„Tatort: Letzte Ernte“: Wieder ein Neuanfang für Charlotte Lindholm

Kaum jemand hat in seiner „Tatort“-Karriere so viele Umbrüche erlebt wie Maria Furtwängler. In „Letzte Ernte“ ist sie wieder alles anders.
Für Charlotte Lindholm gehören Umbrüche offenbar zum Berufsalltag wie die Leichen zum „Tatort„. Maria Furtwängler (59) ist als „Tatort“-Kommissarin jetzt zurück beim LKA Hannover – und steht dabei so allein da wie seit sechs Jahren nicht mehr. In „Letzte Ernte“ (26. Oktober, 20:15 Uhr im Ersten) ermittelt sie im Alten Land nach dem Tod eines rumänischen Landarbeiters, der von einer Erntemaschine geköpft wurde. Aber das ist nur der Rahmen für etwas viel Grundsätzlicheres: die Rückkehr einer Einzelkämpferin zu ihren Wurzeln.
Eine Kommissarin und ihre wechselnden Begleiter
Wer die Geschichte von Charlotte Lindholm verfolgt, kennt das Muster. Die Hauptkommissarin ermittelt gern auf eigene Faust: Anders als die meisten ihrer „Tatort“-Kollegen war sie lange Zeit nicht in ein festes Ermittler-Duo eingebunden. Seit ihrem ersten Fall 2002 war Furtwänglers Figur als Eigenbrötlerin konzipiert.
Allerdings gab es durchaus Konstanten in ihrem Leben. Die wichtigste war über viele Jahre Ingo Naujoks (63) als Kriminalschriftsteller Martin Felser. Bis 2010 begleitete er Lindholms Figur als Mitbewohner und Vertrauter. Sein Abgang hinterließ eine Lücke, die die Kommissarin wieder mit sich selbst ausfüllen musste.
Von 2019 bis 2024 bekam sie mit Anaïs Schmitz, gespielt von Florence Kasumba (48), dann doch noch eine Partnerin an die Seite. Fünf Jahre lang bildeten die beiden ein ungleiches Duo: die erfahrene, kühl wirkende Lindholm und die impulsive Schmitz mit Aggressionsproblemen. Ihre Zusammenarbeit war von Reibung geprägt, beide Frauen waren es gewohnt, allein zu ermitteln. Doch genau diese Konstellation brachte auch neue Seiten an Lindholm zum Vorschein.
Zwischenstation in Göttingen
Charlotte Lindholm ist aber nicht nur bedingt teamfähig, sie ist auch rastlos. Von 2002 bis 2017 war Hannover ihre Heimat, das LKA Niedersachsen ihr Revier. Von der Stadt ging es für sie aber auch immer wieder raus in die Umgebung, um dort Fälle zu lösen. Nach einem schweren Ermittlungsfehler in „Der Fall Holdt“ folgte 2019 die Strafversetzung nach Göttingen. Damit ist Lindholm eine der wenigen „Tatort“-Figuren, deren Dienstgebietswechsel auch wirklich Teil der Handlung war. Furtwängler, die ihre Rolle von Beginn an stark mitentwickelt, begründete den Wechsel damals mit einer „Krise“, in der sie sich mit ihrer Kommissarin befunden habe.
Jetzt ist sie also zurück in Hannover. Göttingen liegt hinter ihr und auch Schmitz ist Geschichte. Wenn sie am 26. Oktober ins Alte Land fährt, ist sie wieder die Alte – oder vielmehr: wieder ganz bei sich. Keine Partnerin an ihrer Seite, keine Unterstützung vom LKA. Wegen eines Großeinsatzes steht ihr vor Ort nicht einmal die Spurensicherung oder ein Dienstwagen zur Verfügung. Nur eine junge Kollegin hält telefonisch Kontakt aus Hannover. Den Rest muss Lindholm selbst schultern.
Furtwängler über die Entwicklung ihrer Figur
Die Schauspielerin sieht genau in diesem Wandel die Stärke ihrer Figur. „Die Kommissarin befindet sich in einer Zwischenphase. Charlotte hat Göttingen hinter sich gelassen und ist noch nicht so richtig in Hannover angekommen. Was sie empfindet, ist eine gewisse Einsamkeit. Aber ein ‚Lonely Wolf‘ zu sein, war von Beginn an Teil ihres Charakters“, erklärt Maria Furtwängler im Interview zum neuen Film. Lindholm habe inzwischen Alterserscheinungen wie eine Sehschwäche, aber auch innerlich habe sie sich verändert und „mehr Verständnis für die menschlichen Abgründe und lässt eine gewisse Milde walten“.
„Letzte Ernte“ ist also in mehrfacher Hinsicht ein Neuanfang, aber auch eine Rückkehr. Nicht nur geografisch nach Hannover, sondern auch erzählerisch zu den Wurzeln der Figur. Der Film spielt mit einer Grundidee, die bereits 2002 in Furtwänglers erstem Fall „Lastrumer Mischung“ etabliert wurde: Eine scharfsinnige Kommissarin wird aufs Land geschickt und trifft dort auf dörfliche Strukturen, die sie durchdringen muss. Es ist, als würde die Reihe einen Kreis schließen.
Doch die Zeiten als Solo-Ermittlerin könnten bereits wieder gezählt sein. Charlotte Lindholm bekommt schon im nächsten „Tatort“ eine neue Kollegin an die Seite: Minna Schaum, gespielt von der Luise von Stein (26). Im bereits abgedrehten „Schützenfest“ (Ausstrahlung 2026) feiert die junge Kommissarin ihr Debüt im Hannover-Team. Ob Schaum zur festen Größe wird oder nur eine Episode bleibt, ist noch offen.




