COP30 in Belém: Eröffnet Brasilien jetzt die große Greenwashing-Aktion im Amazonas?

Zum 30. Jubiläum der UN-Klimakonferenz trumpft Gastgeber Brasilien mit ambitionierten Plänen auf. Einige Punkte klingen allerdings zu schön, um wahr zu sein.

Ein Klimagipfel mitten im Amazonas. Symbolischer könnte eine Veranstaltung wohl nicht sein. Seit Paris hat keine Klimakonferenz mehr Durchbrüche gebracht. Selbst die 1,5-Grad-Ambitionen von damals verkommen zur Illusion. Die Emissionen steigen weiter und befeuern extreme Hitzeszenarien. Politisch kippt die Stimmung und droht, sich gegen die einst auferlegte grüne Linie zu stellen. Und kaum etwas spiegelt diese Misere so deutlich wie der Regenwald: Rodungen und Dürren lassen die „grüne Lunge“ kränkeln und schubsen sie ihrem Kipppunkt entgegen.

Ausgerechnet an diesem Ort, wo das Wachstumspotenzial immer weiter schrumpft, will die Weltgemeinschaft über sich hinauswachsen. Vom 10. bis 21. November trommelt der Gastgeber Brasilien Delegierte aus knapp 200 Staaten in einem der verletzlichsten Ökosysteme zusammen. In Belém, einer Großstadt vor dem Amazonasbecken, sollen Lösungsansätze gegen die Klimakrise gesät werden. Brasilien hätte sich keinen schlechteren, aber vermutlich auch keinen besseren Zeitpunkt dafür aussuchen können. Die UN-Klimakonferenz feiert ihr 30-jähriges Jubiläum. Ein Durchbruch, wie 2015 in Paris, ist mehr als überfällig.

Nach drei Jahren in autoritären Petrostaaten sind die Erwartungen an die diesjährige COP groß. Belém könnte einen politischen Kipppunkt markieren. Im besten Fall wiederholt sich der Erfolg von Paris. Im schlimmsten Fall verschleppt die Staatengemeinschaft ihre Aufgaben – wieder einmal. Der Erfolg der Veranstaltung hängt auch vom Gastgeber ab. Und der tut alles, um die grünen Hoffnungen zu erfüllen. In der sogenannten „Action Agenda“ listet Brasilien sechs Themenbereiche mit insgesamt 30 Zielen. Nur passt diese COP30-Agenda nicht unbedingt zu dem, was das Land sonst so treibt.

Grüne Energie, aber nur mit unserem Öl!

Da wäre zum einen der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter. Darauf hatte sich die Staatengemeinschaft beim Klimagipfel vor zwei Jahren geeinigt. Brasilien will dieses Ziel und die Energiewende mit konkreten Lösungen vorantreiben. Mit gutem Beispiel vorangehen müssen jedoch andere. Zwei Wochen vor Beginn der COP30 genehmigte die brasilianische Umweltschutzbehörde (Ibama) ein umstrittenes Projekt, das sie vor zwei Jahren wegen Umweltbedenken noch abgelehnt hatte: An der Mündung des Amazonas in den Atlantik soll der halbstaatliche Energiekonzern Petrobras nach neuen Erdölreserven bohren. Brasiliens Energieminister Alexandre Silveira rechtfertigte das mit der „Energiesouveränität“ des Landes.

Für Entsetzen unter Klimaschützern sorgte auch eine Ankündigung der brasilianischen Öl-Regulierungsbehörde: Sie will die Explorationsrechte für 172 Ölfelder versteigern. Das betrifft eine Fläche von 146.000 Quadratkilometern, also zweimal Bayern.

Wie stark Brasilien dem fossilen Rausch verfallen ist, zeigen auch Zahlen der Internationalen Energie Agentur (IEA). Gerade vom Öl kommt das Land nicht los. Der Verbrauch ist seit Jahrzehnten ungebrochen hoch, während die Fördermengen steigen.

Brasiliens Bemühungen beim Klimaschutz gelten unter anderem deshalb als unzureichend. Daran ändert auch der wachsende Anteil erneuerbarer Energien am Strommix des Landes wenig. Würde Brasilien so weitermachen wie bisher, ließe sich die globale Erwärmung auf zwei bis drei Grad begrenzen, analysiert der Climate Action Tracker. Pariser Klimaziel? Ja schon, aber am liebsten in der Theorie.

Brasilien, wie hältst du’s mit dem Wald?

