Talkshow: Caren Miosga fragt irritiert: “Sind Sie in der richtigen Partei?“

Wie kommt die Autoindustrie aus der Krise? Das fragt Caren Miosga eine Lobbyistin, einen Wissenschaftler – und einen Grünen, der sich von seiner Partei abgrenzt.

Treffen sich ein Grüner, eine Lobbyistin und ein Wissenschaftler – und besprechen, wie es für die deutsche Autoindustrie bergauf gehen soll. Klingt wie ein Witz, ist aber die Gästekonstellation bei „Caren Miosga. Kann das was werden?

Dort sitzt der Ökonom Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, der die großen Linien einordnen soll. Daneben Hildegard Müller, ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und aktuelle Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Der dritte in der Runde ist der Grüne, der Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden will: Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister in der Ampelregierung und ehemaliger Bundesvorsitzender seiner Partei.

Der sitzt in der ersten Hälfte aber erst einmal alleine bei der Talkmasterin. Und Miosga spricht ihn – natürlich – auch auf die Aussagen des Kanzlers zum Stadtbild an, denn Özdemir hat schon letztes Jahr einen Gastbeitrag in der FAZ geschrieben. Heute fordert er eine Zuwanderung von Familien, statt nur junger Männer. Die seien durchschnittlich häufiger straffällig, wie – er zeigt auf die Gastgeberin – „zum Beispiel ihre Großmutter oder meine verstorbene Großmutter“.

 “Sind davon“ – also von den jungen Männern – “zu viele gekommen?“ fragt die Talkmasterin, muss einmal nachhaken, und der schwäbische Grüne antwortet: “Zu viele, die ungeregelt gekommen sind, mit Sicherheit, klar.“

Cem Özdemirs flapsiger Auftritt bei „Caren Miosga“

Was auffällt: Özdemir ist manchmal beinahe flapsig, haut einen schwäbischen Spruch nach dem nächsten heraus – das wirkt oft natürlich, manchmal aber gewollt nahbar. Als er fordert, dass Migranten im Regelfall arbeiten sollten: “Das Hemd schwitzt net von allein.“ Über die gesamte Migrationsdebatte: “Wir streiten uns wie die Kesselflicker, unter den demokratischen Parteien.“

Özdemir versucht, herüberzukommen wie einer, der ideologiefrei ist, sich für die Sache interessiert. “Ich werde nie jemanden fragen, in welcher Partei er ist, mich interessiert nur: Haben Sie eine gute Idee für Baden-Württemberg?“

Er habe sich ja auch distanziert von ihrer Partei, antwortet Miosga und nagelt den Ministerpräsidentenkandidaten auf sein Verhältnis zu den Grünen fest.

 Miosga: “Sind Sie noch in der richtigen Partei?“

Özdemir: “Ich bin in der Mitte meiner Partei.“

Miosga: “In Baden-Württemberg, aber nicht in Berlin.“

Özdemir: „Ich stehe aber nicht in Berlin zur Wahl.“  

Miosga findet immer wieder den richtigen Ton. Mit einem Lächeln fragt sie, wie er mit seinen in den Umfragen abgehängten Grünen noch die Landtagswahl in Baden-Württemberg überhaupt noch gewinnen will. So eine richtige Antwort hat der Ex-Minister nicht.

Das ist alles politisch interessant, hat aber auch nichts mit der Automobilindustrie zu tun: Um die geht es erst im zweiten Teil der Sendung.  

Und in dem sind die Fronten schnell geklärt. Der Politiker Özdemir betont, dass man in die Zukunft schauen müsse. Die Politik könne etwas in der Zukunft verändern, den Strompreis angehen, Bürokratie und Berichtspflichten abbauen.

Nicht nur die Autoindustrie ist unter Druck

Die Auto-Lobbyistin Müller verteidigt, so wie es ihr Job ist, die Industrie. Die Fahrzeuge, die die Industrie herstellt, seien “absolut wettbewerbsfähig.“ Nur, ob die Produktion in Deutschland wettbewerbsfähig sei, das wäre offen. Aber: Die Automobilindustrie nimmt, so Müller, die Aufgabe an, sei bereit, hunderte Milliarden zu investieren.

Ökonom Schularick ordnet als Experte ein: Wir würden den zweiten Chinaschock erleben, erklärt er. Nachdem der Erste – Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation – vor allem die USA getroffen hätte, würde der Zweite nun Deutschland treffen. “Die Chinesen drängen auf traditionell deutsche Märkte“ – nicht nur bei der Autoindustrie.

In schnellem Ritt geht es um die Abhängigkeit deutscher Hersteller von chinesischen Chips: Müller sagt, die Unternehmen hätten ja mehrere Lieferanten, aber den Wegfall von so entscheidenden wie den chinesischen könne man nicht kompensieren. Özdemir mahnt, die Abhängigkeit müsse gegenseitig werden – dann sei man nicht erpressbar. Schularick sagt, das wird schwer, weil wir nicht nur von Halbleitern abhängig sind. Unabhängiger werden, das werde teuer.

Gegen Ende der Sendung streitet sich Müller noch mit der Moderatorin, ob der Kurs der Regierung in der E-Mobilität ein “Hü und Hott“ sei. Ja, sagt Miosga. Nein, sagt die VDA-Präsidentin. Einig ist man sich, dass die Infrastruktur ausgebaut werden soll.

Und Ökonom Schularick ordnet die gesamte Debatte um das Verbrenner-Aus einmal ein: Man solle in Deutschland aufhören, “rückwärts in die Zukunft zu laufen.“ Das Auto der Zukunft sei elektrisch, aber vor allem auch autonom fahrend. Man müsse aufpassen, dass man nicht durch Debatten um den Verbrenner die Entwicklung im autonomen Fahren verpasse.

Treffen sich ein Grüner, eine Lobbyistin und ein Wissenschaftler. Und es kommt eine kurzweilige, informative Sendung raus. Nur ein bisschen mehr Reibung, das hätte der Runde gutgetan.