bund der Zwangsausgesiedelten wurde vor 35 Jahren gegründet. Das wird am Samstag mit einem Festakt in Erfurt gewürdigt.