Besser, aber nicht gut. Mit dem Amazonas-Regenwald beherbergt das Land das weltweit größte Ökosystem dieser Art. In den vergangenen 40 Jahren ist der Regenwald in Brasilien um eine Fläche größer als Spanien geschrumpft – für die Landwirtschaft und den Abbau von Rohstoffen. Präsident Luiz Ignácio Lula da Silva konnte den Trend während seiner beiden Amtszeiten (2003 bis 2001, 2023 bis heute) zwar ausbremsen. Im Vergleich zu den 1990er-Jahren wird in Brasilien nur noch halb so schnell gerodet, heißt es in einem aktuellen Bericht der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Aber das reicht nicht.

Bei dem internationalen Gipfeltreffen in Belém will Lula da Silva deshalb für sein Prestigeprojekt werben: den „Tropical Forest Forever Fund“ (TFFF – Tropenwälder für immer). Der Topf soll 125 Milliarden US-Dollar schwer werden. Eine Milliarde verspricht Brasilien aus der eigenen Staatskasse beizusteuern. Den Rest sollen andere Länder und private Investoren liefern. Staaten, die ihre Tropenwälder schützen und erhalten, sollen damit finanziell unterstützt und belohnt werden. Wer den grünen Lungen schadet, muss Strafe zahlen.

Der Gastgeber der COP30 könnte einer der ersten Büßer werden: Wenige Wochen vor Beginn der Konferenz hob die brasilianische Wettbewerbsbehörde (Cade) das Soja-Moratorium auf. Das Abkommen sollte den Anbau der Hülsenfrüchte im Amazonasgebiet regulieren, indem es den Kauf von Soja verbietet, wenn es von Flächen stammt, die nach 2008 gerodet wurden. Das Instrument galt als eines der erfolgreichsten gegen die Rodung des Regenwaldes. Umweltorganisationen befürchten, dass die Agrarindustrie den Sojaausbau im Amazonas jetzt wieder vorantreiben könnte.

Für Kritik sorgte auch die Autobahn, die Lula da Silva extra für die Klimakonferenz bauen ließ. Die vierspurige „Avenida Liberdade“ reicht 13 Kilometer bis zum Kongressgebäude der COP30. Dafür mussten auch ein paar Hektar Regenwald weichen.

Alle sind willkommen. Alle mit Geld

Neben der Energie- und Waldpolitik inszeniert sich Brasiliens Präsident als Fürsprecher der Indigenen und besonders vom Klimawandel Betroffenen. Fast die Hälfte aller indigenen Völker weltweit sind durch Abholzung, Bergbau, Infrastrukturprojekte und Tourismus bedroht und könnten innerhalb der nächsten zehn Jahre verschwinden, warnt etwa die NGO Survival International. Auf der COP30 in Brasilien wollen sie das verhindern. Vom Gastgeber wurden die Indigenen sogar explizit an den Verhandlungstisch gebeten.

Wie viel Ehrlichkeit und Scheinheiligkeit in dieser Einladung steckt, sei dahingestellt. Tatsache ist: Die Teilnahme an der COP30 ist teuer. So teuer, dass selbst Österreich keine Delegation entsenden wird. Der Grund sind die fehlenden Unterkünfte in Belém. Die Großstadt hat nicht einmal genug Platz für die eigentlichen Bewohner. Die Mehrheit von ihnen haust in den Armenvierteln der Großstadt. Aus dem Gipfeltreffen versuchen viele Kapital zu schlagen. Hotelzimmer kosteten zwischenzeitlich mehrere hundert bis tausend US-Dollar. Für arme Länder, Delegationen aus der Zivilgesellschaft und Indigene kommt das einer Ausladung gleich. In Deutschland sammelte die Bewegung Fridays for Future Spenden, um diesen Gruppen die Teilnahme zu ermöglichen.

Der Gastgeber Brasilien versuchte, das Problem mit Kreuzfahrtschiffen in den Griff zu bekommen. Für arme Länder sind die Kosten pro Nacht und Zimmer mit 220 US-Dollar gedeckelt. Wer nicht zahlen wolle, könne „unter den Sternen schlafen“, ließ Präsident Lula da Silva wissen.

In den Ohren derer, die besonders unter dem Klimawandel leiden, dürften solche markigen Sprüche wie Hohn klingen. Aber vielleicht sind es gerade solche Ansagen, die der 30. UN-Klimakonferenz den Durchbruch bescheren, den der Planet so dringend braucht.